Im dritten und finalen Teil der Geschichte des revolutionären ersten Mai in Nürnberg schauen wir auf die Jahre 2001 bis 2019 zurück. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Jahr 2008, in welchem ein (vorläufig) letztes Mal Nazis in Nürnberg eine erste Mai Demo durchführten. Die Jahre danach sind zum Teil nicht mehr erwähnt bzw. wesentlich kürzer gehalten, da sie sich sehr ähnelten, sowohl was TeilnehmerInnenzahl als auch was den Ausdruck betraf. Das wird dieses Jahr wohl kaum so sein. Dieses Jahr wird der revolutionäre 1. Mai in Nürnberg und dem Rest der Welt so sein, wie noch nie. Man darf also gespannt sein. In diesem Sinne: Viel Spaß beim lesen heute und morgen gemeinsam auf die Straße, selbst ein Teil unserer Geschichte werden ;-)
2001 waren die Bullen auf Konfrontationskurs und stressten neben den üblichen Schikanen mit der Durchsuchung des Lautis. Hinter dem Polizeipräsidium griffen dann die USKler den an der Spitze laufenden autonomen Block an, um Transparente zu beschlagnahmen. Man lies sich jedoch nicht lange aufhalten, was auch der Einsatzleitung nicht entging, die daraufhin die Provokation beendete. Im Anschluss feierten 1500 Menschen bei dem Auftritt einer Polit-Ska-Band auf dem internationalistischen Straßenfest.
2002 waren es diesmal nur vierhundert Menschen auf der Demo, da erneut ein Naziaufmarsch in Fürth angemeldet worden war. Nach Vorverlegung des Auftakts taten es die FaschistInnen es einem gleich, trotzdem fuhren viele nach der Demo nach Fürth, wo ein unglaubliches Aufmarschieren der Ordnungsmacht verunmöglichte zu blockieren. Auf dem Straßenfest trafen sich alle zum gemeinsamen Beisammensein. Die Bullen waren durch ihren Erfolg in Fürth etwas vorwitzig geworden und nahmen einige Personen in der Umgebung fest. Daraufhin besetzten circa 300 Personen die Fürther Straße, es flogen einige Gegenstände, doch das USK zog sich dann doch zurück um nicht in eine für sie unkontrollierbare Eskalation zu geraten.
2003 erreichte man mit circa 980 Menschen das erste Mal fast die 1000er Grenze
2004 ebenfalls circa 1000 Menschen. Man ist mittlerweile die zweitgrößte revolutionäre Mai Demo in der BRD (nach Berlin). Die organisierte autonomie und das aus zahlreichen linken und internationalistischen Gruppen bestehende Mai Bündnis bewerten die Demo als vollen Erfolg. Einziges Manko dieses Jahr ist, dass einige Antideutsche Nestbeschmutzer am Rand während einer internationalistischen Rede denken langweilen und Israel Fahnen schwenken zu müssen. Diese gehen nach Aufforderung. Das intern. Fest wartet dieses Jahr mit fünf Bands auf und trotz einiger Provokationen der Polizei bleibt es dieses Jahr ruhig
2005 erneut Naziaufmarsch in Nürnberg. Die rev. 1. Mai Demo läuft zur Rute der Faschisten und zahlreiche Menschen beteiligen sich. Es waren am Schluss wohl 3000 und damit erstmals mehr als die sozialpartnerschaftlich ausgelegte Demo des DGB. Am Schluss angekommen folgten Angriffe der Bullen, erst auf die Demo und dann auf Blockierende. Man wehrt sich und kann eine Blockade mit 500 Menschen halten. Die Nazis werden umgeleitete und können so noch bis zu ihrem Endkundgebungsort gelangen. An diesem Tag legten die Cops mal wieder ein absolut gewalttätiges Verhalten gegen AktivistInnen an den Tag. Nach der Action feierten 2500 Leute auf dem Straßenfest.
2006 nahmen 1400 Menschen an der rev. Demo teil. AnwohnerInnen hängten Transparente, die sich solidarisch mit der Demo und ihren Forderungen erklärten, aus ihren Fenstern und 100 rote und schwarze Luftballons wurden in Gostenhof über der Demo aus den Fenstern geworfen. Weiter wurden Grußbotschaften aus München und der Schweiz verlesen, sowie auf die Proteste gegen den G8 Gipfel 2007 in Heiligendamm mobilisiert.Nach der Demo fand im Stadtteil Gostenhof das internationalistische Straßenfest statt, welches ganz selbstverständlicher Teil der Stadtteilkultur geworden ist, ohne etwas von seinem Flair einzubüßen.
2007 stand erneut ein Naziaufmarsch auf der Tagesordnung. Man zog also diesmal mit beeindruckenden 3000 Leuten los. Nach Abschluss der inzwischen traditionellen revolutionären 1. Mai Demo gingen viele der Teilnehmerinnen weiter zum Annapark in der Südstadt. Dort versammelten sich 150 Witzfiguren, die mit Flaschen und Steinen beworfen wurden. Danach ging‘s für die Faschos im Dauerlauf zum Lorenzer Platz. Die Route wurde weiträumig abgesperrt aber trotzdem begleitete die Nazis lauter Protest. Am Abschluss versammelten sich mehrere tausend GegendemonstrantInnen. Hier wollte unter anderem der Abschiebeminister Beckstein eine Rede halten, was laut Medienberichten mit einem Flaschenwurf quittiert wurde. Die NN zeigten unterdessen eine inzwischen gängige Praxis, sie ignorierten die größte Mai Demo in Nürnberg und ihre Inhalte nahezu komplett und verglich aktive Antifas mit Nazis.
Aus diesem Anlass heraus wurde von der organisierten autonomie (OA) ein Flugblatt erstellt und mit zahlreichen Gruppen in einer Auflage von 30 000 Stück mit herausgegeben. Dieses Flugi wurde dann als Postwurfsendung an Nürnberg Haushalte verteilt.
2008 wagten sich vorerst ein letztes Mal Faschos am 1. Mai nach Nürnberg. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt der Demo auf antifaschistischen Aktivitäten und unter dem Motto „Nazis stoppen! Ausbeutung und Unterdrückung beenden! Kapitalismus abschaffen! Es gibt keine Alternative zur sozialen Revolution” beteiligten sich über 4000 Menschen an der Demo. Die Stadt hatte für den 1. Mai mal wieder einen faschistischen Aufmarsch der NPD genehmigt. Diesmal wollten sie mit allen Mitteln durchsetzen, dass die Nazis ohne Störungen laufen können, im Gegensatz zu den vorherigen Jahren. Treffpunkt für alle AntifaschistInnen, die direkt an die Naziroute gehen wollten, um gegen die Nazis zu protestieren war, aufgrund der konsequenten, über Jahre bewiesenen antifaschistischen Haltung, die revolutionäre 1. Mai-Demonstration. An der Spitze der Demonstration befand sich ein riesiger autonomer Block, an dem sich auch Gruppen aus Süddeutschland beteiligten. Die Demo war insgesamt eine bunte Mischung aus organisierten Linksradikalen, SchülerInnen, GewerkschafterInnen, Erwerbslosen, türkischen Organisationen, Menschen aus dem Sozialforum Nürnberg und vielen anderen.
Am Rande der Demonstration, wo ständig Flugblätter verteilt wurden, kam es immer wieder zu Sympathiebekundungen von AnwohnerInnen und PassantInnen, die sich auch teilweise der Demo anschlossen.
Als sich die Demonstration dem Abschlusskundgebungsplatz in der Nähe der Naziroute näherte, versperrte die Polizei unvermittelt illegal die genehmigte Route. Die DemoteilnehmerInnen ließen sich jedoch nicht einschüchtern und durchbrachen die Polizeiketten.
Als die revolutionäre 1. Mai Demonstration an dem angemeldeten Abschlusskundgebungsort angekommen war machte die Polizei deutlich, dass sie bereit war, unter Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray den Naziaufmarsch durchzuprügeln. Viele DemonstrationsteilnehmerInnen versuchten die Absperrgitter der Polizei zu überwinden und die Route der Nazis zu blockieren. Doch die Polizei-Spezialeinheit USK verhinderte dies durch wildes Prügeln und dem Einsatz von Pfefferspray. Kurz darauf stürmte das USK den vorderen Lautsprecherwagen der Demonstration, auf dem zu diesem Zeitpunkt Verletzte versorgt wurden, schnitt die Kabel der Anlage durch, warf Teile derselben in blinder Zerstörungswut auf den Boden und prügelte auf die Menschen auf dem LKW ein. Mindestens zwei Menschen mussten danach mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Weiter wurden Sanitäter von der Polizei daran gehindert Verletzte zu versorgen.
Solidarisch zeigten sich jedoch einige AnwohnerInnen, die die Demonstranten mit Wasser aus ihren Wohnungen versorgten, auch, um Verletzungen durch Pfefferspray behandeln zu können.
Nach der Stürmung des Lautsprecherwagens wurde die Demonstration für beendet erklärt und die TeilnehmerInnen verteilen sich entlang Naziroute. Dabei wurde AntifaschistInnen der Zugang zur weiter nördlich, ebenfalls an der Naziroute gelegenen Kundgebung des gemäßigt linken Bündnisses „Nürnberger Bündnis gegen den NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2008“ von der Polizei verwehrt. Dieses Bündnis hatte dazu aufgerufen, die Nazis zu blockieren und konnte etwa 500 Menschen mobilisieren..
Im Verlauf des Tages kam es zu mehreren Versuchen, die Naziroute zu blockieren und zwar aus dem gesamten Spektrum der GegendemonstrantInnen. Auf die Naziroute kamen jedoch nur Kleingruppen und wurden dann auch sehr schnell weg geprügelt.
Dennoch gab es an der gesamten Naziroute lautstarken Protest und auch die Hauptkundgebung der NPD, die etwa 1500 Nationalsozialisten heran gekarrt hatte, wurde unter Protest von etwa 4000 GegendemonstrantInnen abgehalten.
Nachdem die Nazis abgezogen waren feierten noch Tausende auf dem internationalistischen Straßenfest in Gostenhof.
Obwohl es aufgrund des unbedingten Willens von Stadt und Staat, Nazipropaganda zu ermöglichen, nicht gelungen war den Naziaufmarsch zu blockieren, war der 1. Mai ein Riesenerfolg für die Nürnberger radikale Linke: In den nächsten Jahren gab es in Nürnberg keine Aufmarschversuche von Nazis am 1. Mai mehr, die TeilnehmerInnenzahl war so groß wie nie zuvor, die Presse konnte die Demo und die antifaschistischen Aktivitäten nicht mehr verschweigen und trotz aller Widrigkeiten und Repression fand nach der ganzen Action das internationalistische Straßenfest statt. Das Verhalten von Stadt und Staat wurde zudem breit kritisiert. Angesichts dessen, dass zum ersten Mal seit 1945 ein nationalsozialistischer Großaufmarsch nahezu unbehelligt durch Nürnberg marschieren konnte, allerdings viel zu wenig.
In den folgenden Jahren zogen es Faschisten vor am 1. Mai Nürnberg und Umgebung fern zu bleiben. Die Teilnehmerzahl pendelte sich bis 2016 bei 2500 ein, während 2016 3000 und 2017 sogar erneut 4000 DemonstrantInnen teilnahmen. 2018 waren es 3000 Menschen, die an der revolutionären 1. Mai Demonstration teil nahmen, aber seht selbst wie das aussah. 2019 hatte dieselbe TeilnehmerInnenzahl. Inhaltlich ging es dieses Jahr nach vorne. Unter dem Motto „Gemeinsam in die revolutionäre Offensive“ lief man durch Nürnberg. Unterwegs solidarisierte man sich mittels eines Hochtransparentes mit der Roten Hilfe und zündete Rauchfackeln. Man stellte sich somit nochmal ganz klar auf die Seite der Solidaritätsorganisation, um welche es zuletzt aufregend wurde, da aus der Politik Verbotsforderungen geäußert wurden. Im Anschluss an die Demo wurde auf dem Straßenfest noch bis in den Abend hinein gefeiert.
Über Jahre erkämpfte man verknotete Seitentransparente. Gerade in den letzten Jahren wurden bestehende Freiräume, die die Bullen durch starke Zurückhaltung ließen, für militante Aktionen wie Farbangriffe auf Bundespolizei und das Maritim, Sprühereien aus dem Block heraus und nicht zuletzt der Angriff auf eine Zeitarbeitsfirma genutzt. Zudem wird die kämpferische Stimmung visuell immer wieder durch Rauchwolken in unterschiedlichsten Farben und durch bengalische Fackeln betont.
In diesem Sinne: Der Kampf geht weiter – für ein revolutionäres 2020 – Heraus zum 1. Mai