Verfahren wegen „grob ungehöriger Handlung“ geht Anfang nächsten Jahres weiter! Achtet auf Ankündigungen

Am 10. Dezember fand der erste Prozesstag gegen eine Aktivistin statt. In dem Ordnungswidrigkeitsverfahren geht es unter anderem um den Vorwurf einer „grob ungehörigen Handlung“ während einer schikanösen Polizeikontrolle im Rahmen der Bullenbelagerung letzten Sommer am Jamnitzer Platz. Sie ist eine von Mehreren, die wegen diesem lächerlichen Vorwurf vor Gericht gezerrt werden. Es wurden 2 Polizeibeamte gehört, die unterschiedliche Angaben zum Sachverhalt machten. Der Anwalt stellte die Auslegung der Stadt- und Repressionsbehörden, dass Alkohol laut der städtischen Grünflächenverordnung verboten sein, in Frage. In der Satzung heißt es u.A.: „der Aufenthalt zum Zwecke des Alkoholgenusses“ sei untersagt. Hier wird deutlich, dass nicht jeder Alkoholkonsum verboten ist und somit auch nicht als Grundlage für eine Personenkontrolle herangezogen werden kann.
Der zweite Vorwurf (Personalienverweigerung) konnte entkräftet werden,sehr zum Unmut des Ordnungsamtsvertreters, der die Rolle der Staatsanwaltschaft einnahm. Nach zwei Stunden Zeugenvernehmung bot die Richterin eine Einstellung wegen Geringfügigkeit an. Dieser faule Kompromiss wurde von der Aktivistin nicht angenommen. Der Prozess wird nun Anfang nächsten Jahres weiter verhandelt. Weitere Zeugen werden geladen.
Derzeit werden unter absurdesten Vorwürfen AktivistInnen vor Gericht gestellt, erinnert sei an dieser Stelle exemplarisch an den sogenannten „Papierfliegerprozess“, der ebenfalls im Frühjahr weiter verhandelt wird.
Achtet deshalb weiter auf Ankündigungen, zeigt euch solidarisch und unterstützt die Betroffenen vor Gericht.

Im Folgenden dokumentieren wir die Prozesserklärung der Aktivistin:

Ich wohne jetzt seid fast 5 Jahren in Gostenhof, so lange habe ich bisher noch nie irgendwo gewohnt. Dementsprechend habe ich hier das erste Mal etwas gefunden was ich so noch nicht kannte. Ich kenne die Bäckereiverkäuferinnen mit Namen und Problemen, grüße beim Sparziergehen und einkaufen kopfnickend bekannte Gesichter und habe langjährige Beziehungen zu meinen Nachbarn aufgebaut. Eigentlich verbringe ich auch gerne – so wie an jenem Abend – Zeit mit Freundinnen am Jamnitzer Platz, Schauplatz zahlreicher Schneeballschlachten, Geburtstagsfeiern von groß & klein und vielem mehr. Ich sage eigentlich, weil das entspannte Zusammenkommen oft gestört wird.

An einem der heißesten Tage diesen Sommers zum Beispiel gab es eine Wasserschlacht. Wasserbomben, Spritzpistolen und ein Planschbecken erfreuten Kinder, Alte und Junge gleichermaßen. Stundenlang wurde gelacht, gerannt, geplanscht. Bis plötzlich von allen Seiten des Platzes USK Truppen bedrohlich aufmarschierten. Die fröhliche Stimmung kippte schlagartig. Familien flüchteten vom Platz, Kinder schrien und weinten.
Und wozu das ganze? Ja, das wurde während des gesamten Einsatzes nie so ganz klar. Es schien als wisse die Polizei selbst nicht so genau, was sie da macht. Verschiedene eingesetzte Beamte nannten verschiedene willkürliche Paragraphen als Rechtsgrundlage, mal wurde ein Feierabendbier geahndet, mal nicht. So oder so, das lustige Beisammensein war durch dieses unnötige Auftreten beendet. Und diese Situation steht nur stellvertretend für viele weitere, die so oder so ähnlich vor allem letzten Sommer passiert sind.

Gostenhof hat also auch hässliche Seiten: schikanöse Polizeikontrollen zum Beispiel. Und Hauseigentümerinnen, die Mieter wegen angeblichen Eigenbedarfs raus kündigen, Zugezogene, die sich dann beschweren, dass der „ruhige Erholungspark Jamnitzer“ keiner ist, wie in den Immobilienanzeigen versprochen und ihren Lebensstil anderen aufdrängen wollen. Hässlich ist auch wenn Menschen verdrängt werden, egal ob aus ihrer Wohnung und unserem Viertel wegen steigenden Mieten oder aus dem Öffentlichen Raum aufgrund prekärer Verhältnisse. Grauenhaft wird es hier auch wenn ein schutzsuchender Mensch mit Blendgranaten und SEK Einsatz in ein Kriegsgebiet abgeschoben werden soll oder ein psychotischer Mann von der Polizei getasert und betäubt wird und deshalb stirbt.

Auf solche Entwicklungen können wir in Gostenhof und überhaupt verzichten! Deswegen hinterfragen wir willkürliche Polizeieinsätze, wehren uns gemeinsam gegen steigende Mieten, Verdrängung und Abschiebung unserer Nachbarn. Wir können und wollen uns nicht die immer teureren Preise in den neuen Cafés und Restaurants leisten, deshalb nutzen und gestalten wir unseren öffentlichen Raum auch als diesen und werden das auch weiterhin tun. Das ist das was ich an Gostenhof so mag und schätze: Menschen, die sich den Raum für sozialen und kulturellen Austausch schaffen, Nachbarschaftspicknicks, bunte und lebhafte Straßen, Kneipen, in denen es immer noch Bier für 1,50€ gibt – und den Jamnitzer Platz. Eigentlich.