Nürnberger Kriegstagung trifft auf Protest

Bereits zum 12. Mal trafen sich am 24. und 25. Juni in Nürnberg BerufspolitikerInnen, Miltärs, WirtschaftsvertreterInnen und JournalistInnen zur „Nürnberger Sicherheitstagung“. Eingeladen hatte wieder die FDP-nahe „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ zusammen mit dem who-is-who der deutschen Militärvereine, wie z.B. der „Clausewitz-Gesellschaft“ und der „Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik.“ Die Haus- und Hof-Berichterstattung lieferte die ebenfalls in den Veranstalterkreis verstrickte Nürnberger Zeitung. Unter dem Titel „Die Bundeswehr im Auslandseinsatz – Politische Verantwortung und militärische Führung“ sollte laut Einladung „die Frage des ‚ob‘ der Auslandseinsätze ebenso kritisch“ erörtert werden wie ihre Umsetzung. Ein Blick auf das Programm der „öffentlichen“ Veranstaltung mit Voranmeldung genügte jedoch, um den kritischen Anspruch als reine Farce zu enttarnen. Gerade mal ein Redner von knapp 20 war als Auslandseinsatz-Gegner angekündigt. Der Rest der Programmpunkte drehte sich um das möglichst effiziente Umsetzen von deutschen Wirtschaftsinteressen mit Hilfe einer möglichst effizienten Bundeswehr.  Besonders deutlich wurde dies am Titel des letzten Wortbeitrags „Für eine schlagkräftigere Bundeswehr – Begründung der Reform 2011“ und daran, dass die abschließende Bewertung der Tagung von einem Generalleutnant a. D. vorgenommen wurde. Der auslandseinsatzkritische Beitrag von Taz-Korrespondent Andreas Zumach war also nur ein Feigenblatt. Aber vielleicht ist es trotzdem der zur Schau gestellte Gestus der Offenheit, der dafür gesorgt hatte, dass es gegen die Veranstaltung bisher kaum nennenswerte Proteste gegeben hatte. Dieses Jahr jedoch, gab es sogar an beiden Tagungstagen Gegenaktionen.

Kriegswaffen und Kriegsopfer

Am Freitag wurde die im Presseclub am Gewerbemuseumsplatz tagende Veranstaltung von etwa 20 AntimilitaristInnen besucht. Während im Gebäude vor dem Tagungsraum ortsansässige Unternehmen, darunter die Firma Diehl, unter anderem ihre Raketen und Bomben ausstellten, waren die teilweise als Kriegsopfer verkleideten AktivistInnen unerwünscht und wurden an der Türe abgewiesen.
Einige der Gruppen schafften es aber trotzdem in den Tagungsaal vorzudringen und gelangten bis vor das Rednerpult, wo sie die Versammlung  mit Parolen wie „Krieg dem Krieg überall bringt die NATO jetzt zu Fall“ und ähnlichem inhaltlich aufwerteten. Eine Person legte sich mit einem blutverschmierten T-Shirt vor den Eingang des Tagungsraumes, das die Aufschrifft  „Nur Banken und Konzerne sehen Kriegseinsätze gerne“ trug. Es dauerte nicht lange, bis die Staatsmacht in Form von zwei Polizeibeamten auftauchte, um den geplanten Ablauf der Tagung wieder herzustellen. Dies gelang ihnen auch mit großer Mühe. Bei dem abendlichen Spaziergang der Tagungsteilnehmer vom Gewerbemuseumsplatz zum Rathaus wurde dann Gerüchten zu Folge noch einem hohen Militär die Mütze geklaut und andere Tagungsteilnehmer bekamen die eine oder andere Meinung aus der Bevölkerung zu hören
Diese ist zu mehr als zwei Dritteln laut Umfragen für einen möglichst schnellen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan, dem derzeit größten Auslandseinsatz der Bundeswehr. Die Kriegstagungsteilnehmer wurden schließlich von Horst Förther (SPD) dem 2. Bürgermeister von Nürnberg im Rathaus empfangen.
Für den Samstag hatte das Antifaschistische Aktionsbündnis zu einer Kundgebung am Gewerbemuseumsplatz aufgerufen. An ihr nahmen, wohl wegen der sehr geringen Mobilisierung, nur etwa 30 Personen teil. Es konnten jedoch hunderte Flugblätter an PassantInnen verteilt werden, um über die Kriegstagung aufzuklären. Am Freitag hatte sich schon angedeutet, was am Samstag deutlich sichtbar wurde: Den VeranstalterInnen der Nürnberger Sicherheitstagung geht es darum, eine nach Außen möglichst pluralistische Haltung zu zeigen. Während der Kundgebung trat der Leiter der Kriegstagung, Hildebrecht Braun, an die KundgebungsteilnehmerInnen heran, um ihnen „anzubieten“ auf der Tagung zu sprechen und zu diskutieren.  Dieses „Angebot“ wurde mit deutlichen Worten abgelehnt. Keiner der AntimilitaristInnen wollte mit Kriegsbefürwortern und Militärs diskutieren. Ein Teilnehmer der Kundgebung verkündete über das Mikrophon dann: „Auch wenn sich die Veranstalter noch so  pluralistisch geben: Sie stehen für eine mörderische Kriegspolitik, die derzeit in der Bevölkerung breit abgelehnt wird. Die Aufgabe von AntimilitaristInnen ist es nicht, mit den für Krieg verantwortlichen PolitikerInnen und MilitärstrategInnen in Dialog zu treten, sondern diese daran zu hindern weiter weltweit blutig die Interessen des Kapitals durchzusetzen. Das geht nur mit klaren Positionen: Bundeswehreinsätze verhindern  und die Bundeswehr abschaffen.“
Die in bestimmten militaristischen und politischen Kreisen vielbeachtete Nürnberger Sicherheitstagung ist ein Ort, wo in gemütlicher Debatte die zukünftigen Kriege informell vorbereitet werden. Deshalb ist antimilitaristischer Protest genau an dieser Stelle sinnvoll, da mit dieser Tagung versucht wird, für die Kriegspolitik auch nach Außen Mehrheiten zu schaffen. Warum allerdings nicht schon früher von KriegsgegnerInnen diese Kriegsveranstaltung zum Thema gemacht wurde, bleibt ein Rätsel.


Erschienen in
barricada – Sommer [I] 2011