Wehrsportgruppen-Hoffmann wieder auferstanden

Am Samstag, den 2. April, wurden rund 80 AntifaschistInnen Zeuge eines absurden Spektakels in der Nürnberger Südstadt. In der Gaststätte „Freundeskreis Bavaria“ gab der Neonazi Karl Heinz Hoffmann, ehemals führender Kopf der faschistischen Wehrsportgruppe (WSG) Hoffmann, ein Stell-dich-ein für die lokale Naziszene. Nach 30 Jahren ist dies der erste öffentliche Auftritt in Nürnberg, in dem Hoffmann über die Vergangenheit und den Verbotsprozess im Jahre 1980 sinnierte. Eine handvoll Nazis kamen dann auch und wurden von den AntifaschistInnen entsprechend empfangen. Das USK sorgte jedoch auch in diesem Fall dafür, dass die Nazi- Veranstaltung statt finden konnte und nahm anschließend drei Antifas gewaltsam in Gewahrsam.

Anlässlich der Veranstaltung halten wir einen Rückblick auf die Machenschaften der WSG für sinnvoll:

Der Terror-Trachtenverein WSG

Bereits 1968 veranstaltete Hoffmann sein erstes öffentlich bekannt gewordenes Spektakel. Zu Fasching tummelten sich in einem Nürnberger Café Männer in SS-Uniformen und Frauen in BDM-Kleidern vor einer Tonband-Geräuschkulisse aus Granatengeheul und MG-Geknatter. 1973 begann Hoffmann mit dem Aufbau seiner Wehrsportgruppe. Bis zu ihrem Verbot durch das Bundesinnenministerium am 30.1.1980 rückten der „Chef“ und seine Truppe in Uniform mit Totenkopf, Stahlhelm, zugelöteten Maschinengewehren und Militärfahrzeugen zu wöchentlichen Manöverübungen im freien Gelände aus. Um die 500 Männer und auch einige Frauen sollen der „konspirativ“ agierenden WSG angehört haben. In Hoffmanns „Stützpunkten“, Schloss Almoshof bei Nürnberg, ab 1978 das Schloss Ermreuth bei Erlangen und auf seinem Privatgrundstück in Heroldsberg sammelte sich allerlei Kriegsgerät einschließlich eines Panzerspähwagens an.

Söldnertruppe im internationalen Einsatz

Nachdem die Schützlinge eine solide Ausbildung durchlaufen hatten, bauten sie im Bundesgebiet WSG-Ableger auf, den „Sturm 7“ in Hessen, die „Sturmabteilung Bonn“ usw. Der Chef unterhielt enge Kontakte zu Neonazis im In- und Ausland, reiste nach Zimbabwe (damals Rhodesien) und bot seine Söldner dem rassistischen Smith-Regime im Kampf gegen die nationale Befreiungsfront an. Bei Veranstaltungen der DVU dienten Hoffmanns Leute als Saalschutz, verprügelten gemeinsam mit dem rechtsextremen „Hochschulring Tübinger Studenten“ (HTS) oder mit der Wiking-Jugend antifaschistische GegendemonstrantInnen. Ein WSG-Mann tauchte bereits in der Kanalisation von Berlin, um die Befreiung des Hitler-Stellvertreters Heß vorzubereiten. Entsprechende Pläne fanden sich in einer in Schloss Ermreuth eingemauerten Blechdose. Anfang der 80er Jahre, als der Terror von rechts neue Dimensionen annahm, bombten sich „Einzeltäter“ aus Hoffmanns Truppe in die Annalen der Geschichtsschreibung. Der Bekannteste von ihnen ist wohl Gundolf Köhler. Mit einem Sprengsatz tötete er am 26.9.1980 zwölf BesucherInnen des Münchner Oktoberfestes und sich selbst, 210 wurden verletzt. Trotz aller Widersprüche schlussfolgerte die Justiz: Der Tübinger Student aus dem Umfeld des HTS und Hoffmanns WSG sei Alleintäter gewesen. Ein Freund des Attentäters gab beim Bundesanwalt zu Protokoll: „Wenn einmal etwas los geht“, habe Köhler gesagt, „könnte man es den Linken in die Schuhe schieben“. Das versuchte auch der damalige bayerische Ministerpräsident. Unmittelbar nach der Explosion standen für Strauß die Verantwortlichen fest: die Linke, der Geheimdienst der DDR und sogar der KGB. Die Bundestagswahl stand eine Woche bevor, Strauß war Kanzlerkandidat der Union.

Nach dem Verbot in der BRD kämpfte die „WSG-Ausland“ im Libanon. Dort folterte Hoffmanns Truppe abtrünnige Kameraden. WSG-Mitglied Kai Uwe Bergmann überlebte die Torturen nicht. Am 16.6.1981 wurde der Wehrsportchef verhaftet und gegen seine Auslandsabteilung wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a) ermittelt. Ein halbes Jahr später entschied der Bundesgerichtshof, dass die WSG-Ausland nicht unter §129a fallen würde.

Nachdem ein Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft Erfolg hatte, begann die Hauptverhandlung schließlich im September 1984 vor der 3. Strafkammer. Den sonst für Rauschgiftdelikte zuständigen Richtern lag dieselbe Anklageschrift vor, nur um einige Punkte erweitert, welche hauptsächlich die Folterungen im Libanon betreffen. Wer an Prozesse wie in Stammheim gewohnt war, rieb sich verwundert die Augen. Die entgegenkommende Verhandlungsführung des Vorsitzenden Richters Koob gab dem Angeklagten ausführlich Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Auf einem extra aufgebauten Redepult konnte Hoffman vor Gericht stundenlange Stellungnahmen zur Anklage und über seine Gesinnung abgeben. Nach 186 Verhandlungstagen wurde Karl-Heinz Hoffmann schließlich wegen Körperverletzung an seinen Gefolgsleuten im Libanon, Geldfälschung, Strafvereitelung und Verstößen gegen das Waffengesetz zu neuneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Fünf Jahre später war Hoffmann wieder auf freiem Fuß, der Rest seiner Haftzeit wurde ihm erlassen. Die Justizvollzugsanstalt Bayreuth bescheinigte dem WSG-Chef eine „beanstandungsfreie Führung“. Zudem habe er sich in einer Anhörung „glaubhaft“ von seiner Vergangenheit losgesagt.

Manche Hand geschüttelt

An prominenten und praktischen Bekanntschaften schien es Hoffmann übrigens nicht zu mangeln. Es war ein offenes Geheimnis, dass einflussreiche Persönlichkeiten ihm den Rücken freihielten und ihn unterstützten. Namhafte Persönlichkeiten wie der Nürnberger Rüstungsfabrikant Diehl, seit 1997 Ehrenbürger der Stadt Nürnberg, sollen zum Unterstützerkreis der Hoffmanntruppe gehört haben. Entsprechende Andeutungen machte Freiherr Gilbert von Sohlern, Schlossherr in Gößweinstein und Gönner Hoffmanns, gegenüber als Geldkurieren getarnten Journalisten.

Von der bayerischen Staatspartei CSU hatten die Wehrsportler nichts zu befürchten. Innenminister Tandler: „Wehrsport ist schließlich nicht strafbar“. Nach dem Verbot der WSG sagte Franz Josef Strauß gegenüber einem französischen Journalisten: „Wenn niemand von diesem Verrückten spräche, man würde seine Existenz nicht bemerken. (…) Hoffmann hat sich nichts zu Schulden kommen lassen“.

Erschienen in barricada – April 2011