Neonazi Gerd Ittner festgenommen
Im März 2012 erhielt die Nürnberger Staatsanwaltschaft Nachricht aus Portugal, dass der Aufenthaltsort des seit Jahren gesuchten Zirndorfer Neonazis Gerhard „Gerd“ Ittner nunmehr bekannt sein. Einige Wochen später (Ittner hatte den ihm gewährten Vorsprung nicht genutzt), am 11. April, nahmen die portugiesischen Behörden Ittner schließlich fest. Wiederum einige Wochen danach bekam die Nürnberger Abendzeitung Wind von der Angelegenheit und zwang so die Staatsanwaltschaft, die Verhaftung des Neonazis bekanntzugeben. Bislang ist Ittner noch in Portugal in Haft. Über den gestellten Auslieferungsantrag an Deutschland wird noch entschieden.
Ittner gehört seit Jahrzehnten zum harten Kern der militanten Nationalsozialisten. Jahrelang versuchte er die Region mit Aufmärschen zu terrorisieren und engagierte sich in führender Position in der „Bürgerinitiative Ausländerstop“
Während einer, wie so oft in Nürnberg, von der Polizei gegen antifaschistischen Widerstand gewaltsam durchgesetzten nationalsozialistischen Kundgebung 2003 hatte Ittner als Redner Parolen und Drohungen von sich gegeben, die den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Ittner imitierte zudem an diesem Tag sein großes Vorbild Adolf Hitler.
Die Nürnberger Polizei ermöglichte Ittners Straftaten an diesem Tag, begangen am Frankenstadion auf dem ehemaligen Gelände der Reichsparteitage. Sie ging auch diesmal nicht gegen Naziverbrecher wie Ittner vor, sondern prügelte mit Fäusten und Schlagstöcken auf AntifaschistInnen ein.
Übrigens sei noch einmal daran erinnert, was die berüchtigte Journalistin Sabine Stoll in den Nürnberger Nachrichten über die autonomen Proteste gegen diese Kundgebung Ittners zu berichten hatte:
„Die „Organisierte Autonomie Nürnberg“ kocht ihr eigenes Süppchen, verbreitet lieber Uralt-Parolen. Die tapferen Vorkämpfer verkriechen sich dafür auf der Ladefläche eines Kleinlasters. Keine Namen, am besten keine Gesichter, weil sie die Neonazis und speziell den Staat sehr, sehr fürchten.“ Während der Demo war ihr erklärt worden, was die Anti-Antifa ist. Der NSU hatte das Morden bereits begonnen.
Da Ittner einschlägig vorbestraft war und gerne auch Journalisten und StaatsanwältInnen mit dem Tod bedroht, gerieht er einige Zeit nach dem Aufmarsch am Frankenstadion in Untersuchungshaft. Doch nach wenigen Wochen setzte die Nürnberger Justiz den Vollzug der Untersuchungshaft außer Kraft und ermöglichte Ittner so die Flucht. Zunächst wartete Gerhard Ittner allerdings den Prozessverlauf ab. Am 18. und letzten Verhandlungstag erschien er dann nicht mehr. Dass Nazis in Nürnberg eher nicht in Untersuchungshaft kommen ist hinlänglich bekannt. Wie der Fall Kai Zimmermann (Aktivist im Anti-Antifa-Netzwerk) aktuell zeigt, müssen auch rechtskräftig wegen Körperverletzung verurteilte Nazis ihre Haftstrafe nicht unbedingt antreten. Gilt bei Zimmermann eine Praktikumsstelle als Grund für den Haftaufschub, dürfte bei Gerhard Ittner vermutlich seine Berufsangabe als „Sachwalter des deutschen Reiches“ darauf hingedeutet haben, dass eine Fluchtgefahr nicht gegeben ist.
Ittner und der NSU
Vieles deutet darauf hin, dass auch Gerhard Ittner zum fränkischen Teil des nationalsozialistischen Terrornetzwerks gehört, dessen Zwickauer Ableger mindestens neun Migranten und eine Polizeibeamtin ermordete.
Ittner hatte beste Kontakte nach Thüringen und war im Umfeld von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos aktiv. Mehrmals trat er in diesem Zusammenhang in Thüringen als Redner auf, unter anderem für den „Thüringer Heimatschutz“. Auch im Umfeld des NPDlers Patrick Wieschke war Ittner zugange. Wieschke wurde verurteilt, weil er andere Nazis dazu angestiftet hatte, im August 2000 in Eisenach einen türkischen Imbiss in die Luft zu jagen. Er war kurz nach der Explosion in Tatortnähe festgenommen worden.
Doch es gibt ein weiteres Indiz, dass Ittner in die Pläne des NSU involviert war. Ende August 2000 rief er auf einem von ihm verteilten Flugblatt das „Unternehmen Flächenbrand“ aus. Darin hieß es: „1. September 2000 – von jetzt ab wird zurückgeschossen.“ Am 9. September beging der NSU seinen ersten Mord in Nürnberg. Wir sind gespannt darauf, wie die Nürnberger Justiz versuchen wird, Ittners Beteiligung nicht zum Gegenstand der Ermittlungen werden zu lassen.
Erschienen in barricada – Juni 2012