Sozial gerechte Stadtentwicklung statt Mieterhöhungen, kommerzielle Stadtumstrukturierung, Aufwertung und Innenstadtvertreibung!
Überall in Fürth ist das gleiche Bild zu sehen: Unzählige Gebäude sind von Gerüsten umgeben, Baukräne sind an allen Ecken zu sehen und neue moderne Wohnungen und Luxuslofts schießen aus dem Boden. Diese Maßnahmen haben die langfristige Aufwertung bestimmter Stadtteile zum Ziel. Folge dieser sind nicht nur steigende Mieten, sondern auch die Vertreibung von Menschen aus ihren Wohnungen. Sie müssen umziehen und ehemals günstige Stadtteile werden meist komplett umstrukturiert.
Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe fragen wir uns nicht nur wem die Stadt eigentlich „gehört“, sondern diskutieren auch über Fürth, als „soziale“ Stadt und die seit einigen Jahren aktiven „Recht auf Stadt“-?Bewegungen.
Veranstaltungen im Dezember 2011:
Recht auf Stadt?!
07.?12.?2011 | 19:00 Uhr | Infoladen Benario
Warum ist es wichtig in Fürth über die Recht auf Stadt Bewegung zu informieren? Auch hier findet profitorientierte Stadtentwicklung statt, die wenig mit den Bedürfnissen der FürtherInnen zu tun hat. In einer kurzen Einleitung wollen wir die Situation hier in Fürth etwas genau betrachten. Im Anschluss werden zwei AktivistInnen von Recht auf Stadt Hamburg über die Gründung der Initiative berichten. Dabei erläutern sie den Aufbau und die einzelnen Initiativen, werden aber auch theoretisch auf das Konzept von Recht auf Stadt eingehen. Grundlegend sollen der Widerstand gegen neoliberale Stadtumstrukturierung und die möglichen Erfolge dargestellt werden.
Mieterhöhungen und was man dagegen tun kann.
09.?12.?2011 | 19:00 Uhr | Infoladen Benario
Wolfgang Winkler ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Erlanger Mieterinnen-? und Mieterverein e.V.. Er wird über das Thema Mieterhöhungen referieren und in dem Vortrag auf die Gründe eingehen, die zur Steigerung des Mietpreises führen. Außerdem werden rechtliche Aspekte erklärt: Wie hoch dürfen Mieterhöhungen ausfallen, welchen Schutz hat man als MieterIn vor diesen und welche Rechte hat man gegenüber dem/der VermieterIn?
Spielfilm
14.?12.?2011 | 19:30 Uhr | Infoladen Benario
Der Besitzer eines alten Mietshauses in einem Vorort der kolumbianischen Hauptstadt Bogota will das Haus räumen und dessen BewohnerInnen auf die Straße setzen lassen. Doch in der „Casa Uribe“ lebt eine zusammengewürfelte Menschenschar, die gemeinsam einen genialen Plan entwickeln, um die noch verbliebene Zeit bis zum angedrohten Rauswurf zu nutzen.
(Kolumbien 1993, 115 Minuten)
Podiumsveranstaltung: Soziales Fürth?
15.?12.?2011 | 19:30 Uhr | BIKO im Gewerkschaftshaus, Königswarter Str. 16, Fürth
Von der Mietpauschale für Hartz-?IV EmpfängerInnen, über kostenpflichtige Bildung, bis zu viel zu teuren Fahrpreisen für Bus und Bahn – das alles sind alltägliche Probleme finaziell benachteiligter Menschen in der Stadt.
Bei der Podiumsveranstaltung sollen diese Probleme und die aktuelle Situation in Fürth diskutiert werden. Dazu sind AktivistInnen des Bildungsstreik-?Bündnisses, der Fürther Erwerbslosen Initiative, dem Bündnis für ein Sozialticket und dem Bayrischen Flüchtlingsrat eingeladen.
Der Aufruf zur Veranstaltungsreihe:
Wem gehört die Stadt?
Überall in Fürth ist das gleiche Bild zu sehen: Unzählige Gebäude sind von Gerüsten umgeben, Baukräne sind an allen Ecken zu sehen und neue moderne Wohnungen und Luxuslofts schießen aus dem Boden. Diese Maßnahmen haben die langfristige Aufwertung bestimmter Stadtteile zum Ziel. Folge dieser sind nicht nur steigende Mieten, sondern auch die Vertreibung von Menschen aus ihren Wohnungen. Sie müssen umziehen und ehemals günstige Stadtteile werden meist komplett umstrukturiert. Wieder einmal trifft es dabei die schwächer Gestellten. Die Stadt Fürth lässt den Immobilienfirmen dabei weitestgehend freie Hand, schließlich profitiert auch sie von zahlungskräftigen BewohnerInnen in ihrer Stadt. Für die Menschen, die einst in den kostengünstigen Wohnungen lebten, ist diese Politik jedoch alles andere als „sozial“.
„Soziale Stadt“ Fürth?
Das Bund-?Länderprogramm „Die Soziale Stadt – Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“ wurde 1999 initiiert. Die Stadt Fürth ist seit dem Jahr 2000 Teil des bundesweiten Projekts und bezieht Fördermittel von Bund und Land. Das Ziel ist es die sog. „Abwärtsspirale in benachteiligten Stadtteilen aufzuhalten und die Lebensbedingungen vor Ort umfassend zu verbessern.“ – Auf den ersten Blick eine lobenswerte Zielsetzung. In Fürth konnten seit dem Start etwa 150 Projekte realisiert und gefördert werden. Schaut man jedoch genauer hinter die Fassaden des Programms werden die positiven Entwicklungslinien schnell brüchig, konzentriert sich die Sanierungswut doch hauptsächlich auf Fassadenarbeiten, die Schaffung von Grünflächen oder der nachträglichen Anbringung von Balkonen. Die Verbesserungen im Bereich der Städtebauförderung zielen dabei primär auf die Bindung von Mittelschichtsfamilien in den Quartieren. Wohlhabende Familien sind Indikatoren für eine gewollte Aufwertung bestimmter Viertel. So folgen ihnen neue Einkaufsmöglichkeiten und Geschäfte von diesen wiederum die Stadt – durch höhere Einnahmen der Gewerbesteuer – profitiert. Aufwertungsprozesse sind also wirtschaftlich attraktiv für die Stadt. All die Maßnahmen haben die Steigerung der „Wohn- und Lebensqualität“ zum Ziel. Dieser Folgen jedoch Mietsteigerungen, die Privatisierung von ehemals öffentlichen Einrichtungen und schließlich die Ausgrenzung von weiten Teilen der Gesellschaft – um nur einige Folgen zu nennen. Die Hallenbäder, das neue Thermalbad und das Freibad in Fürth wurden komplett privatisiert und firmierten als „Bäderland“ Fürth. Teile dieser wurden mittlerweile wieder reprivatisiert, da der Investor die hohen Kredite nicht zurückzahlen konnte, wodurch enorm hohe Kosten für die Kommune entstanden. Der städtische Sozialbau wurde so gut wie eingestellt und nur durch ein breites Bündnis konnte die Privatisierung der Stadtentwässerung verhindert werden.
Hinter dem Programm der „Sozialen Stadt“ verbergen sich also Maßnahmen, die wenig mit einer sozialen Stadtentwicklung zu tun haben und schon gar nicht auf die Bedürfnisse von finanziell schwachen Menschen aber auch „normal“ Verdienenden eingehen. Beispielhaft dabei ist das Vorgehen der P&P Gruppe Bayern. Durch eine äußert enge Kooperation mit der Stadt Fürth ist das Unternehmen an zahlreichen Luxussanierungen beteiligt und erhält nahezu jeden Auftrag der Stadt den sie möchte. Dass es P&P dabei nicht um die Interessen der Menschen in Fürth, sondern um eigene Profitinteressen, geht liegt auf der Hand.
In der Praxis setzten viele Programme also zunächst auf die Aufwertung des Images der benachteiligten Stadtviertel und eine Aktivierung der Bewohnerschaften. Ganz im Sinne neoliberaler Prinzipien der Eigenverantwortung sollen die Quartiersmanagements die Nachbarschaften zur Selbsthilfe befähigen. Dass oft vor allem diejenigen auf die Beteiligungsangebote ansprechen, die aufgrund ihrer sozialen und ökonomischen Position die Unterstützung am wenigsten nötig haben, wird weitgehend in Kauf genommen. Sind es doch meist die bildungsbürgerlichen Schichten, die in den Gebieten gehalten werden sollen.
Die Bewegung „Recht auf Stadt“
„Nehmen wir uns das Recht auf Stadt! Es liegt auf der Straße, es hängt in Bäumen und versteckt sich unter Pflastersteinen.“ Unter diesem Motto gründete sich 2009 die Recht auf Stadt (RaS) Bewegung in Hamburg. Verschiedenste Initiativen kämpfen gegen ungerechte städtische Umstrukturierung und gegen Großprojekte, die die BewohnerInnen nicht wollen. Sie fordern bezahlbaren Wohnraum für Alle, städtische Freiräume, eine wirklich demokratische Stadt und die Erhaltung von öffentlichen Grünflächen, für das Recht auf Stadt für alle BewohnerInnen – gegen Gentrifizierung und neoliberale Stadtentwicklung. Dabei versteht RaS die Stadt nicht (nur) als geographischen Ort, sondern vielmehr als Lebensraum in dem Menschen miteinander handeln.
Von Hamburg ausgehend bildeten sich neue städtische Protestbewegungen in Deutschland – beispielsweise in Konstanz, München und Freiburg – die gegen die neoliberale Vorherrschaft eigene Ansprüche an den städtischen Entwicklungen einfordern. Bereits 2007 gründete sich die internationale „Right to the city“ Bewegung. Massenproteste in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern zeigen, dass sich auch breiter Protest gegen kommerzielle Stadtpolitik formiert.
Auch in Fürth ist es Zeit über die Programme und den Handlungsspielraum der Kommune zu diskutieren. Wir können nicht länger dabei zusehen wie Stadtspitze und Politik Kooperationen mit großen Unternehmen eingehen und dabei alles andere als eine soziale Stadtentwicklung vorantreibt. Auch wir müssen hier aktiv werden. Mit einem „Recht auf die Stadt“ verbinden sich nämlich nicht nur Mobilisierungen zu einzelnen Konfliktlinien marginalisierter Interessengruppen, sondern die Chance auf soziale Mobilisierungen und neue Bündnisse, die Perspektiven einer Vergesellschaftung jenseits von Staat und Markt verfolgen.
Die aktuelle Situation in Fürth
Die Arbeitslosenquote in Fürth liegt derzeit „offiziell“ bei 7,4% (mit eingerechnet werden bei diesen Zahlen jedoch nicht diejenigen, die sich in arbeitsvermittelnden Maßnahmen und in „Ein-?Euro-?Jobs“ befinden) und damit rund 2% über dem bundesweiten Durchschnitt. 10,4% aller SchulabgängerInnen erwerben keinen Schulabschluss, nur 12% aller Kinder können in Kindertagesstätten betreut werden und die kommunalen Schulden in Fürth liegen mit 1.?716 Euro je EinwohnerIn deutlich über dem deutschen Durchschnitt. Die sowieso zu niedrig angerechnete Mietpauschale für Hartz IV EmpfängerInnen, welche von Kommune zu Kommune variiert, wurde seit der Einführung von Hartz IV nicht erhöht, obwohl die Mieten fleißig steigen. Es scheint also, dass es in Fürth objektiv nur wenige Gründe für die gezielte Aufwertung und Vertreibung gibt. Nichtsdestotrotz steigen in Fürth laut dem aktuellen Mietspiegel, die Mieten im Durchschnitt um über 5%. Dabei sind insbesondere die bisher billigeren Wohnungen im Innenstadtraum betroffen.
All diese Werte und Entwicklungen geben vielmehr Anlass ein Programm der Sozialen Stadt zu entwickeln, welches Menschen nicht aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließt, welches sozial gerechte Stadtentwicklung zugrunde legt und welches keine Aufwertung auf Kosten der Schwächsten vollzieht. Es liegt an uns der Politik, die wenig mit den Bedürfnissen der Menschen in Fürth zu tun hat, ihre Grenzen aufzuzeigen. Eine Politik, die ein Sozialticket für unfinanzierbar hält, die Erwerbslose aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließt, die Flüchtlinge und MigrantInnen nach wie vor diskriminiert und die nicht dafür sorgt eine sozial gerechte Bildung zu etablieren. Es liegt an uns Alternativen zu entwickeln und diese durchzusetzen, denn unsere Interessen können wir nur selbst umsetzen. Es liegt an uns Wege aufzuzeigen, wie sich MieterInnen vor ungerechten Mietsteigerungen und wenig sozialer Umstrukturierung schützen können. Und es liegt auch an uns, dass gesellschaftliche Ausgrenzung, Diskriminierung und geringe Bildungschancen endlich ad Acta gelegt werden. Wir müssen uns die Stadt zurückerobern!
Sie werden uns nicht vertreiben! – Eine Stadt für Alle!
Natürlich stellt sich die Frage, warum das ganze hier in Fürth und anderswo so geschieht. Was sind die Hintergründe für diese Stadtentwicklung? Warum werden bewusst Menschen aus bestimmten Vierteln verdrängt und ausgegrenzt? Weshalb zielt Stadtumstrukturierung auf die Vertreibung finanziell schwacher Menschen und auf diejenigen mit Migrationshintergrund ab?
Die Antwort ist überall die gleiche: Das heutige Wirtschaftssystem, welches auch das Gesellschaftssystem bestimmt, zielt direkt auf diese Mechanismen ab. Im Kapitalismus müssen wir uns dem Profitinteresse Weniger, der Akkumulation von Kapital und Ausbeutungsverhältnissen einfach unterordnen, weil sie vermeintlich besser für Alle sind. Tatsächlich ist für die „Überflüssigen“ (diejenigen die nicht in die Profitlogik der herrschenden Klasse passen) – seien es auch 10% der Stadtgesellschaft – kein Platz. Sei es die Mobilität für Benachteiligte, sei es Diskriminierung auf unterschiedlichsten Ebenen oder sei es der Umgang mit Erwerbslosen. Und genau aus diesem Grund zielt Stadtentwicklung – und damit auch Gesellschaftsentwicklung – nicht auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse, sondern auf die Profitmaximierung der Herrschenden ab.
Eine nicht-?profitorientierte Stadt scheint mit der derzeitigen Herrschaftsform nicht möglich, auch wenn konkrete Kämpfe Verbesserungen bewirken können. Wichtig wäre dies jedoch, weil die Stadt in der modernen Welt einen gesellschaftsbestimmenden Einfluss erreicht hat. Die sozialen Proteste weltweit, sei es in Lateinamerika, in England oder Spanien gingen immer häufiger von der Stadt aus und hängen direkt mit ihr zusammen. Sie ist nicht mehr nur geographischer Raum, sie hat Einfluss auf uns. Tagtäglich bewegen wir uns in ihr und die Forderungen nach einer anderen Gesellschaft und sozialen Verbesserungen sind auch immer die Forderung nach einer anderen Stadt. Das Recht auf Stadt äußert sich also als eine höhere Form von Rechten: Recht auf Freiheit, auf Selbstbestimmung, auf Wohnraum und Wohnen.
Nehmen wir uns also das, was ohnehin schon uns gehört. Lassen wir Politik und Wirtschaft nicht länger über unsere Köpfe hinweg entscheiden wie Stadtplanung für uns am sinnvollsten ist. Zeigen wir, was wir von der kapitalistischen Stadtumstrukturierung halten! Zeigen wir, was wir davon halten, dass das Profitinteresse einzelner höher bewertet wird als das kollektive Interesse von vielen! Nehmen wir uns das Recht auf Stadt für Alle.
Den Aufruf unterstützen:
Linke und kritische StudentInnen, Radikale Linke Nürnberg, Young struggle, Die Linke im Fürther Rathaus, Fürther Sozialforum, DKP Fürth, Netzwerk linker AktivistInnen, Autonome Jugendantifa Nürnberg, Organisierte Autonomie Nürnberg, Jugendantifa Fürth, Alternative Kultur Nürnberg, Projekt 31, Banda Sinistra Erlangen, Jugendantifa Erlangen, Antifaschistisches Aktionsbündnis Nürnberg, Kofferfabrik Fürth
Die Veranstaltungen unterstützen:
Fürther Erwerbsloseninitiative, Fürther Wasserbündnis