Ein Prozess gegen zwei Gostenhofer findet am 14.07.2016 um 13:30 Uhr im Amtsgericht Nürnberg statt. Wir treffen uns bereits um 13:00 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude. Kommt zahlreich und macht deutlich, dass diese Entwicklung weder in Gostenhof, noch anderswo unwidersprochen bleibt.
Gostenhof: Neue Kolonie der Reichen oder unser aller Viertel?
„Sie tun wie Kolonialisten im Afrika des 19. Jahrhunderts.“
Bernd Zachow, Journalist und Gostenhofer Urgestein (Nürnberger Nachrichten vom 28.12.2015 )
Es tut sich leider viel Negatives in Gostenhof: Immense Mietsteigerungen, Verdrängung, Fremdbestimmung in der Gestaltung des Stadtteils, Luxussanierungen, also eine Umgestaltung auf Kosten der Mehrheit der BewohnerInnen. Dies sorgt bei vielen GostenhoferInnen für Wut. Etliche versuchen aber auch, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.
Manchmal sind es kleinere Verschlechterungen und Ärgernisse, die für GostenhoferInnen, die sich um die Entwicklung des Stadtteils sorgen zum Stein des Anstoßes werden.
Für viele nicht nur ein tägliches Ärgernis, sondern auch Symbol für die negative Entwicklung im Viertel: Ein Zaun, mit dem ein Hauseigentümer den Durchgang zwischen Jamnitzer Platz und Unterer Kanalstraße stark verengt hat. Hunderte Menschen passieren jeden Tag diesen Durchgangsweg. Die Hälfte dieses wichtigen Gehwegs liegt nun hinter einem etwa zwei Meter hohen Metallzaun, den ein Hauseigentümer errichtet hat. Zwischen Zaun und Hauswand: Ein sinnloser Meter Privateigentum – sonst nichts. Sein Recht, das Grundstück auch da zu umzäunen, wo es auf dem schmalen Durchgang liegt, war hier jemandem wichtiger als das Gemeinwohl der Nachbarschaft. Von so manchen AnwohnerInnen wird der Hauseigentümer wenig liebevoll nur noch „Zaunkönig“ genannt. Dass dieser Hauseigentümer auch Mieter vor der Umgestaltung seines Grundstückes rausgeworfen hatte und die Mieten für die verbleibenden Mietwohnungen drastisch erhöht hat, passt natürlich ins Bild.
„Der Zaun ist unmöglich“, meint auch Uwe Janza, der Vorsitzende des Bürgervereins Gostenhof. (sz.de vom 29. Juli 2015)“Nicht nur wegen der Höhe, sondern wegen der Lage und der Optik.“ Nun gibt es zwar sicher größere und tiefgreifendere Veränderungen im Stadtteil, doch oft manifestiert sich Unmut an Symbolen wie solchen „unmöglichen“ Zäunen. Wir meinen, dass dieser Unmut ernstgenommen werden muss.
Ein Zaunprozess
Am 10.Juli 2015 hielten mehrere dutzend Menschen am Jamnitzer Platz eine Kundgebung ab – gegen Verdrängung und den Einfluss von InvestorInnen, aber auch gegen den Zaun des Anstoßes und das, was er versinnbildlicht. Dabei provozierte der Zaunbesitzer immer wieder KundgebungsteilnehmerInnen, indem er sie am Rande der Kudgebung und im Durchgang abfotografierte. Trotz seiner fortgesetzten Provokationen behielt die Kundgebung ihren Festcharakter. Nachdem er auch damit anfing, Nahaufnahmen von Kindern zu machen, die sich im Durchgang zum Park befanden, wurde er aufgefordert, die Aufnahmen zu löschen. Statt dies zu tun setzten er und seine Ehefrau darauf, nunmehr empörte Menschen weiter zu provozieren. Schließlich eskalierte die Situation so weit, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen kam. Die Ehefrau des fotografierenden Hausbesitzers gab an, einen Mann ins Gesicht geschlagen zu haben, behauptet allerdings auch, im Nachgang selbst angegangen worden zu sein. Jedenfalls wurden der Zaun und eine Briefkastenanlage beschädigt.
Leider kam es zu den üblichen Vorverurteilungen durch die Polizei und zunächst auch durch einen Teil der Medien, welche einseitig die Darstellung der Polizei und der Hauseigentümer übernahmen. Am 14. Juli soll nun zwei jungen Gostenhofern wegen der Geschehnisse vor einem Jahr der Prozess gemacht werden. Ihnen wird vorgeworfen, an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein. Gegen den Hauseigentümer und seine Ehefrau wurde offenbar gar nicht erst ermittelt.
Wir meinen dazu: Die Provokation und Eskalation geht von jenen aus, die sich „wie Kolonialisten“ verhalten. Von jenen, die wie selbstverständlich auf ihr Recht pochen, die Nachbarschaft mit Zäunen zu beengen, aber ebenso selbstverständlich das Recht am eigenen Bild ignorieren.
„In den 80er Jahren verhielten sich die Zuzügler respektvoll, anders als heute. Die Alteingesessenen waren für sie keine Loser, sondern achtenswerte Leute, Arbeiter oder Opfer des Systems.“
Bernd Zachow (Nürnberger Nachrichten vom 28.12.2015 )
Die Trennlinie verläuft nicht zwischen Alteingesessenen und frisch Hinzugezogenen. Auch nicht zwischen jenen, die sich kaum die Monatsmiete für ihre Wohnung leisten können und denen, die in Gostenhof die Raten für ihr Eigenheim abstottern.
Es gibt aber Trennlinien. Sie verlaufen zwischen jenen, die ein vielfältiges, lebendiges, solidarisches Gostenhof wollen und denen, die sich auf Kosten ihrer NachbarInnen die eigenen ignoranten Selbstverwirklichungtsträume erfüllen wollen. Sie verlaufen auch zwischen jenen, für die Gostenhof Spekulationsobjekt und reine Profitquelle ist und denen, die hier nachbarschaftlich leben und ein Interesse am Erhalt bezahlbaren Wohnraums und an einem Stopp der Verdrängung des ärmeren Teils der GostenhoferInnen haben.
Auch wenn es natürlich schlimmere Ärgernisse im Viertel gibt: Der Zaun widerspricht den Interessen von uns GostenhoferInnen. Wir meinen deshalb weiterhin: Der Zaun muss weg!
Wir bleiben solidarisch! Gemeinsam gegen Ausverkauf, Mietenwahnsinn und Verdrängung! Gemeinsam für ein lebenswertes Gostenhof mit bezahlbarem Wohnraum!
Ein Prozess gegen zwei Gostenhofer findet am 14.07.2016 um 13:30 Uhr im Amtsgericht Nürnberg statt. Wir treffen uns bereits um 13:00 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude. Kommt zahlreich und macht deutlich, dass diese Entwicklung weder in Gostenhof, noch anderswo unwidersprochen bleibt.