Nachbericht: Solidarität schlägt Repression! Prozess gegen Antifaschisten am 19./20. Dezember 2016

Solidarität schlägt Repression!

flyer_antirep-vorder_finalFreispruch für Antifaschisten in Verfahren um AFD Infostand. Antirepressions Kampagne im Vorfeld sorgte für Öffentlichkeit und verhinderte Entpolitisierung des Verfahrens. Staatsschutzbeamter hielt entlastendes Material zurück. Am 20. Dezember endete nach zwei Prozesstagen das Gerichtsverfahren gegen einen Nürnberger Antifaschisten. Vor Gericht stand ein Genosse der gemeinsam mit anderen im April 2016 eine Aktion gegen einen AFD-Infostand in der Nürnberger Innenstadt durchführen wollte. Bei der Aktion sollte der rassistischen Partei symbolisch die Grenzen, welche sie immer Lautstark fordert, in Form eines Maschendrahtzaunes gezogen werden. Die Polizei verhinderte diese symbolische Aktion, USK Sondereinheiten drängten die Beteiligten mit Gewalt ab und verhaftete 19 Menschen. In dem Verfahren wurde einem Aktivisten vorgeworfen ein AFD Mitglied auf die Hand geschlagen zu haben.

Solidarität im Vorfeld des Prozesses

kundgebungIn den Wochen vor dem Prozess rief das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg (AAB) zur Solidarität mit dem Angeklagten auf. AktivistInnen verteilten in Nürnberg und Fürth über 10.000 Flugblätter an Haushalte in denen über die Hintergründe der Aktion aufgeklärt wurde. Ziel der politischen Arbeit im Vorfeld war es Öffentlichkeit zu dem Prozess herzustellen und eine Entpolitisierung des Verfahrens zu verhindern. Im Zentrum der Kritik stand der Umgang von Polizei, Justiz und Stadt Nürnberg gegenüber der Aufmarschserie von rechten und faschistischen Gruppierungen seit 2015. Die Polizei setzt regelmäßig die Aufmärsche durch, die nürnberger Justiz verurteilt regelmäßig AntifaschistInnen mit teils absurden Vorwürfen und die Stadt rollt regelmäßig rechten Gruppierungen den roten Teppich aus während antifaschistischer Protest gegängelt wird.

Diese Linie der Stadt zeigte sich im Rahmen der Soliarbeit wieder deutlich. Die Route der Solidaritätsdemonstration am Wochendende vor dem Prozess wurde vom Ordnungsamt der Stadt Nürnberg mit fadenscheinigen Argumenten verboten. So wurde für das Verbot der Demonstrationsroute durch die Innenstadt mit dem Christkindlesmarkt begründet, es sei kein Platz in der Innestadt. Dass sich am Tag darauf scheinbar alle Argumente in Luft aufgelöst haben müssen zeigt sich daran dass knapp 3000 Türkische NationalistInnen und FaschistInnen in der Innenstadt für die faschisierung der Türkei demonstrieren durften.

Der Prozess Tag 1 Schikanen und Unklarheiten

Das auch die Nürnberger Justiz sich ihrem Kurs treu geblieben ist offenbarte schon der Beginn des ersten Prozesstags. Jugendrichter Pruy ordnete mit Verweis auf den Aufruf zur Prozessbeobachtung des AAB verschärfte Kontrollen an. So sollte von jedem der dem Prozess beiwohnen wollte der Ausweis kopiert werden sowie zum zweiten mal die Taschen durchsucht und der Körper abgetastet werden. Die ProzessbeobachterInnen werteten dies als Versuch der Einschüchterung und verweigerten sich zunächst der Schikane. Trotz dem Versuch der Abschreckung reichten die Plätze im Gerichtssaal nicht für alle solidarischen BeobachterInnen, die Anfrage nach einem Größeren Saal lehnte der Richter daraufhin ab.

Zu Beginn des Prozesses verlas der Verteidiger eine politische Erklärung des angeklagten Antifaschisten. In der Erklärung verteidigte der Antifaschist seine politische Haltung und betonte das angesichts des Rechtsrucks in ganz Europa die Legitimität und Notwendigkeit antifaschistischen Handelns. Mit Verweis auf die dienstleistungsmentalität für faschistische Gruppierungen in Nürnberg seitens Polizei und Stadt und zudem die Kontakte von Geheimdiensten zum NSU betonte er das im Kampf gegen Faschismus kein Verlass auf den Staat sein kann. Außerdem ließ er verlauten, dass von der bürgerlichen Justiz kein fairer Prozess zu erwarten sei.

Die Beweisaufnahme gestaltete sich für die Staatsanwaltschaft schwierig. Die Zeugen, unter anderem ehemalige Mitglieder der rechten „Bürgerinitiative sichere Heimat“, widersprachen sich selbst mit ihren im April bei der Polizei gemachten Aussagen. Elena Roon, ehemalige Organisatorin der „Sicheren Heimat“ mittlerweile AFD Mitglied, konnte bei der Polizei niemanden identifizieren war aber fast acht Monate später davon überzeugt, dass der angeklagte Antifaschist der Täter sein soll. Ähnlich sicher war sich der erste Zeuge, ebenfalls AFD Mitglied, der bei der Polizei angab von zwei Menschen angegegangen worden zu sein, sich nun aber versicherte das es ein Täter war, nämlich der Angeklagte. Ein weiterer Zeuge hatte die angebliche Tat gar nicht beobachtet und konnte ebenfalls der Anklage nicht weiterhelfen. Der letzte Zeuge, der Einsatzleiter vom USK Sonderkommando welches an diesem Tag die AntifaschistInnen verhaftete, belastete einen anderen Antifaschisten jedoch nicht den Angeklagten. Die Schikanen vor Beginn waren dem Vorsitzenden Richter scheinbar nicht genug: Mitten im Prozess sah er die „Ordnung der Verhandlung“ dadurch bedroht das zwei Prozessbeobachter die Geschehnisse mitprotokollierten. Die Mitschriften ließ der Richter daraufhin abnehmen womit er wohl in Anknüpfung an die Vorkontrollen nochmal unter Beweis stellen wollte was er von einer solidarischen Prozessbeobachtung hält.

Angesichts der Farce einer Beweisführung legte der Verteidiger die Einstellung des Verfahrens nahe. Diesen Vorschlag lehnten die Staatsanwältin sowie der Richter ab mit der Begründung das zwei Zeugen den Angeklagten identifiziert hätten. Also wurde der Prozess vertagt um den ermittelnden Staatsschutzbeamten vorzuladen.

Tag 2 das Verschwundene Video

Am zweiten Prozesstag brachte der USK Einsatzleiter ein Video mit, das bis dato nicht Teil der Ermittlungsakten war. Auf dem Video war die fragliche Situation nicht zu sehen aber der Angeklagte war offensichtlich nicht in der Nähe der angeblichen Tat zu sehen. Außerdem war am zweiten Tag der ermittelnde Beamte des Nürnberger Staatschutzes geladen. Nach der Präsentation des Videos wurde der Staatschützer sowohl vom Richter als auch dem Verteidiger gefragt warum er das Video nicht den Ermittlungsakten beigefügt hatte. Der Kriminalbeamte antwortete darauf lapidar das er das Video kenne aber es als für den Prozess nicht relevant eingestuft hat. Als nächstes folgten die Plädoyers. Die Staatsanwaltschaft sah trotz allem die Schuld des Angeklagten als erwiesen an und forderte eine Gefängnisstrafe von acht Monaten auf drei Jahre Bewährung. Der Verteidiger forderte natürlich Freispruch. Angesichts der „Beweissammlung“ der Polizei und sich selbst widersprechen ZeugInnen sprach der Richter in der Urteilsbegründung von einem „unauflösbaren Widerspruch“ bei der Tätersuche und sah sich gezwungen den Antifaschisten freizusprechen.

 Fazit Solidarität schlägt Repression

dsc00622Die Solidaritätsarbeit zu diesem Prozess hat es geschafft Sand ins Getriebe des Nürnberger Repressionsapparats zu streuen. Durch die Verteilung von über 10.000 Flugblätter in Nürnberg und Fürth ist es gelungen trotz zurzeit geringer Resonanz in den Lokalmedien Öffentlichkeit über die Hintergründe der Repressionswelle gegen AntifaschistInnen herzustellen. So ist es dem Staat nicht gelungen antifaschistischen Widerstand als kriminell darzustellen und so zu entpolitisieren. Auch auf die Versuche der Stadt Nürnberg der Antirepressionsarbeit Steine in den Weg zu legen wurde reagiert. Vorallem die Vorkontrollen im Gericht legten wieder einmal offen das die nürnberger Justitz sich vor solidarischen Prozessbegleitungen fürchtet. Denn die zahlenmäßig große Prozessbeobachtung erschwerte es dem ansonsten gegenüber AntifaschistInnen verurteilungswütigen Jugendrichter seinen Stil „Recht“ zu sprechen durchzuführen. So unterblieben in diesem Prozess ansonsten übliche Erpressungsversuche des Richters bei politischer Distanzierung und Reue ein milderes Urteil zu Sprechen.

Nach diesem Teilerfolg gegen die Repression bleibt weiterhin klar, das Antifaschismus legitim und notwendig ist und kein Kriminalisierungsversuch unbeantwortet bleibt.