Flugblatt: Schluss mit den Ausreden! Sozialticket jetzt!
Seit vier Jahren wird im Großraum Nürnberg ein Sozialticket gefordert, zu einem Preis von höchstens 15 Euro im Monat. Dieses Ticket soll Mobilität für alle tatsächlich möglich machen und damit dem ausgrenzenden Charakter des teuren öffentlichen Nahverkehrs ein Ende setzen. ALG II-EmpfängerInnen, Menschen mit sogenannten Niedriglohn-Jobs, Flüchtlinge, RentnerInnen, arme SchülerInnen und StudentInnen und andere können den öffentlichen Nahverkehr kaum nutzen, ohne sich bei anderen Grundbedürfnissen einschränken zu müssen. Das Bündnis Sozialticket, in dem auch die organisierte autonomie (OA) und die Revolutionär organisierte Jugendaktion (ROJA) aktiv mitarbeiten, übergab 2009 den Oberbürgermeistern von Nürnberg, Fürth und Erlangen 12.000 Unterschriften für ein Sozialticket. Die Reaktion der politisch Verantwortlichen: In Nürnberg wurde eine Studie beauftragt, um angeblich die Nachfrage und die Kosten eines Sozialtickets zu prüfen. Sozialticket-AktivistInnen wussten schon damals, dass es sich dabei nur um eine Hinhaltetaktik der Stadt handelt. In Fürth sagte der Oberbürgermeister Jung, dass man ein Sozialticket einführen würde, wenn vorher Nürnberg das tun würde. Sozialticket-AktivistInnen blieben weiter aktiv, während die politisch Verantwortlichen zum Sozialticket schwiegen. Im Juli 2012 wurden die Ergebnisse der Nürnberger Studie dann veröffentlicht. Die Stadt Nürnberg, verkörpert durch Sozialreferent Reiner Prölß, kündigte an, Verbesserungen beim Nürnberg-Pass-Ticket anhand der Studienergebnisse bis zu den Haushaltsberatungen im November ernsthaft prüfen zu wollen.
SPD, Stadt und VAG wollen nichts verändern!
Doch wie auch die Jahre zuvor hatten die Stadtspitze, ganz vorne dran Oberbürgermeister Maly und Sozialreferent Prölß, nichts als Ausreden und unsoziale Kommentare zu bieten. Im Sozialausschuss der Stadt Nürnberg im Oktober verkündeten das Sozialamt, die VAG und die SPD vereint: Wir wollen nicht, dass sich etwas ändert. Diesmal wird als Ausrede vorgeschoben, dass eine EU-Richtlinie die Veränderung des Nürnberg-Pass-Tickets verhindern würde. Deshalb werde es kein Sozialticket geben, obwohl die Studie sogar Verbesserungen, die Gewinn bringen würden, ermittelt hatte. Die Gostenhofer SPD-Stadträtin und Sozialpolitische Sprecherin ihrer Partei im Stadtrat, Christine Limbacher bezeichnete damals auch noch dreist das Nürnberg-Pass-Ticket als Sozialticket. Eine Unverschämtheit, da dieses Ticket nur eingeschränkt gilt und z.B. der Regelsatz für Nahverkehr, den Erwerbslose erhalten, nur 18,41 Euro beträgt und damit das Ticket fast doppelt so teuer ist.
Ein Sozialticket muss selbst den Ärmsten ermöglichen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln mobil zu sein
Die Stadt Nürnberg und VAG behaupten, ein Sozialticket würde Millionen kosten. Doch ihre eigene Studie zeigt: durch ein günstiges Sozialticket würden mehr Menschen mit Öffentlichen fahren und dadurch Mehreinnahmen entstehen. Bei einem Preis von 23 Euro hatte die Studie 180.000 Euro an Ausgleichszahlungen, die der VAG zu erstatten wären, pro Jahr ermittelt. Das sind etwa 3/1000stel des Betrages an Steuergeldern, den die Stadt Nürnberg der VAG ohnehin als Verlustausgleich jährlich überweist. Und auch zufällig genauso viel, wie die letzten Bonuszahlungen an die VAG-Vorstände. Während genug Geld für Prestigeprojekte wie die fahrerlose U-Bahn zum Flughafen und ein stark kritisiertes Delphinarium da ist, bleiben Maly, Prölß, ihre Beamteten und Parteifreunde bei sozialen Projekten sparsam. Reiner Prölß sagte mehrmals, die Stadt könne „jeden Euro nur ein Mal ausgeben“. Anscheinend meint er damit, entweder für Prestige-Projekte, oder dafür, dass auch Arme mit Bus und Bahn fahren können.
Die Stadt muss aufhören, die Verantwortung immer auf andere abzuwälzen.
Von Anfang an, hatte Oberbürgermeister Ulrich Maly versucht, die Verantwortung auf die Bundespolitik abzuschieben. Die Stadt Nürnberg hätte die schlechte Situation, in der sich einkommensschwache Haushalte befinden, nicht zu verantworten. Eine billige Ausrede, immer bei anderen die Schuld zu suchen, hat doch die Stadt als Eigentümerin der Verkehrsbetriebe den größten Spielraum bei der Gestaltung der Tarife. Außerdem saß Maly selbst jahrelang im Bundesvorstand der SPD. Er ist als einflussreiches SPD-Mitglied selbst Teil der Bundespolitk.
Es ist unerträglich, wie die Stadt Nürnberg versucht, die Menschen gegeneinander auszuspielen
Eine beliebte Taktik, soziale Verbesserungen zu verhindern, ist es verschiedene Personengruppen gegeneinander auszuspielen. Vor allem Sozialreferent Reiner Prölß wird nicht müde zu behaupten, würde ein Sozialticket eingeführt, wäre das ungerecht gegenüber Anderen. Menschen, die nur etwas weniger verdienen würden, als Sozialticket-Berechtigte, müssten den vollen Fahrpreis zahlen, während Berechtigte günstiger fahren. Natürlich sagt er das nicht, um den Skandal zu thematisieren, dass es schlecht bezahlte Jobs und unflexible Einkommensgrenzen für Sozialleistungen gibt. Seine Motivation ist es, gegen das Sozialticket zu polemisieren. Wir wenden uns gegen diese Spaltungsversuche. Dass nicht genug Geld da ist, um alle notwendigen Sozialleistungen zu finanzieren liegt nicht an den Sozialleistungen selbst, sondern daran, dass der gesellschaftliche Reichtum falsch verteilt ist. Auch dass von Prölß und anderen behauptet wird, dass andere Fahrgäste durch erhöhte Fahrpreise das Sozialticket finanzieren müssten ist blanker Zynismus. Ohne dass es ein Sozialticket gibt, wurden 2011 von SPD, CSU und FDP enorme Fahrpreiserhöhungen um ca. 35% bis 2015 beschlossen, die von NiedriglöhnerInnen bis zu MillionärInnen alle gleich zahlen müssen.
Es wird eng für die politisch Verantwortlichen
Da die oben genannten Ausreden offenbar nicht mehr ausreichen, um die Untätigkeit zum Thema Sozialticket zu rechtfertigen, führen neuerdings Stadt und VAG eine EU-Richtlinie von 2007 an, die es ihnen unmöglich mache, ein echtes Sozialticket einzuführen. Unter Krokodilstränen verkündete Christine Limbacher, dass die SPD ja gerne etwas im Sinne des Sozialtickets verbessert hätte, aber dem nun plötzlich diese EU-Richtlinie im Weg stünde. Bei der Stadt hat man angeblich Angst, dass das bereits existierende Nürnberg-Pass-Ticket schon seit 2007 nicht der EU-Richtlinie entspricht, da die VAG für das Ticket keine extra Ausgleichszahlungen bekommt. Jede Veränderung könnte also, so wurde behauptet, die zuständige Aufsicht auf diese Unregelmäßigkeit aufmerksam werden lassen. Dass diese Richtlinie erst jetzt, wie von Stadt und VAG behauptet, „entdeckt“ wurde, ist aber mehr als unglaubwürdig. Tatsächlich ist die Existenz der Richtlinie seit Jahren bekannt. Auch seit Jahren bekannt ist, dass das Nürnberg-Pass-Ticket trotz dieser Richtlinie existiert. Dass gerade jetzt, nach einer öffentlichkeitswirksamen Sozialticket-Kampagne und großer öffentlicher Zustimmung in der Bevölkerung für ein solches Ticket, diese EU-Richtlinie ins Spiel gebracht wird, ist der billige Versuch der Erpressung, nach dem Motto „wenn ihr nicht aufhört das Sozialticket zu fordern, dann gibt es auch das verbilligte Nürnberg-Pass-Ticket nicht mehr“. Dazu kommt, auch beim neuesten Streich der politisch Verantwortlichen wird die Verantwortung auf andere, nämlich die EU abgeschoben. Außerdem ist es bemerkenswert, dass obwohl so eine EU-Richtlinie seit 2007 existiert, die 36.000 Euro-Studie von Stadt und VAG trotzdem so durchgeführt wurde, als ob die Richtlinie bedeutungslos wäre. Jetzt im Nachhinein wird aber behauptet, die Ergebnisse der Studie wären dadurch wertlos.
Schluss mit der Verarschung!
Die Ausreden der politisch Verantwortlichen werden immer dreister. Anscheinend meint man in den Chefetagen der VAG und an der Stadtspitze, dass die Bevölkerung sich leicht von solchen dünnen Scheinargumenten überzeugen lässt. Die Interessen der Lohnabhängigen und Erwerbslosen werden von den angeblichen VolksvertreterInnen mit Füßen getreten. Dass die Stadt Nürnberg nicht einmal die minimalen Verbesserungsvorschläge ihrer eigenen Studie aufgreift, sondern lieber alles belässt, wie es ist, zeigt, dass ihnen die Bedürfnisse gerade einkommensschwacher Menschen egal sind. Für die Mehrheit der Bevölkerung, die nicht reich oder in hochbezahlten Ämtern ist, bleibt nur, selbst für die eigenen Interessen zu kämpfen.
Sozialticket jetzt – Nulltarif bleibt das Ziel!
Grundlage für unseren Kampf für ein Sozialticket war von Anfang an das Grundrecht auf Mobilität. Daher haben wir auch von Anfang an als mittelfristiges Ziel die Einführung des Nulltarifs in Bus und Bahn und allen öffentlichen Einrichtungen gefordert! Das Sozialticket soll lediglich ein erster Schritt sein, den Ausschluss vieler Tausend Menschen von der Mobilität möglichst schnell zu beenden. Wir bleiben aber nicht dabei stehen, kleine Reformverbesserungen im hier und jetzt zu erzielen.Wir kämpfen für eine radikale Umwälzung der Verhältnisse, für eine politische und soziale Revolution, die den Menschen in den Mittelpunkt der Produktion und des alltäglichen Lebens stellt! Wir kämpfen für das soziale Grundrecht auf Mobilität, ebenso wie für das Recht auf Wohnraum für alle, für selbstbestimmte Produktion nach den Bedürfnissen der Mehrheit der Menschen ebenso wie für offene Grenzen und Bewegungsfreiheit!
Doch die soziale Revolution kommt weder von alleine, noch davon, dass wir sie möglichst laut und energisch fordern – die soziale Revolution beginnt in den Kämpfen, die wir heute führen! Nur erfolgreiche Kämpfe um tagesaktuelle Themen können beweisen – wir sind in der Lage unsere Interessen tatsächlich auch zu erkämpfen! Geschenkt wird uns nichts – was wir brauchen und wollen, dass müssen wir uns schon nehmen!
organisierte autonomie (OA) und Revolutionär organisierte Jugendaktion (ROJA), 15.11.2012