Am 30.1.2021 findet ab 14.00 Uhr am Jamnitzer Platz in Nürnberg eine Kundgebung statt gegen das #Jamnitzer Skandalurteil, bei dem im Oktober letzten Jahres zwei Genossen wegen Anschreiens der Polizei zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden. Der Berufungsprozess wird am 2.2. und 12.2. vor dem Landgericht Nürnberg stattfinden.
Alle auswärtigen Freundinnen und Freunde, die nicht zur Kundgebung nach Nürnberg kommen können, sind eingeladen, aus ihren Städten am 30.1. Zeichen der Solidarität zu senden.
Urteile wie das zum Jamnitzer sollen uns alle treffen und drohen uns allen in Zukunft.
Am 2.2. und 12.2.2021 wird gegen zwei Nürnberger vor dem Landgericht wegen Widerstands verhandelt. Das bisherige Urteil des Amtsgerichts bedeutet, dass das bloße Anschreien der Polizei – oder demnächst auch Sitzblockaden und Ähnliches – als gemeinschaftlicher Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mit Haftstrafen ohne Bewährung belegt werden kann. Wir haben allen Grund, solidarisch zu sein, denn klar ist: Es trifft erst einzelne, aber gemeint sind wir alle.
Der Staat bereitet sich auf die sich immer schneller zuspitzenden Zustände vor. Durch das Polizeiaufgabengesetz (PAG) wird die Polizei mit etlichen neuen Befugnissen ausgestattet, allerorts wird aufgerüstet und jegliche Form des Widerstandes soll härter geahndet werden können. Dort, wo die Polizei scheitert, die Interessen der Herrschenden durchzusetzen, sollen Exempel statuiert werden können. Denn umso größer die Klassenwidersprüche innerhalb einer Gesellschaft werden, desto härter müssen Strafen ausfallen um ein Aufbegehren der Ausgebeuteten zu unterdrücken. Terrorurteile, wie das jüngst in Nürnberg gefällte, sind die Folge. Denn nichts anderes will dieses Urteil erwirken, als Schrecken zu verbreiten.
Grundlage für dieses Urteil waren die Ereignisse einer Juninacht 2019 auf dem Jamnitzer Platz im Nürnberger Stadtteil Gostenhof. Damals hat sich die Polizei zurückgezogen, nachdem sich ParknutzerInnen gegen eine weitere schikanöse Kontrolle der Polizei solidarisiert hatten.
Der Platz ist ein Zentrum des stark von Gentrifizierung betroffenen Stadtteils und wird von unterschiedlichsten Interessensgruppen genutzt. Sehr zum Unmut einigee der neuen NachbarInnen. Das ist das Drama mit dem Spießertum: Chic und lebendig soll das Szeneviertel sein, ein ausreichendes Restaurant-, Bar- und Bioangebot zur Verfügung stellen. Um 22Uhr sollen die Gehsteige jedoch hochgeklappt werden und sichtbare Armut soll allgemein aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Das neu hinzugezogene Besitzbürgertum fördert nicht nur die Gentrifizierung, mit all ihren negativen Begleiterscheinungen, sondern will auch die Regeln neu gestalten. Das meist friedliche und auf Toleranz basierende Nebeneinander-Existieren am Jamnitzer ist aber zu eingespielt und zu wichtig für das Funktionieren des Stadtteils, als dass es sich die GostenhoferInnen konfliktfrei nehmen lassen würden.
Und hier kommt die Polizei ins Spiel. Mittlerweile werden fast täglich ParknutzerInnen von einer immer aggressiver auftretenden Polizei belästigt. Man wird geschubst, geschlagen, beleidigt und begrabscht – das macht Wut im Bauch. Verwunderlich also nicht, dass die meist friedliche Stimmung am Platz mit dem Eintreffen der Polizei vorüber ist. Verwunderlich ist auch nicht, dass sich die Menschen die Schikanen nicht ewig unwidersprochen gefallen lassen. Schon eher, dass die BeamtInnen vor Ort die Situation an diesem Abend nicht haben eskalieren lassen und ihre Schikane einstellten. Trotz angerückter Verstärkung verzogen sich die BeamtInnen nämlich anschließend aus dem Park.
Scheinbar wollte die Polizei dies jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Es genügt ihr offenbar nicht mehr, Ordnungswidrigkeiten nur zu ahnden. Um die gewünschte Handhabe gegen den gelebten zivilen Ungehorsam zu haben, werden bürgerkriegsähnliche Zustände am Jamnitzer Platz herbei fantasiert und Straftaten konstruiert. Und das – wie so oft, wenn es um Gostenhof geht – mit kräftiger Unterstützung der Lokalzeitung Nürnberger Nachrichten. Diese bauschte, nachdem die ursprüngliche Polizeimeldung zu den Vorfällen im Park noch reichlich unspektakulär klang, das Geschehen maßlos auf. Die Polizei zog daraufhin – offenbar politisch motiviert – nach und stellte die Ereignisse nun ebenfalls so drastisch wie möglich dar.
Um der eigenen Darstellung Gewicht zu verleihen, soll nun an zwei Menschen ein Exempel statuiert werden. Der Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. Es wird sich eine überspitzte Darstellung des Geschehens ausgedacht, ein Schauprozess gehalten und ein Terrorurteil gesprochen. So wird aus einer sich spontan solidarisierenden Menschenmenge, ein „im Gleichschritt marschierenden“ Mob und ein Angeklagter willkürlich zum Rädelsführer stilisiert. Dem anderen, der laut eines Zeugen an jenem Abend nicht einmal vor Ort war und dessen Identifizierung mehr als fragwürdig verlief, wird vorgeworfen, er habe mit einer Holzlatte, an die sich kein Mensch außer einer einzigen Polizistin erinnern kann, eben jener Polizistin gedroht. Selbst in der Anklageschrift ist zu keinem Zeitpunkt von physischer Gewalt die Rede – eher wird die verbale Unmutsbekundung zum Widerstand hochstilisiert.
Ausreichend für den Richter, mit dem Verweis auf das PAG, beide zu 18 bzw. 15 Monaten Haft – jeweils ohne Bewährung – zu verurteilen. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Urteilsforderung betont, es gehe um Prävention und dass am Jamnitzer Platz keine NoGo-Area entstehen dürfe. Deswegen müsse der Rechtsstaat mit voller Härte zurückschlagen. Dabei ist das einzige, das den Jamnitzer Platz zur NoGo-Area machen könnte die massive kontinuierliche Polizeipräsenz! Und der beschworene rechtsfreie Raum scheint sich in Wahrheit eher in Amtsgerichten zu finden!
Während Schauprozesse geführt werden, um das Ego der Polizei aufzupolieren, weigert sich der Staat, den NSU-Komplex aufzulösen. In den staatlichen Gewaltorganen wie Bundeswehr und Polizei offenbart sich ein rechtsmilitantes Netzwerk nach dem Anderen. Auch Gewaltorgien und mafiöse Strukturen in der Polizei werden als Einzelfälle abgetan. Alternative Fakten sind ein bewährtes Mittel der Politik um den Blick der Öffentlichkeit zu verstellen.
Und obwohl ein Skandal in der Polizei den anderen jagt, wird diese durch das PAG mit immer mehr Befugnissen ausgestattet und die Grenzen zwischen Geheimdiensten und Polizei werden verwischt. Zeitgleich werden unsere Rechte beschnitten und schon die kleinsten Widersprüche, wie die Aufforderung an die Polizei, zu verschwinden, werden mit Gefängnis vergolten. Es ist eine offene Vorbereitung des Staates auf sich zuspitzende gesellschaftliche Zustände. ProbantInnen für den verschärften Kampf gegen die eigene Bevölkerung sind vorerst hauptsächlich Randgruppen und politische GegnerInnen. Doch fehlt nicht mehr viel, dass jedes Fußballspiel einer Militärparade gleicht, Jugendliche für die Polizei grundsätzlich als vogelfrei gelten, lange Haftstrafen für Sitzblockaden verhängt werden und Streiks und GewerkschafterInnen kriminalisiert werden.
Die modernen Dokumentations- und Verbreitungsmöglichkeiten haben eine Flut an Berichten über Polizeigewalt und nachfolgende Vertuschungsversuche hervorgebracht. Das Problem der Polizeigewalt selbst ist dabei kein neues, nur die Möglichkeiten der Gesellschaft sich zu wehren haben sich verändert. Die Reaktionen der Politik auf die Lawine an Dokumentationen von Gewaltexzessen der Polizei ist eine offene Rückendeckung des Corpsgeistes in der Polizei. Es wird systematisch gelogen und da, wo die Lügen auffliegen, der Sachverhalt als tragischer Einzelfall abgetan. Frankreich geht noch einen Schritt weiter. Um ihre BeamtInnen vor Strafverfolgung zu schützen, soll nach einem kürzlich vorgestellten Gesetz das Filmen von PolizistInnen unter Strafe gestellt werden. Nur durch konsequenten Widerstand konnte dieses Gesetzesvorhaben vorerst blockiert werden.
Weder die Polzeigewalt, noch die rechtlichen Beschneidungen der Zivilgesellschaft durch die Politik sind tragische Einzelfälle – sie haben System! Es ist unsere gemeinsame Aufgabe diese Entwicklung aufzuhalten. Wie in Frankreich müssen wir zusammenstehen und jeden Schritt in Richtung Polizeistaat in seinen Ansätzen bekämpfen. Denn von den Zuständen betroffen sind wir alle! Zeigt euch solidarisch und kämpft für unser aller Rechte und Freiheit. Nur durch gemeinsamen Kampf konnten wir sie erringen – nur durch gemeinsamen Kampf können wir sie erhalten.
Teilt unsere Social-Media-Berichte und kommt auf die Kundgebung am 30.01.2021 um 14Uhr am Jamnitzer-Platz.