Auch in diesem Jahr haben wir uns als organisierte autonomie an der Aktion des 8. März Bündnisses zum Tag gegen Gewalt an Frauen beteiligt. Neben dem 8. März selbst etabliert sich auch dieser Tag mehr und mehr als ein Tag des antipatriarchalen Kampfes in Nürnberg. In diesem Jahr waren es bereits rund 150 TeilnehmerInnen. Die kurze aber sehr kämpferische Demo mitten durch die Einkaufsmeile rundete die informative und kreative Kundgebung ab. Neben dem Frauenverband Courage, der anarchistischen Gruppe Auf der Suche, yeni kadin, den lila-rot-Kollektiven, den sozialistischen Frauenverban SKB, haben auch wir eine Rede gehalten. Der Zusammenhang von patriarchaler Gewalt und der Klassenlage von Frauen wurde in dieser herausgestellt. Auf Nachfrage hängen wir diese auch diesem kleinen Beitrag an.
Frauenkampf heißt Klassenkampf und umgekehrt!
Patriarchale Gewalt trifft alle Frauen – ohne Frage. Doch es gibt Lebensrealitäten von Frauen, die stärker von Gewalt durchzogen sind und Lebenswelten, die noch weniger Auswege kennen. Nein heißt Nein. Doch wie leicht ist es Nein zu sagen, wenn das Nein bedeutet, dass du heute Nacht auf der Straße schlafen musst? Wie schwer muss es sein, Nein zu sagen, wenn ein Nein deine Abschiebung bedeuten kann? Was wenn ein Nein den Verlust deines Jobs nach sich zieht, auf den du so dringend angewiesen bist? Frauen in unsicherer Beschäftigung, in prekären Lebensverhältnissen, Frauen in miesen Rechtssituationen, Frauen in Obdachlosigkeit, Armut und Abhängigkeit – Frauen der lohnabhängigen Klasse: sie alle trifft Gewalt doppelt und dreifach.
Diese Frauen haben nicht die Möglichkeit, bei häuslicher Gewalt erst mal in ein Hotel zu ziehen oder einfach eine möblierte teure Wohnung anzumieten: ihnen bleiben die ohnehin überlasteten Frauenhäuser. Diese Frauen sind oft froh wenn sie einen Job haben, der sie über Wasser hält. Sie sehen für sich oft nur die Option Machtmissbrauch durch Vorgesetzte zu ertragen.
Diese Frauen haben nicht die Möglichkeit, sich mit Kapital und Vermögen in europäische Länder einzukaufen. Ihnen bleibt nur die Willkür der Ausländerbehörden und im Falle einer Heirat das Aushalten von Gewalt in Alternative zur Abschiebung.
Klar, der Täter heißt Mann. Aber der Hauptnutznießer dieses Arrangements ist der Kapitalismus. Weil der Kapitalismus die unbezahlten Arbeiten ganz überwiegend uns Frauen zuordnet und uns ins Private abschiebt, begrenzt er unsere Möglichkeiten als Gleiche in der lohnabhängigen Klasse. Die notwendige Erziehungs-Haushalts-und Pflegearbeiten machen wir umsonst. Wenn wir arbeiten, dann oft in schlecht bezahlten, unsicheren Jobs. Die Folgen: massive ökonomische Abhängigkeit und gesellschaftliche Unsichtbarkeit. Die miese Begleitmusik zu dieser ökonomischen Abwertung ist das dazugehörige Rollenbild: schön, still, verfügbar, nett, brav, empathisch, genügsam. Und das sollen Frauen bitteschön zu Hause und auch in der Arbeit sein. Beides geht einher – es ist nicht voneinander zu trennen: die Folge ist Gewalt.
Aber was tun? Manche fordern höhere Strafen. Was aber nützen diese Strafen wenn die Frau doch keine reale Option hat, aus ihrer beschissenen Lage auszusteigen weil die Alternative noch bedrohlicher ist? Was helfen Gesetze, die Vergewaltigung in der Ehe oder sexuellen Missbrauch am Arbeitsplatz bestrafen, wenn die Alternative Armut und Obdachlosigkeit bedeutet?
Nein, patriarchale Gewalt stellt keine Betriebsstörung im Kapitalismus dar, die einfach durch ein paar Gesetze eingeebnet werden kann. Sie ist so umfassend, so tief in der bürgerlichen Gesellschaft verwurzelt: es sind Gesetze, die uns die reproduktive Selbstbestimmung verweigern , es ist die wirtschaftliche Gewalt des Marktes, der Bank, des Kredithais, des Chefs, des Vermieters. Es ist die staatliche Gewalt der Polizei, der Gerichte uns Gefängniswärter, es ist die transnationale Gewalt von Grenzbeamten, des Migrationsregimes und den imperialistischen Armeen. Die Gewalt einer ganzen patriarchalen Ideologie, die unsere Köpfe kolonisiert, unsere Körper verzehrt und unsere Stimmen zum Schweigen bringen will.
Aber wir werden nicht schweigen. Im Gegenteil: wir werden immer lauter, wir werden immer mehr und wir werden immer entschlossener. Wir wissen: wir können nicht eine Form der Gewalt isoliert beenden. Das Patriarchat und der Kapitalismus – dieses unheilvolle Bündnis, kann nur als eines zerschlagen werden. Heute, am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen nehmen wir uns die Nacht zurück, morgen jedoch schon werden wir uns den öffentlichen Raum, die Stadttviertel und Betriebe zurück nehmen. Wir werden uns gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern die ganze Welt zurück holen und Ausbeutung und Unterdrückung – den Nährboden der Gewalt gegen uns – endlich ein Ende machen. Wir haben viel vor – also fangen wir an!