Prozess gegen den Neonazi Peter Rausch
Gegen den Fürther Nazi Peter Rausch begann am 17. Februar ein Prozess wegen versuchten Totschlags vor dem Nürnberger Landgericht. Rausch hatte am 28. April 2010 einen jungen Antifaschisten am U-Bahnhof Plärrer brutal zusammengeschlagen.
In der Vergangenheit kam Rausch, der dem „freien Netz Süd“ zuzurechnen ist, mit äußerst milden Strafen davon. In manchen Fällen hatte die Staatsanwaltschaft sogar „kein öffentliches Interesse“ an der Verfolgung seiner Gewalttaten feststellen können und die Verfahren einfach eingestellt.
Vor diesem Hintergrund wird der Zweck der Vertuschungstaktik von Staatsanwaltschaft und Polizei nach Rauschs Tat im April deutlich: Offenbar brauchten die Herren Strafverfolger und Ermittler einige Zeit, bis sie erkannten, dass Rauschs Angriff diesmal nicht unter den Teppich gekehrt werden konnte. Dies hatte hauptsächlich zwei Gründe:
Zum einen lag das Tatopfer schwer verletzt im künstlichen Koma. Zudem waren bereits einen Tag nach Tat der neonazistische Hintergrund und die Identität des Schlägers der revolutionären Linken in Nürnberg bekannt. Innerhalb weniger Tage entstand ein breites Bündnis, das sofort die Pressearbeit aufnahm und sich am revolutionären 1. Mai und bei den 1. Mai Aktivitäten des DGB massiv gegen die Vertuschung des Naziangriffs aussprach. Aus diesem Bündnis entstand das Soli-Komitee gegen Rechts, das im Mai 2010 zwei große Doppeldemos zum Thema in Nürnberg und Fürth auf die Beine stellte. Die lokale Presse und die Süddeutsche Zeitung brachten angemessen ausführliche Berichte, sogar die Nürnberger Nachrichten sahen sich bald gezwungen, die Berichterstattung aufzunehmen.
SPDler verteidigt Rausch
Immerhin versuchte die Staatsanwaltschaft trotz der öffentlichen Aufmerksamkeit noch eine Weile, den faschistischen Hintergrund der Tat zu relativieren und dem beinahe totgeprügelten Antifaschisten eine Mitschuld zu unterstellen. Rauschs während des Angriffs anwesende Freundin versuchte gar eine Zeugin zu einer Falschaussage zu drängen. Sie wurde, wie ihr Lebensgefährte bisher, nur zu einer lächerlich geringen Strafe wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt. Wer das Engagement der Nürnberger und Fürther Justiz kennt, wenn es darum geht, AntifaschistInnen zu verfolgen und hart zu bestrafen (etwa für das Schreiben mit Straßenmalkreide), wundert sich vielleicht: Sitzen in der fränkischen Justiz lauter SympathisantInnen des FNS? Wohl kaum! Das besondere Interesse, das Polizei und Justiz daran haben, Peter Rausch und sein persönliches Umfeld zu schützen und selbst schwere Straftaten manchmal gar nicht zu verfolgen, deutet auf einen speziellen Nutzen hin, den Rausch für die Staatsorgane haben könnte.
Rausch schwenkte erst nach einiger Zeit auf die für seinen Fall passende Strategie ein. Zunächst hatte er sich von dem bekannten Nazianwalt und Holocaustleugner Stefan Böhmer vertreten lassen. Nach zwei Wochen engagierte er den ehemaligen Erlanger SPD-Stadtrat und selbsternannten Staranwalt Axel Graemer (SPD), dessen Aufgabe es war, den Fall zu entpolitisieren. Graemers Linie: Der Angriff des Kampfsportlers Rausch habe keinen politischen Hintergrund.
Im faschistischen Internetforum Thiazi wurden Rauschs Überlegungen hierzu offengelegt: Graemer sollte ihn nach Außen vertreten, im Hintergrund würde weiterhin der Nazianwalt aktiv bleiben.
„FaschistInnen entgegentreten – ?Zivilcourage zeigen! Keine Nazi-Umtriebe in Nürnberg Gerichtssälen!“
Unter diesem Motto mobilisierte das Soli-Komitee gegen Rechts zum Prozess gegen Rausch. Durch das massenhafte Erscheinen von AntifaschistInnen im historischen Saal 600 des Nürnberger Gerichts sollte es der Polizei unmöglich gemacht werden, wieder einmal Plätze in einem Nürnberger Gerichtsaal für NationalsozialistInnen zu reservieren. Bisher konnten Nazis unter dem Schutz der anwesenden Polizei das Gericht immer wieder nutzen, um die Opfer von faschistischen Gewalttaten zu verhöhnen und um AntifaschistInnen zu bedrohen und anzugreifen. Der diesmal angeklagte Peter Rausch hat sich in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang besonders hervorgetan.
Am ersten Prozesstag wurden dann auch ca. 20 Nazis von der Polizei in den Gerichtssaal eskortiert, während nicht nationalsozialistische Prozessbesucher stundenlang für die Vorkontrollen anstehen mussten. Nach der Mittagspause gelang es dann antifaschistischen ProzessbesucherInnen zu verhindern, den Nazis den erneuten Zugang zum Gerichtssaal zu verweigern. Das gefiel dem vorsitzenden Richter nicht, der – laut Abendzeitung wegen des „ideologischen Gleichgewichts“ – auch Nazis auf den Zuschauerbänken haben wollte. Die Polizeisondereinheit USK räumte dann, teilweise sehr brutal, den Gerichtssaal. Der Angriff eines Nazis auf eine Prozessbeobachterin – die dadurch erheblich verletzt wurde, blieb dagegen bisher ungeahndet. Die folgenden Prozesstage fanden in einem kleineren Saal statt. Einen ausführlichen Bericht zum Prozess gibt es in der nächsten Ausgabe.
Verurteilt wurde Peter Rausch am 3. Januar wegen schwerer Körperverletzung und Beleidigung zu 5 Jahren und sechs Monaten. Der Richter und die Schöffen sahen eine Tötungsabsicht als nicht erwiesen an.
Erschienen in barricada – März 2011