Neonazis mischen weiter in Bayerns Kommunalpolitik mit!

In Mün­chen und Nürn­berg konn­te die NPD- Tarn­lis­te „Bür­ger­initia­ti­ve Aus­län­der­stopp“ (BIA) wie­der in die Stadt­rä­te ein­zie­hen. Karl Rich­ter (Mün­chen) und Ralf Ol­lert (Nürn­berg) sind somit in ihrem Amt be­stä­tigt wor­den. In Nürn­berg war der füh­ren­de Ka­me­rad­schafts­ak­ti­vist und ehe­ma­li­ge BIA- Stadt­rat, Se­bas­ti­an Schmaus, nicht mehr auf der Liste zu fin­den, in­ter­ne Kon­flik­te sind die Ur­sa­che.

Neo­na­zis wie­der in den Rat­häu­sern
In Mün­chen er­lang­te die BIA rund 0,7 Pro­zent der Stim­men, dass sind zwar 0,7 Pro­zent we­ni­ger als bei den Kom­mu­nal­wah­len 2008, wel­che aber trotz­dem für einen Platz im Rat­haus aus­rei­chen. In Mün­chen tra­ten auf den vor­de­ren zwei Plät­zen Karl Rich­ter und Va­nes­sa Be­cker für die ul­tra­rech­te Bür­ger­initia­ti­ve an. Rich­ter ist seit Jahr­zehn­ten in der baye­ri­schen NPD zu Hause, in der er auch den Vor­sitz hat und fun­giert zu­gleich als stell­ver­tre­ten­der Par­tei­vor­sit­zen­der der NPD. Als Rich­ter im Jahr 2008 in das Kom­mu­nal­par­la­ment der baye­ri­schen Lan­des­haupt­stadt ge­wählt wurde, zeig­te er bei sei­ner Ver­ei­di­gung den straf­ba­ren „Hit­ler­gruß“, was ihm eine Geld­stra­fe ein­brach­te. Va­nes­sa Be­cker kan­di­dier­te das erste Mal für einen Sitz im Rat­haus und ist im süd­deutsch­land­weit agie­ren­den Neo­na­zidach­ver­band „Frei­es Netz Süd“ (FNS) aktiv. Be­cker be­wohnt mit zwei wei­te­ren Neo­na­zis das „brau­ne Haus“ im Münch­ner Stadt­teil Ober­men­zing. Diese Im­mo­bi­lie dient als wich­tigs­te Im­mo­bi­lie der ober­baye­ri­schen Neo­na­zi­sze­ne. Dass das Haus al­ler­dings nicht nur als Wohn­raum ge­nutzt wird, zeigt das an­ti­fa­schis­ti­sche a.i.d.a.- Ar­chiv Mün­chen auf. Andre E., der der­zeit im Mün­che­ner NSU- Pro­zess an­ge­klagt wird, war schon zu Gast bei den Ober­men­zin­ger Neo­na­zis. Auch der ver­ur­tei­le Na­zi­rock­mu­si­ker Micha­el „Lu­ni­koff“ Re­ge­ner, ehe­ma­li­ger Front­man der ver­bo­te­nen Na­zi­band „Land­ser“, gab ein Kon­zert in dem Neo­na­zi­treff­punkt.

Ralf Ol­lert, mit­tel­frän­ki­scher Be­zirks­vor­sit­zen­der der NPD, trat wie schon in den Jah­ren 2002 und 2008 als Spit­zen­kan­di­dat für die BIA in Nürn­berg an. Bei den dies­jäh­ri­gen Kom­mu­nal­wah­len er­lang­te die BIA in Nürn­berg rund 3,1% der Stim­men und konn­ten ihre bei­den Stadt­rats­man­da­te mit einem Ver­lust von 0,2 Pro­zent hal­ten. Um Ralf Ol­lert, der in der Par­tei nicht un­um­strit­ten ist, war es in der let­zen Zeit sehr ruhig ge­wor­den. Auch im Kom­mu­nal­wahl­kampf war die BIA Nürn­berg nur durch zu viele Wahl­pla­ka­te auf­ge­fal­len. Auf dem zwei­ten Platz für die BIA Nürn­berg kan­di­dier­te der Nürn­ber­ger Stra­ßen­bahn­fah­rer Frid­rich Luft, wel­cher bis­lang nicht als Neo­na­zi­ak­ti­vist in Er­schei­nung trat. An­ti­fa­schis­ti­sche Grup­pen aus Nürn­berg wer­fen dem Mit­ar­bei­ter der „Ver­kehrs-?Ak­ti­en­ge­sell­schaft Nürn­berg“ (VAG) al­ler­dings vor, ul­tra­rech­te Pro­pa­gan­da ver­brei­tet zu haben. Luft soll als Stra­ßen­bahn­fah­rer gegen Mi­gran­tIn­nen ge­hetzt haben, der Zeuge ist Georg Neu­bau­er, Vor­sit­zen­der der Nürn­ber­ger Orts­grup­pe der Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Na­zi­re­gimes – Bund der An­ti­fa­schis­ten (VVN-?BdA). Luft zieht neben Ol­lert nun für die BIA in das Rat­haus ein.

Kein FNS im Stadt­rat

Dass die ober­baye­ri­schen FNS- Ak­ti­vis­tin Va­nes­sa Be­cker und ihr Mit­be­woh­ner, der Neo­na­zi Da­ni­el Thön­nes­sen (Lis­ten­platz 27) nicht in den Stadt­rat ein­zie­hen konn­ten, liegt an den gro­ßen Ver­lus­ten der BIA Mün­chen. In Nürn­berg saß der füh­ren­de FNS- Ak­ti­vist Se­bas­ti­an Schmaus seit 2008 für die BIA im Stadt­rat. Der Anti- An­ti­fa Ak­ti­vist ist seit 2004 in der baye­ri­schen Neo­na­zi­sze­ne aktiv, tritt als Red­ner, Ord­ner und Fo­to­graf bei rech­ten Auf­mär­schen auf. Seine Tä­tig­keit als Anti- An­ti­fa Fo­to­graf brach­te Schmaus auch eine Geld­stra­fe in Höhe von 2400 Euro ein, er hatte Fotos an­ge­fer­tigt, die spä­ter auf der In­ter­net­sei­te der „Anti- An­ti­fa Nürn­berg“ (AAN) ver­öf­fent­licht wur­den. Auf die­ser In­ter­net­sei­te wur­den über 200 An­ti­fa­schis­tIn­nen, Ge­werk­schaf­te­rIn­nen und Jour­na­lis­tIn­nen teil­wei­se mit Namen, Bild und Wohn­ort dif­fa­miert. Nach den Ver­öf­fent­li­chun­gen kam es zu An­schlä­gen auf Autos, Woh­nun­gen und linke Ein­rich­tun­gen. Im Groß­raum Nürn­berg ent­stand ein Sach­scha­den von über 60.?000 Euro durch neo­na­zis­ti­sche Ge­walt. Die In­ter­net­sei­te muss­te auf­grund an­ti­fa­schis­ti­scher In­ter­ven­ti­on ab­ge­schal­tet wer­den.

Es gibt meh­re­re Er­klä­run­gen dafür, dass Schmaus nicht mehr auf für die BIA an­ge­tre­ten ist. Laut dem BIA- Chef Ol­lert hat Schmaus ihm schrift­lich und ohne An­ga­ben von Grün­den er­klärt, er woll­te nicht mehr kan­di­die­ren. Auf der In­ter­net­sei­te des mi­li­tan­ten „Frei­en Netz Süd“ (FNS) ist zu lesen, der FNS- Kader Schmaus hätte kein In­ter­es­se mehr für ein Man­dat zu kan­di­die­ren, da Ol­lert „par­tei­freie Ak­ti­vis­ten ka­te­go­risch ab­ge­lehnt [hat]“. Beim Kom­mu­nal­wahl­kampf 2008 konn­te die BIA unter Ol­lert noch auf die Un­ter­stüt­zung der heu­ti­gen FNS- Ak­ti­vis­tIn­nen zäh­len, auch füh­ren­de baye­ri­sche Neo­na­zis wie Matt­hi­as Fi­scher (Fürth) waren 2008 als Wahl­kampf­hel­fer für die BIA im Ein­satz.


Mitt­ler­wei­le gehen die NPD- nahen Struk­tu­ren um Ralf Ol­lert und die frän­ki­schen FNS- Ak­ti­vis­tIn­nen um Matt­hi­as Fi­scher und Nor­man Kemp­ken (Nürn­berg) ge­trenn­te Wege. Das „Freie Netz Süd“ grün­de­te sich 2009, nach­dem es einen Rich­tungs­streit in­ner­halb der baye­ri­schen NPD um das Auf­tre­ten der Par­tei gab. Et­li­che Aus­trit­te aus der Par­tei waren die Folge. Die­sen Per­so­nal­man­gel konn­te die NPD/BIA nicht ka­schie­ren, vor allem an Ju­gend­li­chen man­gelt es den Rech­ten. So kam es, dass es die­ses Jahr zu kei­ner­lei öf­fent­lich­keits­wirk­sa­men Ak­tio­nen der BIA kam, die Jun­gen Na­tio­nal­de­mo­kra­ten (JN), die Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on der NPD hat in Bay­ern auch mit zahl­rei­chen Aus­trit­ten zu kämp­fen, wich­ti­ge Ak­teu­re haben sich dem Frei­en Netz Süd an­ge­schlos­sen. Auch in Mün­chen kommt es schon vor der ei­gent­li­chen Wahl zu Strei­te­rei­en in der rech­ten Szene. FNS- Ak­ti­vis­tIn­nen wer­fen Karl Rich­ter „Lügen, Heu­che­lei und Wer­te­lo­sig­keit“ vor. In Fürth ver­such­ten die “Frei­es Netz Süd???- Ak­ti­vis­tIn­nen um Matt­hi­as Fi­scher und Stel­la Ruff mit ihrer Tarn­lis­te “Bür­ger­initia­ti­ve so­zia­les Fürth??? (BiSF) in den Stadt­rat ein­zu­zie­hen. Die Neo­na­zis konn­ten al­ler­dings nicht die dafür nö­ti­gen 386 Un­ter­stüt­zungs­un­ter­schrif­ten sam­meln, da sich an­ti­fa­schis­ti­sche In­itia­ti­ven den Rech­ten kon­se­quent in den WEeg get­sellt hat­ten.

An­ti­fa­schis­ti­scher Wi­der­stand

In Bay­ern or­ga­ni­sier­ten an­ti­fa­schis­ti­sche Grup­pen und In­itia­ti­ven meh­re­re Ak­tio­nen gegen die ul­tra­rech­te „Bür­ger­initia­ti­ve“. In Mün­chen waren bei jedem öf­fent­li­chen Auf­tritt et­li­che Ge­gen­de­mons­tran­tIn­nen vor Ort und stör­ten die Kund­ge­bun­gen der Rech­ten. Einer De­mons­tra­ti­on gegen die Na­zi­im­mo­bi­lie in Ober­men­zing, die auch von der Ak­teu­ren BIA Mün­chen als Treff­punkt ge­nutzt wird, schlos­sen sich über 700 Men­schen an. Auch gegen die rechts­po­pu­lis­ti­sche Kleinst­par­tei „die Frei­heit“ um Micha­el Stür­zen­ber­ger waren Münch­ner Bür­ge­rIn­nen aktiv, die Par­tei ver­pass­te mit 0,6% aber nur knapp den Ein­zug in den Stadt­rat.

Die Ak­ti­vis­tIn­nen der BIA Nürn­berg zogen es vor, mit Haus­ver­tei­lun­gen auf sich Auf­merk­sam zu ma­chen. Das „Bünd­nis Na­zis­topp“ or­ga­ni­sier­te vier In­for­ma­ti­ons­vor­trä­ge über die Rech­ten, wel­che vor allem in den Stadt­tei­len statt­fan­den, bei denen die BIA Nürn­berg viele Wäh­le­rIn­nen ver­zeich­nen konn­te. Auch das „An­ti­fa­schis­ti­sche Ak­ti­ons­bünd­nis Nürn­berg“ (AAB), ein Zu­sam­men­schluss lin­ker und links­ra­di­ka­ler Grup­pen, ver­teil­te meh­re­re tau­send Flug­blät­ter in der auch der Ras­sis­mus der deut­schen Mehr­heits­ge­sell­schaft the­ma­ti­siert wurde. Mehr als zwei­tau­send Nürn­ber­ge­rIn­nen folg­ten dem Auf­ruf der Stadt Nürn­berg, Ge­werk­schaf­ten, Par­tei­en und zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen In­itia­ti­ven und Or­ga­ni­sa­tio­nen, und kamen zur Fo­to­ak­ti­on am 8.2. zur Stra­ße der Men­schen­rech­te. Das auf­ge­nom­me­ne Foto wurde als Pla­kat an meh­re­ren Stel­len in Nürn­berg pla­ka­tiert. Dar­auf war zu lesen: „Wir ste­hen ein für Men­schen­rech­te! Sie auch? Wäh­len gehen! Nazis keine Stim­me geben!“.

Quel­le: ZEIT- On­line (Stö­rungs­mel­der)