Zu den Auseinandersetzungen in Gostenhof..
Wie viele schon wissen, kam es am 10. Juli in der Nähe einer Kundgebung gegen steigende Mieten, Ausverkauf und Verdrängung im Stadtteil Gostenhof zu einer Auseinandersetzung zwischen aufgebrachten AnwohnerInnen, abwandernden KundgebungsteilnehmerInnen und einem Hausbesitzerehepaar.
Ein von den Nürnberger Nachrichten als „Häuslebauer“ betitelter Manager hatte in der Jamnitzerstraße 4 Vorder- und Hinterhaus mit mehreren Mietparteien aufgekauft. Mindestens ein alteingesessener Mieter wurde gekündigt und die Miete für die Neumieter massiv erhöht. Darüber hinaus errichtete er einen Zaun, der den öffentlichen Weg beschneidet und den Durchgang erschwert und installierte eine Kamera. Während der Kundgebung waren sowohl er, als auch ein weiteres Familienmitglied immer wieder zu gegen, selbstverständlich ohne das deren Anwesenheit zu irgendwelchen Übergriffen geführt hätte. Im weiteren Verlauf provozierte er, indem er KundgebungsteilnehmerInnen fotografierte, dies auch nach mehrmaligen Aufforderungen nicht einstellte und Personen unter anderem als „Schwanzlutscher“ beschimpfte. Kinder, die sich über den Zaun lustig machten, wurden von ihm in Diskussionen verwickelt und abfotografiert. Schließlich eskalierte der Konflikt am Zaun im Durchgang zum Jamnitzer Park, abseits der Kundgebung, wobei die Frau des Hausbesitzers eine Person in den Würgegriff nahm. Die körperliche Gewalt ging entgegen ihrer eigenen Darstellung vom Hausbesitzerehepaar selbst aus.
..und dem Aufschrei danach:
SPD, Grüne, Presse, Ordnungsamt, Teile des Bürgervereins und CSU bis hin zu den FaschistInnen der „Jungen Freiheit“ und der Naziorganisation „3. Weg“: Sie alle überboten sich in der Folge mit Spekulationen, übernahmen unhinterfragt die Version des Hausbesitzerehepaars und wiesen den VeranstalterInnen der Kundgebung einstimmig die Schuld für Ereignisse zu, die sich jenseits der angemeldeten Kundgebung ereigneten. Ohne eine Untersuchung angestellt zu haben, ohne auch nur bei den VeranstalterInnen nachgefragt zu haben, ohne Aussagen von AnwohnerInnen zu registrieren, haben sie einen medialen Shit-Storm entfesselt. Die Vorverurteilung wurde so umfassend betrieben, dass potentielle Angeklagte längst nicht mehr mit einer objektiven Aufklärung der Ereignisse rechnen können.
Warum das Ganze?
Torpediert, verhindert oder zumindest behindert werden soll durch diesen Propagandafeldzug, durch die gezielte Verleumdung von aktiven GegnerInnen der Gentrifizierung Gostenhofs, die demokratische politische Diskussion über steigende Mieten, Verdrängung und die Zukunft unseres Stadtteils. Das zeigt sich auch darin, dass selbst Oberbürgermeister Maly, unter dessen Schirmherrschaft kommunales Eigentum gerne Mal an den höchst Bietenden verscherbelt wird, nun offiziell erklärt, dass es Verdrängung und Gentrifizierung in Gostenhof nicht gäbe. Protest sei folgerichtig nicht angebracht. Eine Folge daraus ist, dass das Ordnungsamt Nürnberg aktuell versucht, Versammlungen vor Neubauten in Gostenhof komplett zu untersagen.
Doch wir GostenhoferInnen wissen es besser!
Die Heuchler, die nun über die angeblichen Gewaltakte aufschreien, schweigen tagtäglich, wenn Menschen aus Wohnungen geschmissen werden, Hartz 4 EmpfängerInnen von fast keinem Vermieter mehr akzeptiert werden, RentnerInnen auf Eigenbedarf raus geklagt werden, oder GeringverdienerInnen und Alleinerziehende gezwungen sind, in winzigen Wohnungen zu leben, weil die Quadratmeterpreise beständig steigen. Doch all das ist Realität für immer mehr Menschen in ganz Nürnberg und besonders in Gostenhof.
Das Nürnberger Immobilienportal Immowelt ermittelte für Gostenhof eine Mietpreissteigerung von 33 Prozent in den letzten 5 Jahren. Der durchschnittliche Mietpreis habe sich von 6,40 auf 8,50 Euro pro Quadratmeter erhöht während die Miete in Nürnberg gesamt um rund 25% gestiegen sei.
Was ist das anderes als Gentrifizierung, wenn in der Mittleren Kanalstraße mitten in einem traditionellen ArbeiterInnenviertel Lofts für 4300 € den Quadratmeter verkauft werden!? Die Stadt schweigt nicht nur, sie fördert diesen Prozess aktiv: Statt nicht-profitorientierten Wohnungen entstehen Großprojekte von Firmen, wie der Datev-Campus. Seit Gostenhof als In-Viertel angepriesen wird, werden nur noch Miet- und Eigentumswohnungen für gut Situierte geschaffen und selbst oberflächlich und schlecht renovierte Wohnungen werden immer kostspieliger vermarktet.
Nicht-profitorientierter Wohnungsbau für alle statt Lofts für ein paar Wenige.
Das Geschäft mit unserem Wohnraum dient ausschließlich den Interessen einer kleinen gesellschaftlichen Minderheit, den EigentümerInnen, SpekulantInnen und Immobilienfirmen. Wohnraum wird im Kapitalismus als Ware gehandelt. Diejenigen, die eine Wohnung oder ein Haus zu vermieten oder zu verkaufen haben, versuchen mit dieser Ware möglichst viel Profit zu machen. Sie profitieren davon, während wir gezwungen werden, um Wohnungen zu konkurrieren und immer mehr bezahlen sollen. Das kapitalistische System macht auch beim Wohnen keine Ausnahme. Es geht um den Profit und nicht um das Bedürfnis der Menschen!
Wir sind ja hier nicht in München…?
Oft wird von Seiten der Profiteure und den bürgerlichen Parteien entgegnet, dass die Situation ja nicht so drastisch sei wie in München oder anderen Städten. Aber was ist daraus die Konsequenz? Wollen wir warten, bis es so weit ist wie in München, wo GeringverdienerInnen, RentnerInnen, Arbeitslose und Alleinerziehende und selbst ArbeiterInnen und Angestellte keinen bezahlbaren Wohnraum in Innenstadtnähe finden und in Hochhaussilos am Rand der Stadt leben müssen?
Nein! Es gilt jetzt Protest und Widerstand zu leisten! Dabei lassen wir uns sicherlich nicht von der Stadt, Parteien, Verwaltung oder Immobilienbüros und anderen Profiteuren unserer Lage diktieren, wann und wo wir diesen Protest ausüben.
Alles muss anders werden!
Nach wie vor leben Menschen in verschimmelten Wohnungen, ertragen Ungeziefer und undichte Fenster weil sie sich nichts Besseres leisten können. Gutes Wohnen für alle ist unser Ziel, nicht die Verteidigung des Ist-Zustandes! Wir wollen einen Stadtteil, der von seinen BewohnerInnen selbstbestimmt gestaltet wird und in dem nicht-profitorientierter Wohnungsbau vorangetrieben wird.
Wenn wir uns nicht daran machen, es gemeinsam zu versuchen, wird der begonnene Ausverkauf unseres Stadtteils weitergehen und über unsere Köpfe hinweg entschieden werden, was in Gostenhof geschieht. Die Mieten werden selbst bei schlechter Wohnqualität weiter steigen und immer mehr GostenhoferInnen werden verdrängt werden. Es wird weiter luxussaniert und es werden teure Eigenheime entstehen. Die Gentrifizierung wird weiter voranschreiten, bis es schließlich auch dich erwischt, du dir die neue Mieterhöhung nicht mehr leisten kannst oder einfach gekündigt wirst und nichts Neues im Stadtteil findest. Darum müssen wir, die Mehrheit der GostenhoferInnen, hier und jetzt zusammenstehen.
Werden wir deshalb aktive Mieter und Mieterinnen! Lernen wir unsere NachbarInnen kennen und wehren wir uns gemeinsam. Informieren wir uns und fordern unsere Rechte ein. Beteiligen wir uns an Kundgebungen, Veranstaltungen, Aktionen und Demonstrationen. Ziel ist, dass hier in Zukunft keine Mieterhöhung, kein Verkauf ohne Protest über die Bühne geht, dass die Schikanen von HausbesitzerInnen und Hausverwaltungen nicht mehr unbeantwortet bleiben, dass Mieten wieder sinken, dass keine Luxussanierung läuft und kein Nobelwohnbau mehr gebaut werden kann ohne den massiven Widerstand von uns allen.
Schluss mit Gentrifizierung und Luxussanierung!
Wohnraum für alle – jetzt sofort!