Radios laufen, TVs laufen, CDs und MP3s laufen und du kannst im Internet Bücher kaufen.

Der Kapitalismus hält für alle gesellschaftlichen Klassen und Teile der selben Unterhaltung, Kultur und Information bereit und es gibt kein Thema, das sich nicht zur Vermarktung eignet.
Du darfst Punk sein, HipHopper, Skater, Metaller oder dich mit den Klängen des neuesten Computerspiels, von Wagner, Florian Silbereisen oder der Deutschlandfähnchen schwenkenden Lena amüsieren. Kannst Fan eines kulturell halbwegs erträglichen Vereins, wie dem Club, oder Supporter der erklärten fußballerischen Oberschicht vom FC Bayern sein. Und solange du es nicht übertreibst, darfst du, nachdem du deinen Sitzplatz bezahlt hast, auch mal die Spieler und Fans anderer Vereine beschimpfen.
Wahlweise kann Mensch sich darüberhinaus vor dem TV mit den Ärschen abgehungerter 15-jähriger Nachwuchsmodels beschäftigen, den Weisheiten faschistoider FamilienrichterInnen lauschen, den gesellschaftlichen Aufstieg oder Absturz von angesagten oder abgehalfterten Mackern und Sternchen verfolgen, mit ausgefuchsten SozialpädagogInnen oder oberschlauen Bullen auf Streife gehen und unter hunderten sich prostituierender Dumpfbacken den Superstar suchen.
Wir können, taugt uns das nicht, auf den Sendeplätzen für den aufgeklärten Kleinbürger und für alle, die es gerne wären, Dokumentationen verfolgen, die uns die Welt erklären. Warum „unsere Jungs“ in Stalingrad scheiterten und wie ein Reißverschluss funktioniert – hier lernen wir es. Hier wird man nicht müde zu erklären, dass KommunistInnen zutiefst bösartige Menschen mit einem naturgegebenen Hang zur blutigen Diktatur sind und der Kommunismus deshalb auf keinen Fall ein Ausweg für die Probleme der Mehrheit sein kann, auch wen es manchmal so erscheint.   Warum unsere Löhne sinken müssen und selbstverständlich auch die soziale Absicherung abgebaut werden muss: hier zeigen uns Fachleute die Zusammenhänge und es gibt sogar immer wieder mal welche, die ein wenig dagegen reden dürfen. Warum Krieg eine Friedensmission ist und politisch links natürlich genau das Gleiche wie rechts ist, wird uns da all abendlich erklärt. Auf der anderen Seite gibt man sich kritisch der eigenen Regierung, dem Staat und – ja mensch hätte es vor hundertfünfzig Jahren nicht für möglich gehalten – sogar dem kapitalistischen Wirtschaftssystem gegenüber. Hier kann gespottet, informiert und aufgeklärt werden, hier dürfen zu später Stunde sogar mal die eigentlichen Ursachen für Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg, Hunger, Korruption, Gewalt und Elend angerissen werden, hier darf vieles gesagt und diskutiert werden, solange, ja solange nur keine Konsequenzen gezogen werden und die Kritik den gesellschaftlich vorgegebenen Rahmen nicht verlässt.
Wo ich schon mal in Stimmung bin, darf  in dieser Aufzählung darüber hinaus selbstverständlich auch das Internet, die Zeitung und das gute alte Buch nicht unerwähnt bleiben. Auch im Internet kannst und sollst du in erster Linie kaufen. Ob du dich dabei eher zu Programmen, Musik, Schuhen, Computerspielen oder Pornos hingezogen fühlst, bleibt dir überlassen. Was zählt ist, dass du bezahlst. Nicht viel besser sieht es auf dem Zeitungsmarkt aus und auch das Buch, das aufgeklärte sich besser dünkende Metropolenbürger zumeist in Form moderner Romane oder Krimis, auf dem Niveau von Vorabendserien wie Popkorn verschlingen, trägt in seiner Warenform längst mehr zur  Verdummung und Zuweisung gesellschaftlicher Verortung bei, als es der Bildung und Entwicklung der LeserInnen dient.
Wir alle leben hier mittendrin und gehören der kapitalistischen Warenwelt mit ihren ideologischen Vorgaben, sozialen und kulturellen Zuweisungen, leider viel mehr an, als die meisten von uns erkennen, geschweige denn sich bisher gegen sie auflehnen. Abfinden müssen und dürfen wir uns als revolutionäre Linke mit der ganzen Scheiße jedoch nicht. Revolutionär zu sein, kann nur heißen, den Dingen auf den Grund zu gehen, die gesellschaftlichen Normen, Regeln und Vorgaben, wie die Zuweisung unserer sozialen Stellung in Frage zu stellen, nicht zu akzeptieren und uns gegen die kapitalistische Klassengesellschaft aufzulehnen, ihre vorgegebenen Grenzen einzureisen und nach Erkenntnis und Möglichkeiten der Veränderung zu suchen. Akzeptieren wir also nicht länger, dass ein bestimmter Bildungsstand für uns vorgesehen ist, der unserer derzeitigen oder zukünftigen Stellung im Produktionsprozess entspricht. Nehmen wir es nicht länger hin, dass Wissen und Kultur ein Privileg der jeweils besser gestellten sein soll. Lassen wir uns nicht länger die bürgerliche Ideologie als Wahrheit und Erkenntnis verkaufen, nicht länger von den Hütern des kapitalistischen Marktes und seiner Profitinteressen vorgaukeln was wir brauchen.
Beginnen wir uns aufzulehnen, beschäftigen wir uns jenseits der ideologischen Vorgaben des Kapitals und seiner Sachwalter, jenseits der Guido Knopps, mit der eignen Geschichte, die die Geschichte der Klassenkämpfe ist. Beschäftigen wir uns jenseits bürgerlicher Ideologie, kommerzieller Interessen und einschnürender Sachzwänge mit der Entwicklung der menschlichen Erkenntnis, revolutionärer Theorie, Strategie und Taktik. Ob ihr dazu Filme das Internet, Musik, Zeitungen oder Bücher benutzt ist ersteinmal egal.
Und damit es in den kommenden Urlaubswochen nicht langweilig wird und nicht alle guten Vorsätze ruckzuck über Bord geworfen werden, haben wir hier einige Tips für euch zusammengestellt.

buch-revolution-und-bewaffnete-aufstaendeRevolution und bewaffnete Aufstände in Deutschland 1918 – 1923
Bernd Langer, AktivDruck – Verlag
Bernd Langer, autonomer Antifaschist, der vielen als Mitbegründer der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) und der kulturpolitischen Initiative Kunst und Kampf (KuK) bekannt ist, beschreibt in seinem neuen Buch ausgehend von der Novemberrevolution am Ende des 1. Weltkriegs, die das deutsche Kaisereich hinwegfegte, die Geschichte der bewaffneten Arbeiteraufstände in der Weimarer Republik.

Den Himmel stürmen – Eine Theoriegeschichte des Operaismusbuch-den-himmel-stuermen
Steve Wright, Verlag Assoziation A
Woher kommt die Autonome Linke in der BRD überhaupt? Einer der wichtigsten Ursprünge liegt wohl in der Theorie und Praxis der operaistischen, autonomen Linken in Italien.
„Den Himmel stürmen“ ist eine umfassende Darstellung der Geschichte und Theoriebildung der  Autonomia Bewegung und als solche absolut zu empfehlen. Es erzählt von Klassenkämpfen, Analysen und Erkenntnisse der italienischen GenossInnen und zeigt auch die Schwächen und Begrenzungen der Bewegung.

hoerbuch-germinalGerminal
Emile Zola, Hörbuch gelesen von Hans Helmut Dickow, HörEdition der Weltliteratur
Der Roman Germinal von Emile Zola erschien 1885 und liefert die packende Darstellung eines Bergarbeiterstreiks im nordfranzösischen Kohlerevier und erzählt von dessen blutiger Niederschlagung. Germinal entstand unter dem Eindruck eines 1884 niedergeschlagenen Streiks, schildert Arbeits- und Lebensbedingungen, Hunger, Kinderarbeit, Grubenkatastrophen und Löhne unter dem Existenzminimum, aber auch den aufkeimenden Widerstand und Klassenkampf. Der Kampf der Bergleute geht zwar verloren, doch Zola sieht auch Hoffnung im weiterem Keimen der Widersprüche: „Dieses Keimen würde bald die Erde sprengen“ lautet der letzte prophetische Satz des Buches, das wir auch hier als Hörbuch vorstellen, welches aber natürlich auch gelesen werden kann und mit Gerard Depardieu verfilmt wurde.

Erschienen in barricada – August/September 2010