Israel – Palästina: Krieg im Nahen Osten (Stellungnahme der organisierten autonomie Nürnberg)

Die israelische Netanjahu Regierung verhängt eine umfassende Absperrung und Blockade des Gazastreifens und kündigt die Vernichtung der Hamas an. Die Zivilbevölkerung des Gazastreifens wird zur Flucht aufgefordert bzw. gezwungen. Ein Kommentar.

Am 07.10.2023 beginnt ein, von der Hamas Militärorganisation angeführter, Angriff palästinensischer Stoßtrupps aus dem Gazastreifen. Die israelischen Grenzanlagen werden überrannt, Militärstützpunkte und Ortschaften eingenommen, israelische Soldat*innen werden getötet oder gefangen genommen. Im Verlauf der Ereignisse kommt es darüber hinaus zu von der Hamas durchgeführten und von ihr gerechtfertigten Massakern unter der Zivilbevölkerung mit über 1200 Toten- darunter auch Kinder und zur Geiselnahme von über 200 Zivilist*innen. Alle Gefangenen werden in den Gazastreifen gebracht.
Unmittelbar nach den Ereignissen hat sich die israelische Armee formiert. Die auf israelisches Gebiet Vorgestoßenen werden großteils eingeschlossen und getötet, einige gefangen genommen. Nach Angaben der israelischen Regierung werden über 1500 Kampfende getötet.
Die israelische Netanjahu Regierung verhängt eine umfassende Absperrung und Blockade des Gazastreifens und kündigt die Vernichtung der Hamas an. Die Zivilbevölkerung des Gazastreifens wird zur Flucht aufgefordert bzw. gezwungen. Zwei Tage Zeit wird den Zivilist*innen gegeben. Wohin sie gehen sollen, ist gänzlich unklar, da die Anrainerstaaten Israel und Ägypten ihre Grenzen geschlossen haben. Später wird dazu aufgefordert, in den Süden des Gazastreifens zu flüchten. Mehrere hunderttausend Menschen werden so vertrieben und in eine ungewisse elende Zukunft geschickt. Die Versorgung der Flüchtenden, sowie der im Norden verbliebenen Menschen, ist bis heute – trotz einiger Alibi-Hilfslieferungen – nicht gesichert. Kurz nach dem Überfall begann auch die von der Netanjahu Regierung befohlene Bombardierung des dicht bewohnten Gazastreifens, die nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministerium und UNO-Mitarbeiter*innen bereits über 5.000 PalästinenserInnen, darunter 2000 Kindern und Jugendlichen, das Leben gekostet hat und selbst in einer UNO-Resolution als Kriegsverbrechen bezeichnet wird. Dann beginnt die Bodenoffensive der israelischen Armee zur Eroberung des Gazastreifens und der Bombenterror geht weiter. Am 07.11. 23 ist bereits von über 10.000 Toten in Gaza die Rede.
Organisationen des palästinensischen Widerstands beschießen ihrerseits israelisches Staatsgebiet mit Raketen. Aufgrund geringerer Feuerkraft und vorhandener Schutzräume, bleibt nach Angaben israelischer Stellen die Zahl der Opfer unter der israelischen Bevölkerung gering. Bis Anfang November war meist von über 100 Toten die Rede.
Darüber hinaus droht eine Ausdehnung des Konflikts zu einem staatenübergreifendem Krieg. Sollten die mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen im Jemen und die libanesische Hisbollah verstärkt offen militärisch eingreifen, droht eine Eskalation in der gesamten Region, die tausende weitere Opfer mit sich bringen würde. Dasselbe gilt für Angriffe der NATO auf den Iran.
Soviel zu den aktuellen Ereignissen. Doch was sind eigentlich die Hintergründe dieses Krieges? Sicher können wir hier nicht alle Ursachen beleuchten, die Lebensrealität umfassend erfassen, die Entwicklung des Widerstands der Palästinenser*innen nachzeichnen und den Stand des Klassenkampfes in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten untersuchen. Auch können wir nicht die zahllosen Kämpfe, Kriege, Massaker und Bürgerkriege seit der Staatsgründung Israels nachzeichnen. Wir wollen euch aber dennoch einige Fakten bieten, um letztlich zu einer Einschätzung zu kommen.

 

Die Staatsgründung Israels

Weltweit verbreiteter Antisemitismus und Verfolgung verschafft der jüdischen zionistischen Bewegung eine Anhängerschaft und damit die notwendige Relevanz, die Voraussetzung für die von ihr angestrebte Gründung eines eigenen Staates im Nahen Osten war. Durch die Verbrechen des deutschen Faschismus, durch die von den Nazis organisierte Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden in Europa, erhält diese Bewegung, die zum Zuzug nach Palästina auffordert, Fluchtmöglichkeiten organisiert und bietet, weiteren Zulauf aus Europa und macht sich auf, das Land zu erobern.

Palästina ist seit dem 1. Weltkrieg im Kampf gegen das osmanische Reich, erobertes Mandatsgebiet des englischen Kolonialismus. Großbritannien versuchte die zionistische Bewegung und die antikolonialen arabischen Nationalist*innen gegeneinander auszuspielen, macht beiden Seiten Versprechungen und versuchte so seine Position als Kolonialmacht zu festigen. Zuvor lebten jüdische, muslimische und christliche Menschen meist friedlich gemeinsam in der Region.

Von Seiten der zionistischen Bewegung wird die Siedlerbewegung organisiert, die das Land gezielt in Besitz nimmt. Diese Siedlerbewegung, die bis heute weiter existiert, zielt, wie der israelische Ministerpräsident Moshe Dajan sagte, auf die Israelisierung der besetzten Gebiete. Sie ist heute im Kern eine rechtsextreme, schwer bewaffnete Bewegung, die in den vom Staat Israel illegal besetzten Gebieten auf den Golanhöhen, in Teilen Ost Jerusalems, im Westjordanland, früher im Gazastreifen und auf der Sinai Halbinsel illegale Siedlungen errichtete, palästinensisches Land ihrer Nachbarn stiehlt, diese zu diesem Zweck überfällt und vertreibt. Die Siedler sind eine paramilitärische Gruppierung, die, wenn sie selbst angegriffen wird, stets auf die Unterstützung der israelischen Armee, Polizei und Justiz bauen kann, da der Staat sie strategisch einsetzt, Subventionsprogramme finanziert, was Nachwuchs bringt etc.. Neben dieser damals geschaffenen Siedlerbewegung wurden bereits vor der israelischen Staatsgründung paramilitärische Gruppen und Terrororganisationen, wie Hagana, Irgun und Sterngruppe gegründet, die mit Anschlägen, auch gegen Zivilist*innen, Angst und Schrecken unter der palästinensischen Bevölkerung verbreiteten, um die Menschen zu vertreiben und die Staatsgründung zu erzwingen. Die palästinensischen antikolonialen Nationalist*innen gründen Milizen und es kommt zu Aufständen. Die Lage eskaliert. Die zionistische Bewegung setzt sich durch, der Staat Israel entsteht.

Die Staatsgründung Israels 1948 ist also, wie die zahlreicher anderer kapitalistischer Staaten, ein Gewaltakt. Mit dieser Staatsgründung geht die Vertreibung eines großen Teils der palästinensischen Bevölkerung einher, die bis heute in arabischen Staaten – in Jordanien, im Libanon oder in Syrien – ihr Dasein als mehr oder weniger geduldete Minderheit fristen oder in Flüchtlingslagern überleben. Der israelische Staat wird – gegen den Willen eines Teils seiner Bewohner*innen – ein kapitalistischer Staat. Zulauf, der die vertriebenen Palästinenser*innen ersetzt, erhält er von Juden und Jüdinnen, die in zahlreichen arabischen Staaten, angegriffen und vertrieben werden. Der Staat Israel setzt die Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser*innen in der weiteren Geschichte fort. Hinter der gezielten Vertreibung, steht das Interesse der herrschenden Klasse Israels an Land, an Ressourcen – z.B. heute Gas vor Gazas Küste, an Wasser, an den Häusern und anderem Eigentum der Vertriebenen, sowie an der Ausdehnung des eigenen Macht- und Siedlungsbereichs. UNO-Resolutionen gegen das Vorgehen des israelischen Staates gegen die palästinensische Bevölkerung werden durch die US-Regierung und europäische Staaten – darunter die BRD – meist verhindert, oder mit Rückendeckung derselben Staaten, von israelischen Regierungen einfach ignoriert.

Von Anfang an formiert sich in der palästinensischen Gesellschaft gegen all das auch Widerstand. Gegen die eigene Lage und die Unterdrückung durch den israelischen Staat kämpfen Tausende. Über alle Klassenschranken und kulturellen Unterschiede hinweg kämpfen Arbeiter*innen, Bäuer*innen, Kapitalist*innen, säkulare, später auch religiöse Gruppierungen, bürgerliche Parteien, kommunistische und sozialistische Organisationen gegen ihre Vertreibung und Unterdrückung. Es kämpfen die auf israelischem Staatsgebiet Verbliebenen und die Vertriebenen von ihren Aufnahmeländern aus. Aber auch aus den später erkämpften, palästinensischen Autonomiegebieten, aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen heraus organisieren sie Widerstand. Unterstützung erhalten sie dabei immer wieder auch von unterschiedlichen Fraktionen der radikalen Linken Israels. Die Mittel, derer sich die palästinensischen Organisationen in ihrem Kampf bedienen, variieren von Anfang an stark und entsprechen den unterschiedlichen Strategien, Interessen und Zielen der unterschiedlichen Organisationen.

 

Was ist nun aber eigentlich der Gazastreifen?

Der Gazastreifen ist, neben dem heute von der bürgerlichen Al Fatah Partei verwalteten Westjordanland, ein palästinensisches Autonomiegebiet. Der Gazastreifen ist ein schmaler Streifen zwischen Israel, Ägypten und dem Mittelmeer, etwa halb so groß wie Berlin und mit über zwei Millionen Einwohner*innen dicht besiedelt. Während der Staatsgründung Israels wurde der Gazastreifen von der ägyptischen Regierung verwaltet, seine meist palästinensischen Bewohner*innen, blieben jedoch entrechtete Staatenlose. Im 6-Tage-Krieg `67 erobert der israelische Staat den Gazastreifen. Besetzung, Siedlungspolitik und Vertreibung standen nun auch hier auf der Tagesordnung. 2005 löst die israelische Regierung unter Druck des massiven palästinensischen Widerstandes und dem Protest großer Teile der israelischen Bevölkerung die zum Zweck der Landnahme errichteten, israelischen Siedlungen dort auf und siedelt deren Bewohner*innen auf israelisches Staatsgebiet um. Ein Teil engagierte sich auch in der im Westjordanland weiterhin aktiven Siedlerbewegung.

Hamas ist eine islamistische Partei, die auf den Jihad gegen Israel setzt. Hamas ist aus der Moslembruderschaft in Palästina hervorgegangen, die als im Westen abschreckendes Gegengewicht zum säkularem palästinensischem Widerstand und als Spaltungsinstrument – auch mit US-amerikanischer sowie israelischer Unterstützung – aufgebaut wurde. Hamas ist heute neben dem noch extremeren Jihad Islam eine reaktionäre palästinensische Organisation. Hamas gewinnt 2005 die Wahlen im palästinensischen Autonomiegebiet. Die korrupte bürgerliche Al Fatah Partei versucht mit Rückendeckung Israels, der USA und europäischer imperialistischer Staaten, den Regierungsantritt der Hamas zu verhindern. Im Gazastreifen scheitert der gewaltsame Al Fatah-Staatsstreich. Nach gewalttätigen, bewaffneten Auseinandersetzungen, übernimmt die gewählte Hamas die Regierungsgeschäfte im Gazastreifen und hält sich seitdem an der Macht.

 

Der Gazastreifen unter Hamas-Kontrolle

Der Gazastreifen ist – auch unter Hamas-Kontrolle – eine kapitalistische Ordnung, eine Klassengesellschaft. Diese ist jedoch auf Grund der Gegebenheiten nicht in der Lage, sich selbstständig am Leben zu erhalten oder gar zu entwickeln. 200 Lastwagen mit Hilfsgütern sorgten bis zur aktuellen Blockade täglich für das Notwendigste. Zehntausende sind von Lebensmittellieferungen der UNO und anderer Hilfsorganisationen abhängig. Die herrschende Klasse ist dagegen im Besitz der wenigen vorhandenen Betriebe und Produktionsmittel, kontrolliert den Handel wie die Landwirtschaft und zweigt – ebenso wie die korrupten politischen Eliten und die Verwaltung – Teile der Hilfsgüter für ihre Geschäfte ab.

Die israelische Regierung hält die Telekommunikation, sowie die Versorgung des Gazastreifens mit Strom, Treibstoff und Wasser in ihren Händen und bestimmt, was ein- und ausgeführt wird. Durch Abriegelung und Blockade, Lockerung und Verschärfung versucht sie, ihre Interessen – die der israelischen Unternehmen, Banken und Konzerne – im Gazastreifen durchzusetzen und die Palästinenser*innen, die diesen im Weg stehen, langfristig zu vertreiben. Ägypten will den Zuzug weiterer Palästinenser*innen verhindern und hält deshalb seine Grenzen ebenso geschlossen. So ist der Gazastreifen isoliert und seine Bevölkerung unabhängig von ihrer Klassenlage, aber sicherlich in unterschiedlichem Ausmaß, zu einem erbärmlichen Dasein verdammt. Dennoch, leben hier viele Menschen und lassen sich nicht vertreiben. Alte, Junge, Arbeiter*innen, Student*innen, Bäuer*innen, Männer, Frauen und Kinder, es gibt Feste und Partys, Universitäten, Krankenhäuser, Graffiti, Klassenkämpfe und vieles mehr.

Ein großer Teil dieser Menschen lebt jedoch in Armut. Sauberes Wasser haben nur 10% der Einwohner*innen, Strom gibt es hier meist nur einige Stunden am Tag, Urlaub und Reisefreiheit existieren nicht, und Hunderttausende haben den Gazastreifen nie verlassen. Immer wieder bombardierte die israelische Luftwaffe in der Vergangenheit das Gebiet und tötet tausende Zivilist*innen. Viele Bewohner*innen sind traumatisiert, die medizinische Versorgung ist katastrophal und und und!
Aus all diesen Gründen ist es richtig, wenn der meist handzahm im Interesse der imperialistischen Staaten agierende UN Generalsekretär Guterres, nach einer scharfen Verurteilung der von der Hamas verübten Massaker, feststellt:

 

„Der Angriff und die Massaker fanden nicht im luftleeren Raum statt“

Der langandauernde Konflikt hat, wie andere auch, spezifische Ursachen und diese hat – neben der palästinensischen herrschenden Klasse – zu großen Teilen die israelische Regierung durch ihr Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung zu verantworten. Aus den unmenschlichen Verhältnissen im Gazastreifen entwickelt sich Unzufriedenheit, Frustration, Perspektivlosigkeit, aber auch Protest und Widerstand. Sicher, rechtfertigt auch die schreckliche Lage der palästinensischen Mehrheit im Gazastreifen keine Massaker, wie die aktuell von der islamistischen Hamas begangenen. Die Lage im Gazastreifen erklärt jedoch, wie es dazu kommen kann. Sie zeigt, wieso es dort neben legitimen, durchaus auch bewaffneten, Widerstand, immer wieder zu – in erster Linie von Islamisten und anderen bürgerlichen Kräften zu verantwortenden – Massakern unter israelischen Zivilist*innen kommt, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Die palästinensische Befreiungsbewegung ist seit ihren Ursprüngen im Kampf gegen den englischen Kolonialismus und die zionistische Bewegung eine breite, alle Bereiche der palästinensischen Klassengesellschaft umfassende Befreiungsbewegung. Sie ist entstanden und existiert bis heute, weil alle Palästinenser*innen wahrnehmen, dass die eigene herrschende Klasse nur einen bescheidenen Teil der Verantwortung an ihrer Lage hat. Die Palästinenser*innen erfahren, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, was es heißt, brutal unterdrückt, entrechtet und vertrieben zu werden. Diese kollektive Erfahrung schweißt sie immer wieder als „die Palästinenser“ zusammen – im Kampf gegen den israelischen Staat. In dieser Bewegung gibt es folgerichtig jedoch auch große Widersprüche, unterschiedliche Interessen etc.. Unter Befreiung verstehen hier die einen eine sozialistische Gesellschaft, die anderen die Vernichtung Israels und einen bürgerlichen, kapitalistischen, palästinensischen Staat, nach Fasson islamistisch ausgerichtet oder sozialdemokratisch. Wer sich der alltäglich erfahrbaren Unterdrückung entgegenstellt, hat Rückendeckung, wer nachlässt, sich offenbar kaufen lässt, dessen Rückhalt schwindet oder verschwindet. Hegemonial ist, wer in den Augen der Mehrheit mit Kampfkraft und Willen ihre Interessen gegenüber dem israelischen Staat vermeintlich durchsetzen kann. So erklärt sich der Rückhalt von Hamas und anderen Islamisten, der schwindende Rückhalt der korrupten sozialdemokratischen Al Fatah, sowie die relative Schwäche der Revolutionären Linken, die von allen anderen Akteuren, außer der israelischen revolutionären Linken, aufs schärfste bekämpft wird. Die durch gezielte Hinrichtungen ihrer herausragenden Aktivist*innen, durch lange Haftstrafen, und verschiedene andere Maßnahmen geschwächten Organisationen, haben sich zuletzt in verschiedener Hinsicht oft zu uneindeutig positioniert und agiert. Daneben spielen natürlich auch weitere Gründe für die derzeitige palästinensische Machtverteilung eine Rolle, die den eingeschränkten Platzverhältnissen geopfert werden mussten.
Zum anderen folgt der Konflikt jedoch, neben diesen Spezifika, auch den, durch die kapitalistischen Klassengesellschaft hervorgebrachten Gesetzmäßigkeiten, die wir aus anderen Konflikten kennen.

Der israelische Staat ist ein kleinerer kapitalistischer Staat, seine bürgerlichen, politischen Eliten, religiöse wie säkulare, seine Verwaltung und Armee handeln hier wie anderswo im Interesse der hier verorteten herrschenden Klasse, der Besitzer*innen und Großanteilseigner*innen von Unternehmen, Konzernen und Banken. Die politischen Eliten und das israelische Kapital profitieren vom Krieg gegen die Palästinenser*innen auch in anderer Hinsicht. Sie benutzen diesen, um von der – gelinde gesagt – nicht allzu rosigen Lage der lohnarbeitenden Mehrheit in Israel abzulenken, unter ihrer Führung als Nation zusammenzuschweißen, was in der dortigen Klassengesellschaft wie anderswo nicht zusammengehört: die Lohnarbeitenden und die herrschende Klasse.

Abhängig von der Unterstützung und Rückendeckung der großen imperialistischen Staaten – der USA und der europäischen Staaten, die militärische wie finanzielle Unterstützung bieten – vertritt der Staat Israel, wie andere kleine Staaten, neben eigenen Interessen, darüber hinaus auch deren Interessen in der Region, die teils deckungsgleich mit seinen sind. So sichert er sich, die immer wieder notwendige Unterstützung der westlichen imperialistischen Staaten, die auch im aktuellen Krieg als Garantiemacht auftreten.

 

Die imperialistischen westlichen Staaten und der Krieg gegen den Gazastreifen

Sie liefern Waffen, ihr Militär, aktuell u.a. amerikanische Flugzeugträger und in der Region stationierte deutsche KSK-Sondereinheiten und Bundeswehrsoldaten bieten Rückendeckung. Sie rechtfertigen illegale Siedlungen auf palästinensischem Gebiet und die Vertreibung der Palästinenser*innen, sie legitimieren Bombenterror und damit Kriegsverbrechen. Eine besonders aggressive Sonderrolle nimmt hierbei der deutsche Staat und seine bürgerlichen Parteien ein. In der BRD wird die Unterstützung des korrupten Präsidenten Netanjahu, seiner Regierung und des von der UNO-Vollversammlung als Kriegsverbrechen bezeichneten Kriegs zur Staatsräson erklärt. Wer ausschert, wird als Antisemit verleumdet, soll ausgegrenzt und fertig gemacht werden. Das eh immer weiter eingeschränkte Demonstrationsrecht gilt für Gegner*innen des Krieges der israelischen Staatsführung meist nicht mehr. Mit dem widerwärtigen Verbrechen jener Nationalsozialist*innen, die die Vernichtung von sechs Millionen Juden und JüdInnen zu verantworten haben; mit dem Jahrhundertverbrechen jener Nazis, die einst dem deutschen Kapital Raum, Land, Rohstoffe, Ressourcen und billige Arbeitskräfte anderer Länder verschaffen sollten, rechtfertigen die Erben, die Kinder und Enkel der damals herrschenden Klasse, heute in diesem Land, ihre Position an der Seite der israelischen Regierung. Dieselben, die heute von „ importierten Antisemitismus“ schwafeln, wollen weiter das Asylrecht verschärfen, das ein Resultat aus dem deutschen Faschismus war. Wir alle haben etwas gut zu machen, behaupten sie und benutzen damit den Holocaust zur Rechtfertigung eigener Interessen und durch nichts zu rechtfertigender Handlungsweisen. Jede Kritik an dieser Haltung wird als antisemitisch definiert und verleumdet, kommt sie auch von den politischen Nachfahren derjenigen, die im deutschen Faschismus von ihren Vorfahren verfolgt und ermordet wurden – von Sozialist*innen, von Kommunist*innen und anderen Antifaschist*innen.

 

Ein Resümee – Positionen und Forderungen

Allen, die eine Überwindung dieses Konflikts, ein Ende des Kriegs im Nahen Osten wollen, die ein Ende von Massakern, Bombenterror und Kriegsverbrechen wollen, muss klar sein, dass es dieses nur geben kann, wenn die Ursachen dieses Kriegs beseitigt werden.

Wir setzen uns deshalb für ein Ende der Vertreibung und Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch den israelischen Staat ein.
Wir fordern:
– Ein Ende der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung.
– Ein Ende von illegaler Besatzung und Siedlungspolitik, die Entwaffnung der rechtsextremen Siedler*innen sowie ein Ende von Absperrung und Blockade der palästinensischen Gebiete
– Ein Ende der Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung im Staat Israel sowie ein Ende der Diskriminierung der geflüchteten Palästinenser*innen in ihren Aufnahmeländern!
Wir fordern: Waffenstillstand, ein sofortiges Ende der Bombardierung des Gazastreifens und seiner Zivilbevölkerung
– Ein Ende der Bodenoffensive israelischer Truppen und keine Besetzung Gazas
– Schluss mit dem Krieg, jetzt sofort!

In der BRD gilt: Schluss mit der Kriegspolitik und Unterstützung von Bombenterror. Schluss mit Waffenlieferungen, mit sogenannten Auslandseinsätzen und Stellvertreterkriegen. Schluss mit der Hetze bürgerlicher Parteien und Medien gegen Kriegsgegner*innen! Schluss mit anti-arabischem Rassismus! Die antisemitische Leidensgeschichte, die Interessen der israelischen Regierung und Kapitalist*innen und die antisemitischen Massaker erklären, wie es zum Krieg kommt, sie rechtfertigen jedoch weder Bombenterror noch Kriegsverbrechen. Keine Kriminalisierung palästinensischer Demonstrationen, keine weitere Einschränkung des Demonstrationsrechts. Des weiteren fordern wir hier: Schluss mit antisemitischen Angriffen gegen jüdische Arbeiter*innen, Studierende, Jugendliche etc., die in der BRD – unter den Augen des Gesetzes und der der bürgerlichen Regierung – auch heute hauptsächlich von deutschen Faschist*innen und rechten Antisemit*innen verübt werden.

Für uns ist aus den hier natürlich nur verkürzt darstellbaren Gründen klar: wir stehen in diesem Konflikt, im Konflikt zwischen der israelischen Regierung und der palästinensischen Bevölkerung wie anderswo solidarisch an der Seite der ausgebeuteten und unterdrückten Mehrheit. Wir unterstützen in Israel und in den palästinensischen Gebieten jene, die für die Überwindung der Vertreibung und Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung eintreten, Massaker und staatliche Kriegsverbrechen ablehnen und im allgemeinen für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen. Ob die vor Ort für diese Ziele Kämpfenden zu diesem Zweck übergangsweise eine Zwei-Staaten-Lösung anstreben oder einen gemeinsamen Staat, eine gemeinsame Verwaltung, ist nur vor Ort zu klären.

Langfristig ist jedoch in Israel und Palästina sowie anderswo klar, dass es eine Gesellschaft ohne Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung nur jenseits der kapitalistischen Ordnung geben kann, in der das Streben einer Minderheit von Kapitalist*innen nach Profit immer wieder aufs Neue unmenschliche Lebensbedingungen für die Mehrheit schafft und hervorbringen muss.

organisierte autonomie Nürnberg