Seit Ende Dezember 2017 befindet sich der Iran im Aufstand. Auslöser für die Revolte waren Preiserhöhung im Rahmen der Vorstellung eines Haushaltsplanes für 2018, durch die sich die Preise für diverse Grundnahrungsmittel teilweise verdoppelten. Die ökonomische Situation der meisten Menschen im Iran hat sich seit den Unruhen 2009 und dem Sturz Ahmadinejads nahezu nicht verbessert. Konkret bedeutet dies: über die Hälfte der Menschen lebt am Rande der Armutsgrenze, Renten und Löhne werden häufig gar nicht oder nur nach zähen Kämpfen ausbezahlt – und das in einem Land, dessen Rohstoffvorkommen unermessliche Reichtümer garantieren.
Die neoliberale Politik unter Rohani drängt zehntausende an den Rand des Existenzminimums. Im Dezember 2017 schlug die Wut in Widerstand um – und in teilweise militanten Protest. Zunächst richtete sich dieser gegen die ökonomische Situation – um schließlich auf die Regierung Rohani und das ganze iranische Staatssystem zu zielen.
Zuerst begannen in Maschhad im Nordosten des Landes die Menschen auf die Straße zu gehen. In der Provinz Kerm??nsch??h brachen die Proteste auch am repressiven Vorgehen des Staates gegen die Opfer eines Erdbebens aus, das am 12.11. die Region erschütterte: statt Hilfkonvois in die Region zu schicken, entsendete die iranische Regierung Spezialkräfte der Polizei, um Plünderungen vorzubeugen und Aufstände präventiv zu unterdrücken. Im weiteren Verlauf waren bis zu 70 Städte im ganzen Land an Massendemonstrationen beteiligt. Anfangs waren es die ärmsten der armen und sog. Arbeitslose, die sich artikulierten, schnell griff der Protest auf große Teile der arbeitenden Klasse über.
Proteste in Kerm??nsch??h (Stadt) am 29. Dezember 2017 Als Hungerrevolte begonnen, weitete sich der Aufstand mit Forderungen nach Beseitigung des politischen Systems im Iran aus. Am deutlichsten wird dies an Demonstrationsparolen wie:„marg bar jom hurie eslami/ nieder mit der islamischen Republik“ „marg bar jom hurie eshali/ nieder mit der Dünnschissrepublik.???
Eine direkte Folge der Proteste auf geopolitischer Ebene war, dass der Ölpreis im Ausland zum höchsten Stand seit Jahren kam. Das Interesse der imperialistischen europäischen Staaten im Iran ist aber gerade das Gegenteil: Preise stabil halten, den Zugang zu Rohstoffen sichern und den Markt für europäische Produkte öffnen: “Deutschlands Interessen gegenüber Iran bestzehen vornehmlich in der Stabilität am persischen Golf, der nach wie vor zentral für die weltweite Ölzufuhr ist; in einer Befriedung der Konflikte im mittleren Osten, um etwa weitere Fluchtbewegungen nach Europa zu vermeiden; in der Diversifizierung der Ernergielieferungen durch höhere Importe beispielsweise aus Iran, um die große Abhängigkeit gegenüber Russland zu reduzieren; sowie im Export industrieller Güter und dem Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen.??? (“Außenpolitische Forderungen für die nächste Bundesregierung???, Sommer 2017 deutsche Gesellschaft für Außenpolitik DGAP)
Dieses Bedürfnis nach Ruhe und Stabilität zeigt sich in der Reaktion der europäischen, allen voran der deutschen Politik: “[Wir] appelieren an die iranische Regierung, Rechte der Demonstranten zu respektieren, frei und friedlich ihre Stimme zu erheben. Nach Konfrontation der vergangenen Tage umso wichtiger, allseits von gewaltsamen Handlungen Abstand zu nehmen.??? (01.01.2018, Sigmar Gabriel und Auswärtiges Amt via Twitter) Die deutsche Politik versucht in erster Linie mäßigend auf den Konflikt einzuwirken und delegitimiert die teils militanten Proteste ebenso, wie es das brutale Vorgehen des faschistoiden iranischen Staates legitimiert. Die imperialistischen Staaten fürchten, daß der billige Zugang zu den zentralen Resourcen Erdgas und Erdöl durch den Aufstand ins Stocken geraten oder sogar versiegen könnte. Und sie fürchten, daß die Menschen hier die (internationalen) Zusammenhänge von Ausbeutung und Unterdrückung erkennen – und ebenso wie im Iran auf die Straße gehen und den Aufstand beginnen. Dazu sind sie bereit, jede Diktatur zu stützen – auch den Iran, der mit brutaler Gewalt und Repression gegen die Aufstände vorgeht: 21 Tote gab es seit Beginn der Proteste. 3700 Menschen sitzen in den berüchtigten Folterknästen des Landes. Aus dem allgemeinen Befriedungschor brechen derzeit nur die USA verbal wirklich aus, die sich vermeintlich offensiv auf die Seite der Aufständischen stellen. Die Aufständischen aber führen ihren eigenen Kampf und tuen gut daran, sich nicht auf Einmischungsversuche einzulassen und sich nicht vor den Karren imperialistischer Interessen spannen zu lassen.
Der Widerstand im Iran ist nicht vorbei: auch nach dem medial verkündeten Ende gehen Arbeiter in den Ausstand, wie etwa in einer Zuckerfabrik in Haft Tapeh am 07.01. Die größten Gewerkschaften des Landes riefen zu Streiks und weiteren Protesten. Ob der Aufstand vorbei ist mag zurzeit unklar sein, der Ruf der unterdrückten IranerInnen nach Freiheit und Brot geht weiter – und er geht um die ganze Welt!
Freiheit für alle politischen Gefangenen — Hoch die internationale Solidarität