Schikanöse Polizeikontrollen vor linken Demos: In Nürnberg hat eine Initiative zum diesjährigen revolutionären 1. Mai versucht, dieser gängigen Praxis ein offensives Konzept entgegenzustellen – mit einigem Erfolg.
Linke Kundgebungen und Demonstrationen werden oft massiv abgeschirmt durch riesige Polizeiaufgebote und Absperrungen, an denen alle kontrolliert werden, die sich dem Versammlungsort nähern. Das Ziel hierbei ist, neben der Suche nach verbotenen Gegenständen, die Einschüchterung der TeilnehmerInnen. Außerdem soll Kundgebungen so nach außen ein abschreckender Ausdruck zu verliehen werden.
Die Rechtsprechung ist eindeutig: Pauschale Vorkontrollen stellen einen unerlaubten Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Ohne konkreten und begründeten Verdacht in jedem Einzelfall haben die BeamtInnen DemonstrationsteilnehmerInnen nicht zu kontrollieren. Doch die Polizei setzt weiterhin auf schikanöses und provozierendes Auftreten vor linken Demos.
In Nürnberg waren unter anderem die traditionellen revolutionären 1. Mai Demonstrationen Ziel dieser polizeilichen Strategie. Die Repression vor der Demo hatte in den letzten Jahren beständig zugenommen. Zuletzt wurden nicht nur nahezu alle TeilnehmerInnen kontrolliert und teils durchsucht, bei vielen wurden zudem die Personalien aufgenommen und sogar private Schriftstücke von PolizistInnen durchgelesen. Während die Einsatzleitung jeweils behauptete, es fänden nur in einzelnen Verdachtsfällen Kontrollen statt, gaben manche BeamtInnen zu: „Hier wird jeder kontrolliert„. Auf Nachfragen nach dem Grund der Maßnahme gab es allenfalls flapsige Bemerkungen. Leider begannen auch einige Menschen mit wenig Demoerfahrung, sich anzustellen, um kontrolliert zu werden. Sie nahmen die illegalen Kontrollen als Normalität an.
2012 wurde nun versucht, das Problem offensiv anzugehen. In Absprache mit den VeranstalterInnen vom Nürnberger revolutionären 1. Mai Bündnis bildeten sich BeobachterInnenteams, die bei den üblichen Kontrollpunkten das Verhalten der Polizei beobachteten und dokumentierten. Begleitet wurden sie von PressevertreterInnen und OrdnerInnen. Vor den Kontrollstellen wurden von weiteren Teams Flugblätter verteilt, in denen über das Deminstrationsrecht aufgeklärt wurde und darüber, inwieweit die Polizei vor Versammlungen kontrollieren darf. Die DemoteilnehmerInnen erhielten Verhaltenstipps für den Fall, dass sie kontrolliert werden und wurden gebeten, sich nicht unwidersprochen den Kontrollen zu fügen: „Wir wollen demonstrieren, ohne polizeilich erfasst zu werden. Wir stellen uns daher nicht an polizeiliche Kontrollstellen an, um uns durchsuchen zu lassen. Wir werden uns nicht unwidersprochen dem Kontrollzwang unterwerfen. Unser Ziel ist die Auftaktkundgebung, nicht die Polizeikontrolle.“
Die Flugblätter als PDF findet ihr hier.
Die Nürnberger autonome Zeitung „barricada“ beschrieb den, für einen ersten Versuch recht guten, Erfolg der Dokuteams und der Flugblattverteilung so:
„Das Konzept ging auf. Menschen sammelten sich in größeren Gruppen, um gemeinsam durch die Kontrollketten zu gehen. So wurden nur einige wenige aufgehalten. Das illegale Verhalten, das die Beamten bei diesen wenigen Gelegenheiten natürlich teilweise wieder an den Tag legten, konnte dokumentiert werden. Nachdem die Teams abgezogen waren, da die Demo sich langsam aufstellte, ging die Polizei größtenteils wieder zu ihrem aus den vergangenen Jahren bekannten Verhalten über. Trotzdem: Noch nie waren so viele Menschen unkontrolliert zum Maiauftakt gelangt. Wir hoffen, dass dieses Konzept weiter verfolgt und ausgebaut wird.“
Dem schliessen wir uns an. Wir hoffen außerdem, dass Menschen in Städten, die ähnliche Probleme mit massiven poizeilichen Vorkontrollen haben, sich ebenfalls Maßnahmen überlegen, mit denen dieser repressiven Schikane entgegengewirkt werden kann.
Das Video zum Konzept gegen Vorkontrollen findet ihr hier:
http://www.youtube.com/watch?v=oPY8YpyI8Gg
Legal Team Nürnberg, Oktober 2012
Erstveröffentlichung: linksunten.indymedia.org