Zum 31. Mai: Zwei Jahre nach den Ereignissen am Berliner Platz

Zum 31. Mai: Zwei Jahre nach den Ereignissen am Berliner Platz

Vor zwei Jahren, am 31. Mai 2017, sollte Asif N. aus dem Klassenzimmer der Berufsschule, die er besuchte, abgeschoben werden. Seine MitschülerInnen solidarisierten sich sofort und verhinderten die Abfahrt des Polizeiwagens durch eine Sitzblockade. Über zwei Stunden konnte so die Deportation nach Afghanistan verhindert werden. Die Blockade und der Protest gegen die Abschiebung wuchs in den zwei Stunden auf etwa 300 Menschen an. Aufgrund der damaligen politischen Linie der bayerischen Regierung wurde die Abschiebung von der Polizei nicht abgebrochen. Stattdessen wurde Verstärkung geholt, um die Abschiebung mit roher Gewalt durchzusetzen. Mit dem Eintreffen der Erlanger Bereitschaftspolizeieinheit änderte sich das Vorgehen der Polizei. Die Polizei prügelte AktivistInnen mit Schlagstöcken und setzte Pfefferspray ein. Letztlich gelang der Abtransport des Berufsschülers. Bereits vor den Ereignissen am Berliner Platz war ein erneuter Anschlag in der Hauptstadt Afghanistans bekannt. Wir können wohl vermuten, dass vor diesem Hintergrund der eindrucksvolle Protest in Kombination mit der medial präsenten Polizeigewalt dazu führten, dass die für diesen Tag geplante Sammelabschiebung nach Afghanistan durch die Bundesregierung ausgesetzt wurde. Durch dieses Zusammenspiel von Ereignissen war eine Abschiebung in ein Kriegsgebiet nicht mehr zu rechtfertigen.

Während am 31. Mai und kurz danach noch die Polizeigewalt in den Medien dominierte gelang es der bayerischen Staatsregierung in den folgenden Wochen in Teilen der Öffentlichkeit ihre Version der Ereignisse als “die Wahrheit” zu positionieren. Nach Sichtweise der bayerischen Staatsregierung, so die Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Grünen Lanfdtagsabgeordneten Katharina Schulze “versuchten plötzlich mehrere, offenkundig dem linksautonomen Spektrum zuzuordnende Personen, ohne Vorwarnung gewaltsam zum Dienstfahrzeug, in welchem Herr N. saß, vorzudringen.” Diese im Dezember 2017 verfasste Antwort setzte die Linie fort, die der bayerische Innenminister Joachim Herrmann schon kurz nach dem Abschiebeversuch vorgegeben hatte: „Wenn Gewalttäter der linksextremen Szene die Polizei angreifen und damit unseren Rechtsstaat herausfordern, muss die Polizei handeln.“

Dem Versuch der bayerischen Regierung die Solidarität mit Asif N. und den absolut legitimen und gerechtfertigten Widerstand gegen die menschenfeindliche Deportationspolitik als Angriff auf „den Rechtsstaat“ umzudeuten folgte eine umfangreiche Repressionswelle, die bis heute andauert. Die Verfahren gegen PolizistInnen wurden alle eingestellt, wie es die Regel ist. Durch die kontinuierliche Solidaritätsarbeit und Prozessbegleitung des Bündnisses Widerstand Mai31 konnte in zahlreichen Prozessen nachgewiesen werden, dass die gewaltsame Eskalation ausschließlich von der Polizei ausging und diese Gewalt auch bewusst eingesetzt wurde, um von dem Versuch abzulenken, Asif N. in ein anderes Fahrzeug zu bringen, um die Sitzblockade zu umgehen. Dieser taktische „Geniestreich“ der Polizei vor Ort führte zu den Bildern von Polizeigewalt, die erst mal für öffentliche Empörung sorgten und danach aufwändig von der Staatsregierung umgedeutet werden mussten. Weiter erreichte die Solidaritätsarbeit in Kombination mit politischer Prozessführung und -Begleitung, dass die Staatsanwaltschaft sich häufig nicht mit ihren drakonischen Strafforderungen durchsetzen konnte.

Wir nehmen den zweiten Jahrestag der Ereignisse vom 31. Mai 2017 nicht nur zum Anlass, um darauf hinzuweisen dass die Repression gegen die AktivistInnen von diesem Tag weiter anhält, sondern auch um diese Repression in den Kontext der aktuellen Repression gegen widerständige Menschen und Zusammenschlüsse zu stellen.

Kurz nach dem 31. Mai fand in Hamburg vom 7. bis zum 8. Juli 2017 der G20-Gipfel statt. Die Proteste gegen das Treffen der Herrschenden der führenden 20 Nationen wurden von Anfang an schikanös be- und verhindert. Die Großdemonstration am Vorabend des Gipfels wurde vor den Augen der Öffentlichkeit von der Polizei in eine Falle gelockt und mit – für deutsche Verhältnisse – extremer Gewalt angegriffen. Ziel für die Polizei war vor allem der Block linksradikaler Organisationen. Im weiteren Verlauf des Gipfels kam es immer wieder zu nicht selten lebensgefährlicher Gewalt gegen Protestierende. In den Medien schafften es die Polizei und die Regierung jedoch, die Deutungshoheit weitgehend zu behalten. Die Deutung der Herrschenden war und ist, dass die Ereignisse beim G20 belegen, dass es härtere Gesetze braucht und die Gefahr von Links ausgeht.

Es findet kaum ein politischer Prozess in Nürnberg statt, in dem die Staatsanwaltschaft nicht davon schwadroniert „Verhältnisse wie in Hamburg“ in Nürnberg verhindern zu müssen und deshalb völlig überzogene Strafforderungen stellt. Auch wenn sich die Staatsanwaltschaft bisher selten in politischen Prozessen mit ihren Strafforderungen gänzlich durchsetzen konnte, zeigt uns die Repression in nahezu allen Bereichen, dass die Faschisierung des Staates munter voranschreitet. Um die menschenfeindlichen Verhältnisse aufrecht erhalten zu können, wird, mit dem Vorwand den „Rechtsstaat“ verteidigen zu müssen, der Rechtsstaat zunehmend zum autoritären Überwachungs- und Polizeistaat ausgebaut. Diesem Versuch, die staatlichen Befugnisse zugunsten autoritärer Gesellschaftsvorstellungen auszubauen, müssen wir entschlossen unseren Widerstand entgegen setzen und die Repression als Angriff auf uns alle verstehen. Solidarität ist dabei unsere stärkste Waffe.

Erfolgreich wird unser Widerstand aber nur sein, wenn wir dem Staat die Maske eines Hüters des Gemeinwohls herunterreißen und offenlegen dass er der Macht- und Gewaltapparat der Herrschenden ist. Deshalb bringen wir die Repression vom 31. Mai nicht nur in Zusammenhang mit der Repression gegen andere politische fortschrittliche Aktionen und Bewegungen, sondern auch mit der alltäglichen staatlichen und sozialen Repression gegen Lohnabhängige, MieterInnen, SozialhilfeempfängerInnen und Geflüchtete. Der Staat setzt das Recht der Herrschenden, der Ausbeuter, der Kriegsprofiteure und des Kapitals durch. Das ist der „Rechtsstaat“ der verteidigt wird gegen uns.

Unsere Antwort auf diesen Staat ist der solidarische und internationalistische Widerstand von unten. Dieser Widerstand findet meist noch spontan und aus unterschiedlichen Gründen statt. Immer wieder stellen sich Menschen der staatlichen Gewalt entgegen und protestieren auch spontan gegen Polizeieinsätze. So am 19.3.2019 als eine Abschiebung in Gostenhof unter Beteiligung eines Sondereinsatzkommandos inklusive Blendgranateneinsatz durchgeführt wurde. Am Abend kamen nochmal 600 Menschen in Gostenhof zusammen um gegen diese Abschiebepolitik und die damit verbundene Polizeigewalt zu demonstrieren. Ohne spontanen Widerstand gegen die alltägliche, staatliche Gewalt, bleibt diese oft unbemerkt, eine Randnotiz. Damit aus spontanem Widerstand nicht organisierter Widerstand wird, zieht der Staat die Repressionsschrauben an. Das zeigen nicht nur Forderungen nach hohen Strafen allgemein und im Gerichtssaal, sondern auch das akribische Verfolgen von kleineren Vergehen. Bereits Kleinigkeiten führen zu umfangreichen Ermittlungen, Strafverfahren und Verboten. Vor Gericht selbst finden umfangreiche Vorkontrollen und Durchsuchungen statt.

Die gesteigerte Repression wird jedoch die gesellschaftlichen Widersprüche weiter verschärfen und nicht befrieden können. Unser Widerstand gegen staatliche Gewalt ist Teil eines universellen Kampfes für die Rechte aller Menschen und deren Befreiung aus Ausbeutung und Unterdrückung – und damit legitim und notwendig.

Wir werden unsere Abwehrkämpfe gegen die Faschisierung des Staates, unsere Kämpfe um bezahlbaren Wohnraum für alle, unsere Streiks um mehr Lohn und weniger Arbeitsverdichtung, unser Kampf für Bewegungsfreiheit und offene Grenzen, gegen Imperialismus und Krieg, für ein Ende der ökologischen Zerstörung des Planeten, gegen patriarchale Ausbeutung und sexistische Gewalt fortsetzen. Wir werden weiter kämpfen für eine klassenlose Gesellschaft, in der alles allen gehört und nach den Bedürfnissen der Mehrheit produziert und gearbeitet wird.

Nächster Prozesstermin gegen Aktivistinnen vom 31. Mai ist am 5. Juli 2019.

Ein paar Links zu aktuellen Repressionsfällen und Hintergründen:
Verfolgung wegen Flagge zeigens
Papierflieger ans BAMF
Falsch zitiert?
Prozess gegen Antifaschisten

Mehr zum 31. Mai und die Solidaritätsarbeit der Zeitung der Roten Hilfe (Ausgaben 1/2018, 1/2019)

drucken | 30. Mai 2019 | organisierte autonomie (OA) Nürnberg

Terminkalender

Freitag, 08.12.2023

Vortrag Free Palestine! Freitag, 8.12.23, 20 Uhr

Stadtteilladen Schwarze Katze Untere Seitenstr. 1, Nürnberg Freitag, 8.12.23, geöffnet ab 19:30 Uhr Veranstaltungsbeginn 20 Uhr Unsere Referentin hat das letzte Jahr mit ihrer Tochter bei der palästinensischen Seite ihrer Familie in dem Dorf Bilin, einige Kilometer westlich von Ramallah in der besetzten Westbank gelebt. Sie war unter anderem als Begleiterin für Bildungsreisen und Journalistin für die junge Welt und Occupied News tätig. Sie hat in Bethlehem, Tübingen und Birzeit Internationale Literaturen und Nahoststudien studiert und unter anderem am Freedom Theatre Jenin gearbeitet. Organisiert ist sie in der Kommunistischen Organisation (kommunistische.org). Der Vortrag analysiert die Situation in Israel/Palästina als einen fortgesetzten imperialistischen Siedlerkolonialismus. Im Unterschied zum reinen Arbeiterkolonialismus steht dabei nicht die Ausbeutung, sondern die Eliminierung, also Vertreibung oder Vernichtung, der indigenen Bevölkerung im Zentrum. Der Vortrag versucht zu zeigen, dass marxistische Werkzeuge uns auch hier helfen können, die Situation zu analysieren und vor allem die geeigneten Mittel zu finden, um die seit Jahrzehnten andauernde Gewalt und Entrechtung zu beenden.  

 

Freitag, 15.12.2023

Jahresendzeitgala der Antifa-Aktionskneipe '23

Die Jahresendzeitgala wird am Freitag, den 15.12., ab 18:00 Uhr ihre Türen öffnen. Ab 19:00 Uhr startet das Programm im Stadtteilladen Schwarze Katze (untere Seitenstrasse 1, NBG). Tickets könnt ihr euch unter anderem montags im Stadtteilladen Schwarze Katze kaufen. 10 Euro Spendenempfehlung. Auf Insta erfahrt ihr, wenn es die Karten auch wo anders gibt. Es ist wieder soweit… Die jährliche AAK (Anti-) Weihnachtsfeier steht vor der Tür! Es wird neben veganen Essen, Glühwein und dem Jahresrückblick auch ein bombastisches, kulturelles Programm geben. Deko, Kerzen und Kitsch werden euch (natüüüürlich mit ironischster Distanz) in eine vorweihnachtliche Stimmung versetzen. Mehr Infos in Kürze. Aber auch wenn ihr nicht an den Weihnachtsmann oder das Christkind glaubt, bringt viel viel viel Kleingeld mit, da ein nicht unerheblicher Teil unserer politischen Arbeit über diesen - jedes Mal legendären Abend - finanziert wird. Das offene Antifatreffen wird im Dezember daher ausfallen. Trotzdem einer der besten Abende uns kennen zu lernen! Infos über die Antifa-Aktionskneipe
Youtube | Instagram | antifaak161 (äääät) riseup.net
Was macht die Antifa Aktionskneipe?
Beispiele: Mobivideo zum 8.März ’23 / Jahresrückblick 2021 / Satire zur Bundestagswahl / Podcast zum Tag gegen Gewalt an Frauen / Antifa-Stadtrundgang / Aktion gegen AfD Landtagswahlstand / Demo „Keine rechte Hetze in unserem Viertel!“ / Gemeinsamer Treffpunkt für revolutionäre 1.Mai-Demo / Aktion zum TagX NSU-Prozess / Aktion gegen CSU Parteitag / Aktion gegen AfD-Infostand / Fahrt zur Demo: Memmingen sieht rot / Alle Aktionen chronologisch auf der Redside Was ist die Antifa Aktionskneipe: Der rechte Vormarsch in der BRD geht weiter voran. Am offensten zeigt sich diese Entwicklung an den Wahlerfolgen der AfD und Gesetzesverschärfungen, wie die neuen Polizeiaufgabengesetze. Die Bundesregierung schaffte das Asylrecht quasi ab, sperrt Geflüchtete in Lager und schiebt in Kriegsgebiete ab. Parallel dazu werden täglich Menschen von Nazis und RassistInnen angegriffen. Überall formieren sich rechte Bürgerwehren und rechter Terror wird zu einer immer größeren Bedrohung. Deswegen gewinnt antifaschistischer Widerstand gegen diese Zustände an enormer Bedeutung. Wir wollen deutlich zeigen und klar machen, dass wir diese reaktionäre Offensive nicht unbeantwortet lassen. Wir lassen uns nicht durch Rassismus und Sexismus spalten, sondern müssen gemeinsam als unterdrückte Klasse für eine befreite Welt kämpfen. Wir müssen uns entscheiden, ob wir in einer Welt des Faschismus und Unterdrückung leben wollen oder in einer Welt der Solidarität und Gerechtigkeit. Wenn auch du die Schnauze voll hast und aktiv gegen Nazis und FaschistInnen werden willst, dann komm zur Antifa-Aktionskneipe! Jeden dritten Freitag im Monat ab 19:00 Uhr veranstalten wir ein offenes Treffen, mit dem Ziel, uns gemeinsam zu informieren, auszutauschen und aktiv zu werden. Lernen wir uns kennen, schließen wir uns zusammen und machen wir uns gemeinsam stark gegen Rassismus, Faschismus, Patriarchat und Kapitalismus!