Kundgebung: 12. September ab 15.00, Jamnitzer Platz
Seit einigen Jahren gibt es häufig Auseinandersetzungen rund um den Jamnitzer Platz in Gostenhof. Viele haben den Eindruck, dass Immobilienfirmen, neu hinzugezogenes Besitzbürgertum und die Stadt Nürnberg gerade hier die weitere Gentrifizierung des Viertels mit aller Gewalt durchsetzen wollen – mit Unterstützung der Polizei und der Presse. Wir meinen: Ein Platz ist ein öffentlicher Raum und somit eben – öffentlich. Er muss allen gehören! Es muss möglich bleiben, Plätze ohne Konsumzwang zu nutzen und ohne kontrolliert, schikaniert, bedroht und verdrängt zu werden. Der Jamnitzer ist ein Ort des Zusammenkommens und des sozialen Austauschs und das soll auch so bleiben!
Es ist schon schwierig genug für weniger wohlhabende, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Sollen uns jetzt die letzten Orte, wo das noch möglich ist, genommen werden? Haben arme oder kommerzfeindliche Leute kein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe? Viele haben in dieser Gesellschaft sowieso schon die Arschkarte gezogen, können sich die steigenden Mieten nicht leisten, werden verdrängt. Dass dann Menschen, die aufgrund ihrer sozialen oder finanziellen Situation ohnehin kein leichtes Leben führen, in der Presse als Trinkergilde verunglimpft werden, wenn sie sich am Jamnitzer treffen, ist an Respektlosigkeit und Arroganz kaum zu überbieten.
Jamnitzer: Ohne Polizei kein Stress.
Es kann leicht beobachtet werden, dass die Polizei nach rassistischen Kriterien Menschen kontrolliert und schikaniert – oder eben nicht. Aber Rassismus ist mit Sicherheit nicht das einzige Problem bei der Polizei, das auf Vorurteilen beruht, denn das Profiling erweitert sich auch auf weitere Personengruppen wie mutmaßliche Drogenkonsument_innen, Linke, Wohnungslose, Fußballfans oder einfach feiernde Jugendliche. Wer ins Fadenkreuz gerät, darf sich dauerhafter polizeilicher Aufmerksamkeit erfreuen. In den letzten Wochen wurde es wiederholt dokumentiert: Die Polizei belässt es häufig nicht bei Schikanen und Beleidigungen, sondern sie würgt, tritt und schlägt ihre Opfer. Dass dies auf wenig Gegenliebe stößt, erklärt sich von allein.
Die Geschichte der polizeilichen Übergriffe am Jamnitzer Platz ist lang. Einen ersten Höhepunkt fand sie 2009. Damals veranstalteten uniformierte Gewalttäter_innen nach Auseinandersetzungen am Rande eines Kneipenfestivals eine Hetzjagd auf Menschen, die am Jamnitzer friedlich feierten. Einige wurden mit Knüppeln geschlagen, zu Boden geworfen und mit Sprüchen wie „Jetzt renn, du Drecksau“ oder „Verpisst euch!“ vom Platz gejagt. Die Süddeutsche Zeitung schrieb von einem „brutalen Polizeieinsatz“. Die lokalen Medien jedoch übernehmen, wenn es um Gostenhof geht, meist einfach den Polizeibericht, anstatt journalistisch tätig zu werden.
Wer belästigt wen am Jamnitzer Platz?
Gerade im Sommer ist der Park Treffpunkt für Menschen, die dort reden, trinken, lachen. Natürlich sind die Menschen in einem Stadtteil keine homogene Masse und haben unterschiedliche Interessen. Deshalb ist gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz gefragt. Aber das neu hinzugezogene Besitzbürgertum fördert nicht nur die Gentrifizierung, mit den dazugehörenden negativen Begleiterscheingen für die ärmeren Schichten der Bevölkerung, sondern will auch noch die Regeln neu gestalten. Bei manchen fragt man sich, warum sie ausgerechnet nach Gostenhof gezogen sind. Vielleicht, weil sie sich für cooler hielten als sie in Wirklichkeit sind. Sie erinnern an Leute, die auf´s Land ziehen und dann die Nachbarschaft verklagen, weil der Hahn kräht und der Misthaufen stinkt.
Vermutlich sollte man aber nicht z.B. in die Fürther Gustavstraße ziehen, wenn man sich an Kneipenbetrieb stört. Man sollte auch nicht neben einen Kindergarten ziehen und erwarten, dass die Kinder die Mittagsruhe einhalten. Ebenso sollte man nicht in ein lebendiges Stadtviertel ziehen und bei jeder Äußerung menschlicher Aktivitäten die Polizei rufen. (Spätestens wenn die Polizei kommt, ist es mit der Ruhe sowieso vorbei.)
Das ist das Drama mit den Spießer_innen, das in die so titulierten „Szeneviertel“ zieht. Hip soll es sein, ein ausreichendes Bar-, Restaurant- und Kneipenangebot beinhalten, plus coole Läden und Bioangebot, aber um zehn Uhr sollen die Gehsteige hochgeklappt werden. Aber die unteren Klassen werden sich nicht ohne weiteres die öffentlichen Räume nehmen lassen. Schon allein deshalb, weil sie darauf angewiesen sind, sich ohne Konsumzwang irgendwo treffen zu können. Wozu sind die Parks und Plätze da, wenn nicht zum ungezwungenen Treffen und Austauschen? Dass es bei der Zusammenkunft von Menschen auch mal lauter wird, liegt in der Natur der Sache. Im Vergleich zum städtischen Verkehrslärm ist dies jedoch nahezu nichts. Wer die Lebensäußerungen von Menschen nicht erträgt, sollte in die Wüste ziehen.
Im Sommer 2019 flammten die Konflikte um den Jamnitzer Platz wieder heftig auf. Die zahlreichen Ruhestörungsanzeigen riefen immer wieder eine willfährige Polizei auf den Plan, die schließlich wie eine Besatzungstruppe in Gostenhof agierte. Aber Viele wollen die zunehmenden Polizeiaktionen nicht mehr ohne Weiteres hinnehmen. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit den martialisch auftretenden Polizist_innen. Für die Presse, hier durch die unsäglichen Nürnberger Nachrichten vertreten, ist der Fall klar: Schuld sind die Autonomen. Tatsächlich wenden sich die Autonomen, aber nicht nur sie, gegen die fortschreitende Gentrifizierung des Stadtteils, gegen steigende Mieten, Gängelung durch die Polizei, führen einen Kampf um die Häuser und Plätze und sind somit den Yuppies und den Immobilienfirmen ein Dorn im Auge.
Die Plätze denen, die sie nutzen!
Bei aller Unterschiedlichkeit kommen die Bewohner_innen Gostenhofs traditionell gut miteinander aus – oder auch nur nebeneinander. Anwält_innen oder die Polizei bemühen die Gostenhofer_innen eher selten, um ihre individuellen Interessen gegen die Interessen aller anderen durchzusetzen. Dies bedeutet aber freilich kein Faustrecht, sondern basiert im besten Fall auf Solidarität – mindestens aber auf Toleranz, auf „leben und leben lassen“. Gegen die Verdrängung von unseren Plätzen und aus unserem Stadtteil müssen wir zusammenstehen. Unsere Plätze gehören uns allen. Deshalb der Aufruf an Alle, die den Jamnitzer nutzen und weiterhin nutzen wollen: Lassen wir uns nicht verdrängen!
Um gemeinsam zu zeigen, dass wir uns die Plätze nicht nehmen lassen, rufen wir auf zu einer Kundgebung am 12. September ab 15.00 Uhr auf dem Jamnitzer Platz
Dabei werden wir über die aktuelle Situation informieren und ein Zeichen setzen gegen die zunehmende Gentrifizierung unseres Stadtteils, gegen Polizeigewalt und gegen die Kommerzialisierung unserer Lebensräume.
Bitte haltet dabei die erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen ein.
Für Musik und Kinderangebot ist gesorgt!
Im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz auf dem Jamnitzer Platz steht am 22. September ein weiterer Prozess gegen zwei Menschen an. Der Vorwurf ist allen Ernstes, dass im Juni 2019 Polizeikräfte laut und unfreundlich aufgefordert worden sein sollen, den Jamnitzer Platz zu verlassen und die Parknutzer_innen in Ruhe zu lassen. Dieser Prozess findet statt, während Milliardär_innen der Gesellschaft ungestraft Unsummen stehlen und während der fränkische Zweig des NSU-Netzwerkes weiterhin von der Justiz völlig unbehelligt bleibt. Staatsanwaltschaften haben eben Prioritäten!
Veranstaltet von:
Auf der Suche – Anarchistische Gruppe Nürnberg