Am 07.11. fand in Augsburg vor dem Amtsgericht ein Prozess gegen zwei Geflüchtete statt, die nach den Protesten gegen ihre menschenverachtende Unterbringung im März und dem misslungenen Abschiebeversuch aus dem Abschiebelager Donauwörth im Rahmen eines großangelegten Überfalls durch die Polizei verhaftet wurden. Wir dokumentieren hier den Bericht von Justizwatch..
Trotz aller Repression – unser Kampf geht weiter – bis jedeR kommen, gehen und bleiben kann, wie er/sie will und vor allem bis es keinen Grund für niemanden mehr gibt zu fliehen! Solidarität ist unsere Waffe! Kein mensch ist illegal!
*Urteil des Amtsgerichts Augsburg legitimiert massive Polizeigewalt gegen
Geflüchtete mit „Generalprävention“– Solidarität und Protest wurden erneut
kriminalisiert*
Der Prozess gegen zwei Gambische Geflüchtete aus der EA Donauwörth vor dem
Amtsgericht Augsburg war gestern an nebulöser Beweisführung und
Generalkriminalisierung kaum zu überbieten. Das Gericht entschied, die
Strafbefehle der zwei Gambischen Geflüchteten wegen angeblichem
Landfriedensbruch in der EA Donauwörth in der Nacht zum 14.3.2018 zu
bestätigen und hat sie zu achtzig und neunzig Tagessätzen à 10 Euro
verurteilt. In ihrer Urteilsbegründung bezeichnete die Richterin
Asylsuchende als „Gäste“, die sich dementsprechend zu benehmen hätten. Ihr
Urteil beschrieb sie als notwendige Generalprävention, ein Maßnahme also,
das andere Geflüchtete davon abhalten soll, ihre Rechte zu fordern und die
Solidarität zwischen den Geflüchteten grundsätzlich kriminalisiert. Die
verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäußerung der Bewohner*innen des EA
Donauwörth in der Nacht zum 14.3.2018 stigmatisierte sie in ihren
Kommentaren und Zwischenfragen wiederholt als „Zusammenrottung“.
Den Angeklagten konnte kein konkreter Tatbeitrag nachgewiesen werden. Der
Richterin genügte die bloße Anwesenheit der beiden am Ort des Geschehens
zur Verwirklichung eines Landfriedensbruchs. Selbst die Anwesenheit konnte
durch die Zeug*innenaussagen nicht zweifelsfrei geklärt werden. Die
deutlichen Widersprüche und Lücken in den Aussagen der
Security-Mitarbeiter*innen, der Malteser und der Polizeibeamten wurden vom
Gericht schlicht ignoriert. Stattdessen wurden sie wiederholt zu ihrem
subjektiven Empfinden über eine mögliche Bedrohung durch die Bewohner
gefragt. Im Besonderen wurde der Fragwürdigkeit der Methoden der
Identifizierung, die laut den Anwälten tendenziös und nicht rechtmäßig
waren, vom Gericht nicht weiter nachgegangen. Die Darlegungen der Anwälte
dazu wurden von der Richterin als nicht ausschlaggebend zurückgewiesen.
Das Amtsgericht Augsburg führte das rassistisches Anvisieren von
ausschließlich Gambischen Geflüchteten in der EA Donauwörth, sowie deren
ungerechte und systematische Kriminalisierung durch Polizei und
Staatsanwaltschaft konsequent weiter. Wiederholt drückten die vernommenen
Security-Mitarbeiter*innen ihren Ärger über die Organisierung der Gambier
in der EA Donauwörth aus, die Gleichbehandlung mit anderen Geflüchteten im
Lager gefordert hatten. Damit wird klar, dass die eigentliche ‚Bedrohung‘
die politische Arbeit der gambischen Community-Organisierung in der EA
Donauwörth war.
Eine Auseinandersetzung mit der vorausgegangenen Polizeigewalt gegen die
Geflüchteten in Donauwörth blieb aus. Vielmehr wurde deutlich, dass die
anschließenden Festnahmen, die Untersuchungshaft, aber auch dieses
Gerichtsverfahren allein der Einschüchterung der Geflüchteten und der
Legitimierung des gewaltsamen Vorgehens seitens der Polizei diente.
Alle Zeug*innen bestätigten, entgegen der Anklage, dass die Geflüchteten
nicht die Abschiebung eines gambischen Flüchtlings verhindern wollten. Es
ging ihnen vielmehr darum, ihren Unmut über die unmenschlichen Bedingungen
in der Erstaufnahmeeinrichtung in Donauwörth zum Ausdruck zu bringen;
ferner wollten sie sogar freiwillig das Land verlassen.
Die ausführlichen Einlass- und Identitätskontrollen vor dem Gerichtssaal,
so wie die anfängliche Verweigerung des Einlasses von Geflüchteten, deren
Ausweise von der Ausländerbehörde rechtswidrig als „ungültig“ gestempelt
worden waren, hat den staatlichen Rassismus nochmal deutlich gemacht. Eine
der wichtigen Forderungen der gambischen Community in Donauwörth vor der
Polizeirazzia am 14.3. war, die tagtäglichen rassistischen
Polizeikontrollen von Schwarzen Menschen abzuschaffen und die damit
verbundenen Sprüche der Polizei, dass sie nicht im Land sein dürften. Am
Amtsgericht Augsburg führte der kontrollierende Polizeibeamte diese Praxis
bei der Einlasskontrolle fort: „Den kann man doch dann gleich abschieben!“
Donauwörth ist kein Einzellfall. Ein ähnliches Muster der Kriminalisierung
war u.a. in Ellwangen und Donaueschingen zu beobachten. Auch in dortigen
Prozessen bestätigten die Gerichte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft und
versäumten es, sich kritisch mit den Einsätzen der Polizei
auseinanderzusetzen.
Wir fordern sofortige Einstellung aller Verfahren gegen Geflüchtete aus
Donauwörth und die Beendung der Polizeigewalt und der systemischen
Kriminalisierung.