Munich Security Conference

Ein Kriegstreffen und der notwendige Protest dagegen

Das Kapital ist international und monopolitisch geworden. Die Welt ist aufgeteilt unter ein Häuflein von Großmächten, d.h. von Staaten, die in der großangelegten Ausplünderung und Unterdrückung der Nationen die größten Erfolge zu verzeichnen haben.

W.I. Lenin

Vom 6. bis 8. Februar 2015 soll in München die 51. sogenannte Sicherheitskonferenz stattfinden. Auf diesem berüchtigten Treffen wird seit 1963 (zunächst unter dem Namen Wehrkundetagung) internationale Kriegspolitik der imperialistischen Staaten besprochen. KriegspolitikerInnen, Militärs, VertreterInnen der Waffenindustrie und MeinungsmacherInnen tauschen sich hier aus. Strategische Neuerungen und zukünftige Kriegsfelder werden oft ein erstes mal auf der Münchner Siko vorgestellt. Die internationalen Machteliten und ihr politisches, militärisches (und nachgeordnet auch journalistisches) Personal klopfen hier oft Verständigungen über gemeinsames militärisches Vorgehen zur Sicherung der globalen Vorherrschaft der imperialistischen Mächte fest.
Auf der Website der Munich Security Conference heißt es, bezüglich der Ukraine-Krise und der Inselstreitigkeiten im Pazifik, dass es dabei im Kern um sehr viel mehr ginge, nämlich um die grundlegenden Regeln der internationalen Ordnung.
Nach Willkommensworten des Vorsitzenden der „Sicherheitskonferenz“ wird die 51. Siko eröffnet werden mit einer Rede des Bundespräsidenten der BRD, Joachim Gauck, der sich kürzlich zum Sprachrohr eines offensiveren und offeneren deutschen Militarismus gemacht hat. Auf dem Programm stehen danach Themen wie „Freiheit vs. Sicherheit im Cybespace“, „die Zukunft der europäischen Verteidigung“, „Energie- und Klimasicherheit“, der mittlere Osten und speziell Syrien, „globale Macht und regionale Stabilität“ und natürlich die Entwicklungen in Osteuropa.
Daneben wird es Reden geben von u.a. Kriegsministerin Ursula von der Leyen, dem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, dem ehemaligen NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, dem deutschen Aussenminister Steinmeier und vom US-Staatssekretär Henry Kissinger. Moderiert und begleitet werden etliche der Veranstaltungen auch von JournalistInnen etwa der Financial Times, der BBC oder dem „Zeit“-Herausgeber Joffe.
Auch innerhalb des wichtigsten imperialistischen Blocks, der aus den sogenannten westlichen Mächten des kalten Krieges hervorgegangen ist, gibt es zwar Widersprüche, jedoch auch übereinstimmende Interessen. Für die militärische Umsetzung dieser Interessen verfügt dieser Block über die NATO, eine Kriegsallianz, die rund um den Globus im Dienste der reichsten kapitalistischen Länder mordet.
Zu konsequenter antikapitalistischer Politik gehört es, das Kriegstreffen im Münchner Hotel „Bayerischer Hof“ nicht unwidersprochen und ohne Proteste über die Bühne gehen zu lassen.
Ein breites Bündnis ruft für Samstag, den 7. Februar 2015 zu einer Großdemonstration gegen die NATO-Kriegskonferenz in München auf. Auftakt der Demo ist um 13:00 Uhr am Marienplatz. Für die gemeinsame Fahrt mit dem Bus nach München gibt es Tickets im Stadtteilladen Schwarze Katze in Gostenhof sowie im Archiv Metroproletan.
Gegen Krieg, Krise und Kapitalismus, gegen die NATO-Kriegskonferenz rufen die organisierte autonomie (OA) und die Revolutionär organisierte Jugendaktion (ROJA) dazu auf, sich am antikapitalistischen Block zu beteiligen.
Das organisierte Verbrechen der herrschenden Klasse hat Orte, an denen es organisiert wird. Die sogenannte Münchener Sicherheitskonferenz ist einer dieser Orte. Der Widerstand gegen diese Treffen sollte für die Linke, mehr noch für die radikale Linke, eine Selbstverständlichkeit sein.

Militarisierung und Kriegsvorbereitungen

Pfarrer und Bundespräsident Joachim Gauck hat eine Lieblingsrolle: Opfer des schrecklichen Unrechtsregimes in der DDR. Seit einiger Zeit wird eine weitere Rolle in seinem politischen Leben immer wichtiger: Die des Vorbeters einer weiteren Militarisierung der deutschen Außenpolitik und der Gesellschaft. In seiner Eröffnungsrede der 50. sogenannten Sicherheitskonferenz in München im Januar 2014 unterstellte Gauck KriegsgegnerInnen und AntimilitaristInnen „Weltabgewandtheit und Bequemlichkeit“. Damit meint Gauck durchaus auch die Mehrheit der Menschen in Deutschland, die Auslandseinsätze der Bundeswehr nach wie vor ablehnt. Er behauptete, Freihandel würde sich auf Frieden reimen und Warenhandel auf Wohlstand. Dies zeigt, dass er weder Germanist noch Historiker ist. Einem Theologen freilich fällt es nicht schwer, solcherlei Unsinn zu reden. Anlässlich einer Gedenkfeier zum Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen 1939 sagte Gauck mit Blick auf Russland und die Ukrainekrise: „…stellen wir uns jenen entgegen, die internationales Recht brechen, fremdes Territorium annektieren und Abspaltung in fremden Ländern militärisch unterstützen. Und deshalb stehen wir ein für jene Werte, denen wir unser freiheitliches und friedliches Zusammenleben verdanken. Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen.“ Bereits in seiner Rede zum „Tag der deutschen Einheit“ am 3. Oktober 2013 hatte Gauck darauf gepocht, Deutschland müsse wieder eine größere Rolle „in Europa und der Welt“ spielen und hierzu seien unter Umständen eben auch neue Einsätze der Bundeswehr nötig. Deutschland, so Gauck, könne sich aus „politischen, militärischen und ökonomischen Konflikten“ nicht mehr heraushalten.

Mobilmachung der öffentlichen Meinung

Gaucks Vorstöße und sein präsidialer Beitrag zur Militarisierung der Gesellschaft und der Vorbereitung neuer Kriege mit deutscher Beteiligung sind weder spontan noch sein privates Steckenpferd. Sie wurden lange vorbereitet und sind Teil einer konzertierten Aktion von Politik, Militär und Medien. In diesem Falle übernahm die Koordinierung und Planung die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Etwa 50 VertreterInnen der deutschen Außenpolitikelite, Militärs, Bundestagsabgeordnete von CSU bis Linke, Vertreter von Thinktanks und NGOs und JournalistInnen hatten mehr als ein Jahr an einem Projekt dieser Stiftung bezüglich einer aggressiveren deutschen Außenpolitik mitgearbeitet. Am Ende Stand die Veröffentlichung eines Papiers mit dem Namen „Neue Macht – Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch.“ In dem Papier wird konstatiert, Deutschland müsse in Zukunft „öfter und entschiedener führen“, um seine wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen weltweit durchzusetzen. „Deutschlands Geschichte“, so die Autoren des Papiers, „seine Lage und knappe Ressourcen werden es dabei immer wieder veranlassen, konkrete strategische Ziele mit Augenmaß zu formulieren.“ Da Deutschland eine Handels- und Exportnation ist, brauche es „die Nachfrage aus anderen Märkten sowie Zugang zu internationalen Handelswegen und Rohstoffen.“ Wie die herrschende Weltordnung, von deren Bestehen die herrschende Klasse abhängig ist, global weiter durchgesetzt werden soll, weiß das Papier auch: „Instrumente deutscher Sicherheitspolitik“ seien „ein Nebeneinander der zivilen, polizeilichen und militärischen Kräfte.“ Und zwar „von humanitärer Hilfe über Beratung, Unterstützung, Aufklärung und Stabilisierungsoperationen bis hin zum Kampfeinsatz.“
Ein zentraler Punkt des Papiers ist die Überwindung der „Legitimationsprobleme im Innern“, also des Kriegsunwillens einer skeptischen Öffentlichkeit. Wen beauftragt die herrschende Klasse am besten mit Kriegspropaganda? Bürgerliche JournalistInnen! Die „Zeit“ berichtete über das Projekt unter dem Titel „Kurs auf die Welt“ und vermittelte den LeserInnen auch gleich die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des aggressiveren Kurses.
Verfasser des Artikels waren die Zeit-Redakteure Matthias Nass und Jochen Bittner. Praktischerweise war Bittner auch gleich Teilnehmer an dem Projekt, über das er nun berichtete. Doch darüber verliert der Artikel kein Wort. Bittner ist eng mit deutschen und US-amerikanischen strategischen und geopolitischen Think-Tanks verbandelt. Er agitiert nicht nur in der „Zeit“, sondern beklagt beispielsweise auch in der New York Times den„deutschen Pazifismus“ und fordert offen mehr Militäreinsätze.
Eine weitere zentrale Figur ist der „Zeit“-Mitherausgeber Joseph Joffe. Dieser ist nicht allein in die Münchner Sicherheitskonferenz und ebenfalls in diverse Thinktanks involviert, sondern agiert auch hinter den Kulissen, um die deutsche Kriegspropaganda zu gestalten und zu koordinieren.
Bundespräsident Gauck wird in seiner Rede zur Münchner Sicherheitskonferenz 2015 wieder auf die von MilitärstrategInnen, AußenpolitikexpertInnen und JournalistInnen vorbereiteten Argumente für eine aggressive Kriegspolitik Deutschlands zurückgreifen – womöglich mit noch größerer Deutlichkeit als bisher. Schützenhilfe bekommt er hierfür von führenden PolitikerInnen aus CSU/CDU, SPD, Grünen und auch einzelnen Funktionären der Partei Die Linke. Die Rückkehr des deutschen Militarismus wird mit großem Aufwand und gut geplant vorbereitet. Der Widerstand dagegen ist jedoch immer noch ungenügend und viel zu passiv.

Krieg und alles andere

Der Kapitalismus ist ein verbrecherisches System, das permanent morden muss und immer weitere Kriege hervorbringen wird, wenn es nicht endlich gestoppt wird. In „Friedenszeiten“ bzw. eher temporären „Friedensgebieten“ sorgt der Kapitalismus auch für Verbrechen. „Friede“ ist nur ein zeitweiliger Sonderzustand des Imperialismus. Ein großer Teil der Flüchtlinge, die weltweit gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, flieht vor Kriegen oder deren Auswirkungen.
Die Proteste und der Widerstand gegen die Bedingungen, unter denen Flüchtlinge untergebracht und verwaltet werden und dass sie gegebenenfalls kriminalisiert werden, ist notwendig und wichtig, der soziale Widerstand ist notwendig und wichtig, desgleichen fortschrittliche Kämpfe in allen Teilgebieten. Auch Proteste gegen einzelne Kriege oder einzelne Aspekte des Militarismus und der Militarisierung müssen sein. Jedoch ist es unerlässlich, die PlanerInnen des Mordens bei ihren strategischen Treffen und Propagandashows nicht in Frieden zu lassen.
Die in Rojava getöteten Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Elend im Mittelmeer ertrinkenden, die in Mexiko ermordeten StudentInnen, all die Menschen, die der globale Kapitalismus an Hunger oder heilbaren Krankheiten sterben lässt: Sie alle sind Opfer der herrschenden Klasse, die für ihre Interessen töten und sterben lässt.
Gegen Kriegstreiberei und Kriegsplanung muss eine antikapitalistische Linke auf allen Ebenen und in allen Bereichen vorgehen. Für eine wahrnehmbar antikapitalistische Ausrichtung der Proteste der Antikriegsbewegung muss eine radikale Linke wieder mehr als in den vergangenen Jahren zur Demonstration gegen die SIKO nach München mobilisieren, dorthin, wo die Kriegsplaner sind.

Samstag, 7. Februar 2015 um 13:00 Uhr am Marienplatz in München: Großdemonstration.
Kundgebung der Revolutionär organisierten Jugendaktion (ROJA) und der organisierten autonomie (OA) am 31.1. Hallplatz

Erschienen in barricada – Januar/Februar 2015