Aufruf zur Prozessbegleitung der Angeklagten wegen einer Hausbesetzung
Samstag, 21.01.17, 14:00: Kundgebung vor der Wodanstr. 57
Donnerstag, 9.2.17 , 13:00, Saal 94 (Amtsgericht Nürnberg) – Kundgebung vor dem Gericht um 12:30
Donnerstag, den 23.02.2017 um 10:00 im Saal 94 (Amtsgericht Nürnberg) 2. Prozesstag bringt Freisprüche (Bericht)
Donnerstag, 9.3.17, 13:00, Saal 94 (Amtsgericht Nürnberg) – Kundgebung vor dem Gericht um 12:30 fällt aus
Viele von euch erinnern sich bestimmt noch an den 10. Juni 2016, als in der Nürnberger Südstadt (Wodanstraße 57) ein seit Jahren leerstehendes Haus gemeinschaftlich angeeignet und innerhalb von nur einem Tag mit mehr Leben, Tatkraft und Aktion gefüllt wurde als in den über 15 Jahren seines Leerstandes. Leider waren dem Projekt nur 11 Stunden vergönnt, bevor die Polizei es räumte. Doch was waren das für einprägsame Stunden – voller Aktion, Kreativität, Solidarität und gemeinschaftlicher Selbstermächtigung!
Aufgerufen zu der lange überfälligen Nutzung des Hauses hatte der Zusammenschluss ‚Förderkreis für Lebens(t)räume‘ mit seinem Projekt ‚Wenn nicht hier, wodan(n)?‘. Voller Tatendrang wurden die Räumlichkeiten mithilfe unzähliger Menschen von Schmutz und Schutt befreit und wieder wohnlich gemacht. Nach und nach füllten sich die 40 leeren Zimmer, verteilt auf vier Stockwerke plus Keller und Dachboden, mit Leben. Es entstanden Gemeinschaftsräume, wie ein Café, welches einen eigenen Eingang nach draußen und zwei große Schaufenster hatte, eine Küche, ein Wohnzimmer, eine Werkstatt, ein Materialraum, ein Umsonstladen und eine Bibliothek. Mehr als ein Stockwerk wurde auch als Wohnraum genutzt. Spontan suchten sich Menschen Zimmer aus, reinigten sie und zogen dort ein. Überall war gute Stimmung; Menschen, die einander noch nie begegnet waren, starteten Projekte zusammen, halfen einander und tauschten sie bei Kuchen und Getränken über ihre Ideen aus.
Doch welch enormes Potenzial in dieser Instandsetzung wirklich steckte, zeigte sich abends auf der offenen Hausversammlung: Mehr als 30 Menschen berichteten von ihrem Tag, was passiert sei, was sie gemacht haben und vor allem, was sie noch vorhaben. Genauso beeindruckend und unbeschreiblich war die Resonanz der Nachbar_innenschaft. Die ganze Zeit über kamen neugierige Menschen, die nun auch endlich die Gelegenheit hatten, sich in dem Haus umzuschauen und von ihren Träumen und Ideen bezüglich der Räumlichkeiten zu erzählen. Alle freuten sich darüber, dass dieses Haus endlich wieder genutzt wurde, und viele äußerten auch ihren Unmut darüber, wie ein Gebäude nur so lange bewusst leerstehen kann, und bestärkten die Aktion der kreativen Raumnahme mit Worten, Tatkraft und Sachspenden wie Wasser, Besen, Kerzen oder Sekt zum Anstoßen.
Um 22:00 Uhr kamen dann die Spielverderber_innen der Nürnberger Polizei. Willkürlich notierten sie Namen von Menschen, die sich in der Umgebung des Hauses befanden. Dabei war die Eigentümerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal erreicht worden. Es war somit nicht klar, ob die Räumung rechtlich überhaupt abgesichert war. Doch unabhängig davon, ob das Räumen von Häusern durch aktuelle Gesetze gedeckt ist oder nicht, sollte klar sein, dass jenseits von Schuldfragen diese Aktionsform völlig legitim und notwendig ist. Ein Haus wiederzubeleben, das seit eineinhalb Jahrzehnten leer steht, stellt nur in einer Gesellschaft ein Verbrechen dar, die mehr Wert auf Eigentum und Gewinn legt als auf die Bedürfnisse der Menschen, die gerade einen Platz zum Wohnen, Leben und Ausprobieren brauchen. Wie viele andere Objekte in Nürnberg steht auch dieses Haus aus Spekulationsgründen jahrelange leer. Die Eigentümer_innen solcher Leerstände erhoffen sich davon, in einer wachsenden Stadt mit immer größerem Bedarf nach Wohnraum die Immobilienpreise für eine größere Gewinnspanne in die Höhe zu treiben.
Im Zuge der Repression gegen diese Besetzung wurden auf Geheiß der Eigentümerin und der bayerischen Staatsanwaltschaft insgesamt 11 Personen wegen Hausfriedensbruch angezeigt. Ihnen soll nun in den kommenden Monaten der Prozess gemacht werden. Die scheinbare Beliebigkeit. Welche Betroffenen nun für schuldig erklärt werden sollen, offenbart einen politischen Willen, repressiv gegen Menschen vorzugehen, die sich aktiv mit Fragen des sozialen Wohnens ausienandersetzen.
Dem können wir gemeinsam ein starkes Zeichen von solidarischem Widerstand entgegensetzen. Egal ob Mieter_innen in der Nürnberger Südstadt, Mitte oder Nordstadt, wir alle kennen die Auswirkungen von teurem Wohnraum und der Suche nach bezahlbarem Raum auf unser tägliches Leben. Um dem effektiv entgegenzutreten bringt es nichts, sich hilfesuchend an Politiker_innen zu wenden. Wir alle haben gesehen, dass in 15 Jahren nichts und in 11 Stunden ganz viel passieren kann. Alle Menschen, die sich in dieser Zeit im und um das Haus herum aufgehalten haben, konnten wahrnehmen, welche Schaffensenergie, Gemeinschaft, Vernetzung und Freude in nur so kurzer Zeit, unabhängig von sozialen Hintergründen entstehen kann. Und dies nur betrachtet auf ein einziges Haus! Die vielen Leerstände in Nürnberg eröffnen unzählige Möglichkeiten der Nutzung – als gemeinschaftlicher Wohnraum, selbstverwaltete Unterkunft von Geflüchteten, sozialem Zentrum, Begegnungsraum für ganze Stadtteile… Die einzigen Grenzen sind unsere Kreativität.
Daher lasst uns unsere Leben selbst in die Hand nehmen und erkennen, dass die Eigentumslogik des Kapitalismus längst gescheitert ist. Beginnen können wir im Hier und Jetzt, indem wir unseren Unmut über die gegenwärtigen Zustände nach außen tragen und Betroffene unterstützen. Werdet selbst aktiv, begleitet die Angeklagten bei ihren Prozessen und zeigt euch solidarisch. Voraussichtlich wird es mehrere Verfahren geben und die konkreten Termine dafür stehen noch nicht alle fest. Daher haltet euch auf dem Laufenden unter:
wennnichthierwodann.blogsport.de
Die Häuser denen, die drin wohnen!
Für eine bedürfnisorientierte, basisdemokratische und solidarische Gesellschaft!