Aufgestanden und Hingesetzt in Köln
Als Tausende einen Rassistenkongress verhinderten
Vom 19. bis zum 21. September 2008 wollten RassistInnen und NeofaschistInnen aus ganz Europa in Köln einen so genannten „Anti-Islamisierungs-Kongress“ durchführen. Die Kölner Vereinigung „Bürgerbewegung Pro Köln“ hatte großspurig einen Kongress mit über 1000 TeilnehmerInnen angekündigt, auf dem die größten Schreihälse des europäischen Neofaschismus auflaufen und vereint gegen die angebliche Islamisierung Europas wettern sollten. Tatsächlich wurde der „Kongress“ aber wohl eine der größten Blamagen der sich bürgernah gebenden extremen Rechten seit Jahren.
Seit 1996 versucht Pro Köln an den Alltagsrassismus und fremdenfeindliche Ängste anzuknüpfen. In der als sehr offen und tolerant geltenden Rheinmetropole ein schwieriges, aber anscheinend nicht unmögliches Unterfangen: 2004 schaffte es die „Bürgerbewegung Pro Köln“, deren FunktionärInnen und Mitglieder häufig neonazistischen Parteien und Gruppierungen wie etwa der NPD, den „Republikanern“ und der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ entstammen, in Fraktionsstärke mit 4,7% der Wählerstimmen in den Kölner Stadtrat einzuziehen. Zumindest auf dem parlamentarischen Weg ein großer Erfolg, von dem andere neofaschistische Projekte in Westdeutschland nur träumen können. Mit dem Anti-Islamisierungskongress sollte die Zusammenarbeit faschistischer Parteien aus ganz Europa ausgebaut werden. Weiter wollte Pro Köln mit der geplanten Großveranstaltung den Wahlkampf für die NRW-Kommunalwahlen 2009 eröffnen. Mit diesen Zielen hatten sich die RassistInnen von Pro Köln aber offensichtlich übernommen. Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass der geplante „Kongress“ kaum Anziehungskraft auf die europäische NationalistInnen und RassistInnenszene ausübte. Angekündigte Redner, wie der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagten ab. Jean-Marie Le Pen, Vorsitzender des französischen Front National, bezeichnete Pro Köln, die ihn als Redner angekündigt hatten, sogar als Lügner und stritt jeden Kontakt ab. Verantwortlich, für die Absagen machte Pro Köln die Medien, die sie „gezielt schlecht machen“ würden. In der Tat, dürften Strache und Le Pen, falls sie jemals wirklich in Betracht gezogen hatten, nach Köln zu fahren, schon geahnt haben, wie peinlich der „Anti-Islamisierungskongress“ enden würde. In der deutschen Naziszene wollte angesichts der öffentlichen Distanzierungen Pro Kölns gegenüber anderen FaschistInnen auch keine Begeisterung für den Kongress aufkommen. Seit Jahren arbeitet Pro Köln zwar mit örtlichen Nazikadern zusammen und nutzt deren größere Mobilisierungsfähigkeit auf der Straße, behauptet aber in der Öffentlichkeit, nichts mit ihnen zu tun zu haben.
In der Stadt Köln stieß der geplante Kongress im Vorfeld auf breite Ablehnung. Es formierte sich ein breites „Bündnis gegen Pro Köln“ das die Verhinderung des Kongresses durch Straßenblockaden zum Ziel erklärte. Rund 250 politische Gruppen, Vereine und Organisationen, etliche Bands, DJs, Plattenlabels und andere Kulturschaffende aus der ganzen BRD, sowie 60 Kneipen, Clubs und Hotels aus Köln unterstützten den Aufruf des Bündnisses. Für viele linksradikale Gruppen in der BRD war klar, dass die gesellschaftliche Stimmung gegen den von Pro Köln organisierten RassistInnenkongress ein ideales Feld für Massenblockaden darstellte und eine Verhinderung des Kongresses somit möglich war. Es wurde bundesweit mobilisiert und auch aus Nürnberg fuhren zwei Busse nach Köln.
Eine Seefahrt die ist lustig
Bereits der erste Tag ihres „Kongresses“ wurde für Pro Köln zu einer einzigen Blamage. Mit einer Pressekonferenz wollte Pro Köln das Wochenende beginnen. Doch die Räume im Kölner Bezirksrathaus in Nippes blieben den RassistInnen verschlossen, da der Kölner Stadtrat in einer kurzfristig einberufenen Sitzung beschlossen hatte, dass die Räume nur für Fraktionsangelegenheiten zur Verfügung stünden. Auch ein Ausweichen auf andere Räume war nicht möglich, da wohl niemand die unbeliebte „Bürgerbewegung“ beherbergen wollte. Stattdessen hatte Pro Köln ein Rheinschiff angemietet. Bevor die Pro Köln-FunktionärInnen jedoch an Bord gehen konnten, mussten sie jedoch mehrmals von der Polizei vor GegnerInnen beschützt werden. Eine bunte Mischung von mehreren Hundert Kölner BürgerInnen verschiedenster politischer Spektren und autonomen Antifas verfolgte an diesem Tag die rassistische Bagage, die sich so gerne bürgernah geben möchte. Doch auch auf dem Schiff verläuft die Pressekonferenz nicht nach Plan. Kurz vor dem Ablegen gelingt es GegendemonstrantInnen eine der Vorderscheiben des Schiffs einzuwerfen. Der Kapitän des Schiffes ist ohnehin schon wütend. Pro Köln, so behauptet der Kapitän, habe die Pressekonferenz bei der Buchung des Schiffes als Anwaltstagung ausgegeben. Hätte er gewusst, dass es sich dabei in Wahrheit um Pro Köln handelte, hätte er sie nicht an Bord gelassen, so der Kapitän weiter. Aufgrund der eingeschmissenen Scheibe wird das Schiff schnell für nicht mehr seetauglich erklärt und die VertreterInnen der Presse von Polizeischiffen an Land gebracht. Funktionäre und Gäste von Pro-Köln treiben noch einige Stunden auf dem Rhein. Schließlich kann das Schiff, nachdem sich die Polizei endlich erbarmt eine Anlegestelle abzusperren, endlich am Ufer festmachen. Aber auch hier befinden sich GegendemonstrantInnen. Pro Köln und Anhang versuchen, sich Taxen zu rufen, doch die Kölner TaxifahrerInnen wollen diese Fracht nicht transportieren. Schließlich werden die RassistInnen von der Polizei mit Bussen zu einer Gastsstätte gefahren. Nachdem dort allerdings bekannt wird, um welche Art Gäste es sich bei Pro Köln handelt, schmeißt der Wirt die ungebetenen Gäste kurzerhand raus.
Am selben Abend findet in Köln noch eine antifaschistische Demonstration unter dem Motto „Fight the Game! Rassismus, Islamismus, Nationalismus und Kapitalismus bekämpfen!“ statt, an der sich nach unterschiedlichen Quellen etwa 2000-3000 Menschen beteiligen. Während der Demo büßt die Kölner Ausländerbehörde untermalt von Sprechchören gegen Abschiebungen ein paar Scheiben ein. Der Versuch einiger DemonstrantInnen, nach der Demo den Kölner Heumarkt zu besetzen, auf dem sich am nächsten Tag Pro Köln versammeln will, wird von einem riesigen Polizeiaufgebot verhindert.
Massenblockaden und Massenfestnahmen
Am Samstag will Pro Köln die peinliche Vorstellung vom Vortag wieder ausgleichen. Auf dem Heumarkt wird eine Bühne aufgebaut, ein großes Transparent mit der Aufschrift „STOP ISLAM! Städte gegen Islamisierung“ daran angebracht. Doch von den 1000 erwarteten RassistInnen, Neonazis und Nadelstreifen-FaschistInnen ist wenig zu sehen. Gerade mal 100 Menschen hatten sich am Samstag Vormittag zu Beginn der Pro Köln Veranstaltung auf dem Kölner Heumarkt eingefunden, die Hälfte davon JournalistInnen. Kein Wunder: Das „Bündnis gegen Pro Köln“ hatte sämtliche Zugänge zur RassistInnen-Veranstaltung mit Straßenblockaden dicht gemacht. Etwa 200 AnhängerInnen der europäischen FaschistInnen hängen am Kölner Flughafen fest, umgeben von AntifaschistInnen. An den Blockaden tauchen immer mal wieder Pro Köln SympathisantInnen auf, werden jedoch von AntifaschistInnen und Kölner BürgerInnen schnell wieder weggeschickt. Eine kleine Gruppe ganz mutiger Nazis versuchen sich an einer Stelle den Weg durch antifaschistische Blockaden mit Gewalt zu bahnen. Nur die Polizei bewahrt sie vor der schlimmsten Tracht Prügel ihres Lebens.
Gegen Mittag spricht auf der Pro Köln-Bühne Mario Borghezio von der Italienischen Lega Nord. Der bekannte Rassist, der vorbestraft ist, weil er Zelte in denen MigrantInnen schliefen angezündet hatte, kann seine Rede über den „Totalitären Islam“ aber nicht beenden. Er wird von einem geknickten Pro Köln Schatzmeister unterbrochen, der bekannt gibt, dass die Polizei die Kundgebung für verboten erklärt hat. Die Blockaden des „Bündnis gegen Pro Köln“ und die allgemeine Stimmung gegen die rechte Veranstaltung in Köln ließen der Polizei keine andere Wahl, als auf ein Durchknüppeln der Pro Köln Veranstaltung zu verzichten. Während die Pro Köln-AnhängerInnen noch bangten, ob sie heil nach Hause kommen würden, ging die Polizei jedoch dazu über, Hunderte der GegendemonstratInnen grundlos einzukesseln. Über 500 Menschen werden festgenommen, in Käfige gesperrt und teilweise bis zum nächsten Tag festgehalten.
Wahrscheinlich waren diese Massenfestnahmen Teil der Strategie der Polizei, das Verbot der Pro-Köln-Veranstaltung im Nachhinein vor Gericht rechtfertigen zu können. Fakt ist, dass sowohl die Massenblockaden als auch militante Aktionen, aber vor allem die im Vorfeld erzeugte gesellschaftliche Stimmung gegen den RassistInnenkongress zum Verbot führten.
Ob es nach diesem Muster auch möglich ist andere Aufmärsche oder Veranstaltungen von RassistInnen, FaschistInnen und Nazis zu verhindern, bleibt abzuwarten und wird wohl auch von der Stadt in der das versucht wird, abhängen. In Nürnberg hatte das ja gegen einen Naziaufmarsch 2006 schon einmal geklappt. Der größte antifaschistische Erfolg dürfte darin liegen, dass die Strategie von Pro Köln, sich bürgerlich zu geben und jenseits der faschistischen Rechten nach AnhängerInnen zu fischen einen herben Rückschlag erlitten hat. In wie weit es den linksradikalen AkteurInnen darüber hinaus gelungen ist, revolutionäre Inhalte zu verankern, muss vor Ort beurteilt werden.
barricada – Oktober 2008