Studio legale
Avv. Giuseppe Pelazza
Viale Regina Margherita, 26 I
20122 Milano
NEIN ZUR ILLEGALISIERUNG DES KOMMUNISMUS DIE VERFOLGUNG DER KOMMUNISTiNNEN TRIFFT DIE POLITISCHE FREIHEIT VON UNS ALLEN
Mit dieser Erklärung wollen wir aufzeigen wie die italienischen Behörden andauernd und heimtückisch eine Gruppe (und diejenigen, die als deren Mitglieder betrachtet werden) verfolgen, die mit Bestimmtheit am Wiederaufbau der Kommunistischen Partei arbeitet. Es handelt sich um die anfangs der 1970er Jahre entstandene politische Gruppe, die zuerst das Coordinamento Na-zionale dei Comitati contro la Repressione (Nationale Koordinierung der Antirepressionskomi-tees) mit der Zeitschrift il Bollettino, dann die Zeitschrift Rapporti Sociali mit dem Verlag gleichen Namens in Mailand und in der Folge, von 1992 an, ebenfalls die nationale Organisation Comitati di Appoggio alla Resistenza per il Comunismo-CARC (Komitees zur Unterstützung des Wider-standes für den Kommunismus) ins Leben gerufen hat, wovon sich 1999 die Commissione Pre-paratoria-CP (Vorbereitende Kommission) des Kongresses zur Gründung der (neuen) Kommu-nistischen Partei Italiens (nPCI-(nuovo)Partito Comunista Italiano) ablöste. Die Kontinuität dieser politischen Gruppe wird von seinem bekanntesten Mitglied Giuseppe Maj verkörpert.
Hier die wichtigsten juristischen Schritte der behördlichen Verfolgung zur Ausschaltung und zur Behinderung der Tätigkeiten der Gruppe.
1. Bergamo: 1981 – 1987
1981 beschuldigt die Staatsanwaltschaft von Bergamo Giuseppe Maj (und weitere zwei Personen) der subversiven Vereinigung mit dem Ziel der gewaltsamen Herstellung der Diktatur einer sozialen Klasse und der gewaltsamen Umstürzung der wirtschaftlichen und sozialen Ord-nung des italienischen Staates. Erst im Herbst 1987, sechs Jahre danach, wird der Untersu-chungsrichter den Freispruch aussprechen.
2. Venedig: 1985 – 1991
Noch im Verlaufe dieser ersten Ermittlungen verfügt die Staatsanwaltschaft Venedig im Februar 1985 die Verhaftung von Giuseppe Maj und etlichen anderen. In den folgenden Monaten finden weitere Verhaftungen statt. Die Anklage: Des Verbrechens gemäss Art. 270bis wegen Förderung, Organisierung und Führung einer Vereinigung mit dem Ziel der Veränderung der ju-ristischen Ordnung der Republik durch gewaltsame Mittel. So landet die gesamte Redaktion von il Bollettino mit allen engeren MitarbeiterInnen im Gefängnis. Nach langer Haft (Giuseppe Maj 1 Jahr) und, in der Folge, der Auferlegung einer Meldepflicht bei der Polizei und der Wegnahme der Reisepässe (für Giuseppe Maj zwei Jahre lang) werden 1991 endlich alle Angeklagten durch das Geschworenengericht Venedig freigesprochen, das vorher versucht hatte, den Prozess nach Mailand abzuschieben. Der Freispruch erfolgte sogar schon in der Einführungsphase des Pro-zesses (also bevor dem eigentlichen Beginn des Prozesses), da zum vornherein klar war, dass der allen zur Last gelegte Tatbestand gar nicht „vorliegt“.
3. MAILAND: 1989 – 1990
Im April 1989, also vor diesem Urteil, aktivierte sich auch die Staatsanwaltschaft Mailand mit der zur Gewohnheit gewordenen Anklage der subversiven Vereinigung und schmückte die Anklage mit Hausdurchsuchungen auch der Räume des Verlages, Vorladungen in die Kasernen der Karabinieri, Einvernahmen und Beschlagnahmungen von schriftlichem Material (das ganze nach Abhörungen, Beschattungen, internationalen Rechtshilfeersuchen). Die sechs Angeklagten (u. a. Giuseppe Maj) und die 22 ermittelte Personen werden dann im Januar 1990 vom Ermitt-lungsrichter freigesprochen, wiederum weil “der Tatbestand besteht nicht ???
4. ROM: 1999 – 2001
Nachdem die öffentliche Anklage den Rückschlag dieser verheerenden Ergebnisse lang-sam verdaut hatte, aktiviert sich 1999 die Staatsanwaltschaft Rom, dieses Mal mit der doppelten Anklage (!), Art. 270 und 270bis wegen klandestiner Organisierung einer Vereinigung mit Namen (neue) Kommunistische Partei mit der Absicht der Durchführung von Gewalttaten mit dem Ziel der Umstürzung der demokratischen Ordnung. Polizei und Karabinieri führen gar 90 Hausdurch-suchungen durch und beschlagnahmen dabei verschiedene politische Dokumentation, Compu-ters und Zubehör und informatisches Material. Alle Durchsuchten werden danach einvernommen und die Staatsanwaltschaft fordert nach dem Verfalltermin auch eine Verlängerung der Ermitt-lungsfrist, bloss um danach den Vorermittlungsrichter darum zu ersuchen… eine weitere Archi-vierung, d. h. die Einstellung des Ermittlungsverfahrens auszusprechen. Diesem Gesuch wurde am 4. September 2001 stattgegeben.
5. ROM: 2001 – immer noch laufend?
Dieselbe Staatsanwaltschaft verlangt aber nach nur zwei Monaten die Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen etwa zwanzig der schon freigesprochenen Leute (darunter Giuseppe Maj) und das gestützt auf die von den Digos und den Karabinieri im Zuge von anderen parallelen Ermittlungen erstellten und den Ermittlern sicher nicht neuen Rapporten. Es muss darauf hinge-wiesen werden, dass die Aktivitäten der Gruppe konstant Gegenstand von Ermittlungen der Son-derabteilungen der Karabinieri und der Polizei gewesen sind: so finden sich in den Akten der Ermittlungen von Mailand, worauf wir in der Folge zurückkommen werden, von den ROS mit Er-laubnis der lokalen Justizbehörde in Neapel gemachte Aufzeichnungen (im Zuge von Ermitt-lungsverfahren, die den Betroffenen nie mitgeteilt wurden) von Telephongesprächen wieder. Diese Abhörungen überlagern und verflechten sich (wir sind im Jahr 1999) mit denjenigen, die auf Anordnung der Justizbehörden Rom und Mailand durchgeführt wurden. Jedenfalls muss vorausgesetzt werden, da seitdem die maximal möglichen 2 Jahre bis zum Verfall der Frist dieser “wieder aufgenommenen Ermittlungen???, von denen die Betroffenen nie etwelche Ermittlungsbescheide erhalten hatten, schon längst abgelaufen sind, dass auch diese weitere “Prüfung??? mit einer Archivierung abgeschlossen wurde.
6. MAILAND: 1999 – 2001
Wie schon angedeutet wurde, findet 1999 die Staatsanwaltschaft Mailand es gut und richtig, sich in der Sache wiederum zu aktivieren indem sie gegen über 100 Personen ermittelt, dar-unter viele Mitglieder der Gruppe. Die Anklage ist wie üblich der Art. 270bis, wie immer wird be-schattet, werden Telephone abgehört, dann die üblichen internationalen Rechtshilfeersuchen und wie üblich auch das Ende der Sache: Gesuch um Archivierung, die vom Vorermittlungsrich-ter am 22 Oktober verfügt wird.
7. NEAPEL, BOLOGNA, PARIS: – noch laufend
Die Vermehrung der Initiativen und der territorialen Kompetenzen hat nun keine Grenzen mehr. Und so erleben wir im Juni Dutzende Hausdurchsuchungen in Frankreich, der Schweiz und in Italien und eine weitere Verhaftung von Giuseppe Maj mit Giuseppe Czeppel, diesmal durch die französischen Justizbehörden. Tatsächlich waren Giuseppe Maj und andere wegen der konstanten “Störung??? ihrer politischen Aktivität durch die italienischen Ermittler untergetaucht. Nun aber aktivieren die Staatsanwaltschaften Neapel und Bologna die Magistraten des französi-schen Antiterrorismus. Neapel bemüht gegen jeden einzelnen der Ermittelten wieder einmal den Art. 270bis “als Mitglieder der unter dem Namen CP – Commissione Preparatoria del Congresso di fondazione del (nuovo) Partito Comunista Italiano handelnden klandestinen Organisation??? und Bologna, wo keine Anklage erhoben wird, ersucht über Rechtshilfeersuchen immerhin um eine Hausdurchsuchung. Frankreich, obwohl keinerlei italienische Haft- oder andere Einschränkungs-verfügungen bestehen, findet “wohl bekomme es??? und bügelt den Fehler gleich selbst aus (potz Blitz, sind wir oder sind wir nicht daran Europa aufzubauen!) indem Maj und Czeppel verhaftet werden (beide bekennen sich klar und wiederholt als Mitglieder der Vorbereitenden Kommissi-on). Der Vorwand dazu ist der Besitz von gefälschten Ausweisen, die für unauffindbar sein wol-lende Menschen notwendig sind, und sie werden – kaum zu glauben – der Vereinigung von Übeltätern mit dem Ziel der Vorbereitung terroristischer Handlungen angeklagt. Somit bis Weih-nachten 2003 nochmals Knast und nachher Zwangsaufenthalt und, sogar, Zuweisung einer be-stimmten Wohnung und die Anordnung, sich regelmässig bei den französischen Polizeibehörden zu melden, und die französischen und neapolitanischen Ermittlungen gehen weiter.
8. BOLOGNA: 2003 – noch laufend
Gleichzeitig eröffnet die Staatsanwaltschaft Bologna Maj, dass sie nach (!) der Haus-durchsuchung und der Beschlagnahme vom gesamten schriftlichen und lesbaren Material in sei-ner Pariser Wohnung gegen ihn und andere (etwa ein Dutzend Personen) wegen 270bis und bewaffnete Bande ermittelt, die sie in Emilia, anderswo und in Frankreich verbrochen haben sollen!
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Diese konstante Vermehrung und Verflechtung, während Jahrzehnten, von juristischen Verfahren und verschiedensten Entzugs- und Beschränkungsmassnahmen, von Gegenständen bis zur persönlichen Freiheit, von Beschlagnahmungen aller Art von politischer Dokumentation, von Computers (nunmehr grundsätzliche Kommunikations- und Informationsmittel), usw. verdient einige Reflektionen.
Was zuerst auffällt ist, dass dieses Wuchern von Anschuldigungen und Verfahren nie zu einer Gerichtsverhandlung geführt hat: Der einzige Gerichtshof, an den die Anklage den Mut hat-te sich zu wenden, das Geschworenengericht von Venedig, befand, dass es ein Verfahren gar nicht aufnehmen müsse, da sofort offensichtlich war, dass die vorgeschobene Vereinigung mit dem Ziel des Terrorismus keinen Bestand hatte.
Nur, diese Verfahren haben aber selbstverständlich ihre Wirkungen erzielt: lange Freiheitsentzuge für viele – nicht bloss für Maj; Einmischung ins Privatleben und Arbeitsleben (also Einschüchterungen); bedeutende finanzielle Schäden; Behinderung der politischen Aktivität (durch Einschränkung der Bewegung- und Begegnungsfreiheit, konstante Überwachung – mit dem Effekt der Einschüchterung und Abschreckung, Beschlagnahme von Archiven, Korrespon-denz, Büchern und Apparaten zum schreiben, informieren und kommunizieren); Ausgrenzung durch die Etikettierung als “mutmassliche Terroristen???, was durch die wiederholte entsprechende Anklage eingeflüstert wurde und die sich mit den immer aggressiveren Medienkampagnen in der Presse und dem Fernsehen über den “Terrorismusalarm??? kombiniert. Diese Medienkampagnen wollen eine Art Gleichung zwischen jeder Form von radikaler Opposition gegen die kapitalisti-sche Ordnung und Terrorismus beglaubigen (indem sie sich u. a. mit diesem Begriff auf absolut unterschiedliche und nicht deckungsgleiche Erscheinungen bezieht).
So haben also in Wirklichkeit die Drahtzieher dieser verschiedenen “Operationen??? versucht eine Art “Illegalisierung??? der politischen Aktivität dieser Gruppe, die auf den Wiederaufbau einer echten Kommunistischen Partei in Italien ausgerichtet ist, herzustellen.
Andererseits hat gerade der Nichtbestand, der während Jahrzehnten von Ermittlungen festgestellt wurde, irgend einer Form terroristischer Aktivität – welche nun die Bedeutung des Begriffes auch sei – der Mitglieder der Gruppe bewiesen, dass – wie wir schon gesehen haben – das inquisitorische Interesse ein anderes ist: diejenigen zu treffen, diejenigen zu behindern und zu “illegalisieren???, die immer noch, echt, hartnäckig und kohärent die kommunistische Tradition am Leben erhalten und sich weiterhin, mit dem bestimmten Willen sie wieder aufzubauen, die Frage nach der Partei stellen. Kurz und gut, “der Kommunismus ist tot??? heisst es, aber die Be-hörden fahren mit der Verfolgung der KommunistInnen fort, jedoch mit der Umsicht und Vorsicht sie offiziell als TerroristInnen anzuklagen.
Und diese heimtückische “Illegalisierung??? stellt eine schwere autoritäre Schliessung grundlegender Räume der freien Meinungsäusserung und der politischen Aktivität und Organisierung dar. Es sind die Freiräume, die einst mit dem Sieg des Widerstandes gegen den Nazifaschismus wieder erobert wurden und die den Kern der Verfassung ausmachen.
Und ein solches Problem kann uns nur alle gleichermassen angehen, da die Freiräume zur Organisation gerade uns alle angehen und deren Schliessung, auch wenn sie oberflächlich gesehen nur für einige getätigt werden, ist schon eine Schliessung auch für uns alle.
Was wir hier ausführen ist also ein Alarmruf an alle kohärenten DemokratInnen, umso-mehr als das die vom italienischen Staat seit Jahren verfolgte Einengungen der Räume der poli-tischen Aktivität und, jedenfalls, der Freiheit einen mächtigen Multiplikator im Krieg finden, der mit der Stosskraft eines Staatsstreiches nicht bloss ein grundsätzliches und unveränderliches Prinzip unserer konstitutionellen Ordnung gebrochen hat, sondern – unter der verheerenden Führung der USA – die Logik der Zerstörung des Feindes auch ins Innere des Landes gebracht hat. Und im Landesinneren wächst andererseits gewaltig die Unrast, die durch die Zerstörung der Mechanismen der sozialen Sicherheit, durch die schwerwiegende Herabsetzung der Real-löhne, die Arbeitslosigkeit, die totale Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse und die Krise des Pro-duktionsapparates hervorgerufen worden ist.
Auch müssen diese Tatsachen ohne wenn und aber mit der fortschreitenden Ruhe- und Ordnungskampagne und, wir können es ruhig so sagen, mit dem Versuch der “Militarisierung??? (zumindest was die Wertvorstellungen anbelangt) der Gesellschaft in Zusammenhang gebracht werden.
Der Fall der juristischen Garantien bedeutet, und das ist äusserst schwerwiegend, die Entstehung eines “doppelten??? Rechtes, mit einem Sonderrecht für ImmigrantInnen, dass sogar Formen der regelrechten administrativen Haft vorsieht; während wir auf internationaler und spe-zifisch auf europäischer (und US-Amerikanischer) Ebene eine Produktion von Normen erleben, die direkt von der Exekutive kommen und politische Organisationen ausserhalb des Gesetzes stellen, die in verschiedenen Teilen der Welt für nationale Souveränität, Unabhängigkeit und ge-gen oligarchische und faschistische Regimes kämpfen. Es kam sogar zur Illegalisierung einer Partei wie Batasuna, die nicht bloss im Parlament des spanischen Staates, sondern auch im eu-ropäischen Parlament sass.
Wenn das der Kontext ist, so erscheint es noch notwendiger gegen die hier ausführlich beschriebene Verfolgung der CARC und der Vorbereitenden Kommission der (neuen)KPI Positi-on zu beziehen. Und tatsächlich, auch wenn wir in sehr vielen Punkten ihre Analysen der Lage und ihre politischen Ziele nicht teilen, dürfen wir nicht vergessen, dass die Verteidigung des voll-ständigen Rechtes auf politische Meinungsäusserung und Organisierung jedenfalls in unserem direkten und unvermittelten Interesse liegt, weil die Komprimierung der Räume der Freiheit nichts anderes als eine verheerende Wirkung für uns alle haben kann. Und diese Verteidigung ist ein Teil des umfassenderen und notwendigen Einsatzes gegen den zielstrebigen Marsch des westli-chen Staatsmodells auf autoritäre, diskriminierende und gewalttätig kriegerische Formen zu.
Milano, 8/06/04