Vergewaltigung in Nürnberger Flüchtlingsheim
Dass Flüchtlinge in Lagern zusammengepfercht, abgeschoben und schikaniert werden gehört in Deutschland zum Alltag. Dass manche Flüchtlinge Opfer schwerster Verbrechen werden und die Täter straffrei ausgehen, ist ebenso Teil der von den Herrschenden gewollten Normalität.
Ein Beispiel für den nicht alltäglichen Mut eines der Opfer, sich öffentlich zur Wehr zu setzen ist der Vergewaltigungsfall, der im Januar vor dem Nürnberger Landgericht verhandelt wurde. Das Opfer: Eine Flüchtlingsfrau aus Uganda. Der Angeklagte: Der ehemalige Hausmeister der Sammelunterkunft in der Nürnberger Schloßstraße. Das Urteil: Freispruch aus Mangel an Beweisen.
Der 61jährige Richard Schimpf ist mittlerweile in Rente. Früher war er Hausmeister in der Flüchtlingsunterkunft Schloßstraße und als solcher ein Mann, der Macht hatte. Lächerlich wenig Macht natürlich in Bezug auf seine Stellung in der Gesellschaft, jedoch unglaublich viel Macht gegenüber den Flüchtlingen, die so einem Hausmeister ausgeliefert sind. Er entschied über Zimmerbelegung und Vergünstigungen. Er gab die Post und die Essenspakete aus, leitete wichtige Behördenschreiben weiter, war Informant des Bundesamtes und wirkte bei der Verhängung von Sanktionen und Abschiebungen mit – und er hatte einen Generalschlüssel, auch zu den Zimmern der Frauen. 2007 hatte ihn die Staatsanwaltschaft angeklagt, eine aus Uganda stammende ehemalige Insassin des Heims in der Schloßstraße in deren Zimmer vergewaltigt zu haben. Schimpf hatte, laut Staatsanwältin das erste mal 2001, die Flüchtlingsfrau zwei mal im Schlaf überfallen und sie vergewaltigt. Zudem musste das Opfer immer wieder verbale und körperliche Übergriffe über sich ergehen lassen. Sie war nicht die einzige. Doch nur sie traute sich, nachdem sie etwas besser deutsch gelernt hatte und Kontakt zu Flüchtlingshilfsorganisationen aufgenommen hatte, die Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen und jetzt, vertreten durch die Rechtsanwältin Ute Stöcklein, als Nebenklägerin aufzutreten.
Im Prozess wurde die Aussage der Frau als glaubwürdig bewertet. Der Angeklagte bestritt den Vergewaltigungsvorwurf, gab aber zu, öfters „Späße“ mit sexuellem Inhalt, auch über Sex gegen Bezahlung, gemacht zu haben. Drei glaubhafte ZeugInnen stützten mit ihren Aussagen die Darstellungen der betroffenen Frau. Ein Zivildienstleistender sagte aus, er habe in der ZAST in Zirndorf die Belästigung einer äthiopischen Frau durch das Wachpersonal erlebt. Die Vorgesetzten weigern sich, gegen solche Täter vorzugehen, um einen Skandal zu vermeiden. Der Richter bedauerte nach den ZeugInnenaussagen, keine Indizienbeweise oder detaillierteren Darstellungen der Übergriffe zu haben. Er räumte, wie auch die Staatsanwältin und der Verteidiger des Hausmeisters, die unerträgliche Situation in Flüchtlingsheimen ein. Am Ende sprach der Richter den Hausmeister aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs an widerstandsunfähigen Personen frei. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft gefordert.
Trotz des Urteils werteten die vergewaltigte Frau und ihre UnterstützerInnen den Prozess als Erfolg und wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Immerhin war die Wahrheit ans Licht gekommen und der Mut der Flüchtlingsfrau ist beispielhaft für viele, die sich bis jetzt noch nicht gegen sexualisierte Gewalt in den Lagern wehren. Ohne die Unterstützung der betroffenen Frau durch die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen und das Internationale Frauencafe wäre wohl auch dieses Verbrechen nie öffentlich bekannt geworden. Sicher aber hätte der Fall keine derart breite und meistenteils eher positive Medienberichterstattung erfahren.
Dass die meisten Flüchtlinge, die in den bundesdeutschen Lagern Opfer sexualisierter Gewalt werden, sich nicht trauen, das Verbrechen zur Anzeige zu bringen ist kein Zufall. Es ist vielmehr Resultat eines Zustands des Ausgeliefertseins und der Rechtlosigkeit, der von den politisch Verantwortlichen so gewollt ist. Die Regierenden, aus den diversen Koalitionen der letzten Jahrzehnte in Bonn und Berlin bis hinunter zur Stadtratsmehrheit der „Stadt der Menschenrechte“ entmenschlichen Flüchtlinge und schaffen Verhältnisse, die es ermöglichen Flüchtlinge zu vergewaltigen und sich dabei einer fast sicheren Straflosigkeit zu erfreuen. Sie betreiben eine Politik, die den nach Deutschland geflohenen Menschen Privatsphäre und elementare Rechte verweigert. Behörden, wie das Bundesamt für Migration, das Nürnberger Ausländeramt oder die Polizei werden ihrem politischen Auftrag gerecht, wenn sie den Flüchtlingen durch gezielte andauernde Schikanen ihre Recht- und Schutzlosigkeit vor Augen führen.
Die Erfahrung, vor Gericht Mensch zweiter Klasse zu sein, machen ebenfalls viele Flüchtlinge. Das Wort von Polizeizeugen, in- und ausländischen Behörden oder deren Angestellten gilt deutschen Richtern deutlich mehr als die Aussagen von Flüchtlingen. Der Nürnberger Hausmeister hatte, dem Vergewaltigungsopfer zufolge, gesagt: „Dir glaubt sowieso niemand, weil du aus Afrika bist und ich bin ein Deutscher“. In Bezug auf die Gerichte ein realistisches Statement. Manchmal geschieht es zwar, dass Richter ihrem Unmut über allzu offensichtlich lügende Polizeizeugen Ausdruck geben, wie im Falle des getöteten Flüchtlings Oury Jalloh, der sich, in einer Zelle fixiert und gefesselt, selbst verbrannt haben soll. Da heißt es dann, leider wäre kein rechtstaatliches Verfahren möglich gewesen. Richter und Staatsanwalt wissen, dass die Beamten als Zeugen vor Gericht logen, doch diese bleiben auf freiem Fuss.(Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat es 2008 dagegen z.B. fertiggebracht, einen Zeugen 25 Tage in Haft zu nehmen, weil der sich weigerte, eine falsche belastende Aussage zu machen. Der Zeuge war aber auch kein Polizist, sondern Arbeiter.)
Der Prozess gegen den Hausmeister stellt keinen Justizskandal dar. Das Gericht hat sich im wesentlichen an die eigenen Regeln gehalten. Das Verfahren und Urteil zeigen jedoch einmal mehr, dass die deutsche Justiz selber einen einzigen Skandal darstellt und natürlich Komplizin der skandalösen rassistischen herrschenden Verhältnisse bleibt. Die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen hat dies sehr treffend illustriert mit der Frage: „Was wäre eigentlich gewesen wenn das Opfer eine weiße Angestellte der Regierung von Mittelfranken und der Täter ein schwarzer Asylbewerber gewesen wäre?“