Links in Bewegung – Juni 2009
Lagerschlussverkauf AntirassistischeAktionstage in München
Bayern ist durchzogen von einem System aus Lagern. Knapp 8000 Flüchtlinge werden durch Gesetz gezwungen in Lagern zu leben. Ziel dieses menschenverachtenden Systems ist es, die im Lager untergebrachten Menschen durch verschiedene Schikanen dazu zu bringen, Deutschland „freiwillig“ zu verlassen bzw. die „Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland“ zu fördern, wie es euphemistisch von den Behörden genannt wird. In den 118 bayrischen Lagern leben die Menschen ein weitgehend entrechtetes, von der Gesellschaft isoliertes Leben. Die Privatsphäre wird ihnen genommen (bis zu acht Personen müssen sich ein Zimmer teilen) und sie sind Übergriffen durch Lagerpersonal und Polizei fast schutzlos ausgeliefert. Viele Beispiele, wie zuletzt der Prozess gegen einen Hausmeister in Nürnberg, der seine Machtposition in einem Lager mißbrauchte und Frauen vergewaltigte, zeigen, dass diese Übergriffe stattfinden und strukturell durch das Lagersystem erst möglich werden. Durch die rechtlose Stellung im Lager werden auch Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, zum Vorwand für Polizeirazzien: So stürmten im Mai letzten Jahres Polizisten das Fürther Abschiebelager um Fernseher und Kühlschränke der LagerbewohnerInnen zu beschlagnahmen, da Flüchtlinge diese Gegenstände nicht besitzen dürfen.
Seit Jahren kämpfen Migrantinnen und antirassistische Gruppen gegen dieses Lagersystem. In mehreren Bundesländern wurden die Lager als Ergebnis dieses Kampfes wieder abgeschafft. Auch in Bayern wurden schon einige der schlimmsten Lager durch öffentlichen Druck geschlossen. Nach der letzten Landtagswahl scheint nun auch die Perspektive, alle Lager abzuschaffen ein Stück näher gerückt zu sein. Die CSU hat ihre absolute Mehrheit verloren und war gezwungen, eine Koalition mit der FDP einzugehen. Die neuen Kräfteverhältnisse im Landtag und der stetige Druck durch öffentliche Aktionen gegen das Lagersystem führten im April zu einer ExpertInnenanhörung im Landtag, bei der zwei geduldete Flüchtlinge als Delegierte des „Deutschland Lagerland“-Netzwerks von ihren Erfahrungen aus den Lagern berichten konnten. Das Netzwerk, das seit 2002 mit seiner Kampagne gegen Flüchtlingslager, Abschiebungen und für ein Bleiberecht für Flüchtlinge kämpft, hält eine Änderung des Gesetzes, das den Lagerzwang regelt, für sicher. Allerdings wird befürchtet, dass zwar der Lagerzwang für einzelne Flüchtlingsgruppen, aber nicht für alle aufgehoben wird. Deshalb soll mit Aktionstagen vom 11. bis 14. Juni in München deutlich gemacht werden, dass es Flüchtlingen und ihren UnterstützerInnen um die Abschaffung aller Lager geht. Gefordert wird, dass Flüchtlinge in Wohnungen wohnen können und die Möglichkeit haben, ihren Wohnort selbst zu bestimmen. Im Aufruf, der von zahlreichen Flüchtlings- und Antira-Gruppen, aber auch von Antifaschistischen Zusammenhängen und der Fußball-Fangruppierung Schickaria München getragen wird heißt es: „Migration ist kein subjektloser Prozess. Flüchtlinge und Migrant_innen sind keine Opfer, sondern bewusst handelnde Individuen. In vielen Orten kämpfen Flüchtlinge und Migrant_innen erfolgreich für ihre Rechte. Dadurch konnten Abschiebungen verhindert und Lager geschlossen werden. Durch Proteste und Widerstand von Lagerbewohner_innen konnten die Machtspielräume und die Willkür von Lagerpersonal und Behörden in einigen Bereichen eingeschränkt werden. Das Vermitteln der eigenen Situation und von gemeinsamen Forderungen in die Öffentlichkeit war dabei stets ein wichtiges Mittel, um eigene Ziele zu erreichen.“
Vom 11. bis zum 14. Juni soll dieses Vermitteln in der Öffentlichkeit stark konzentriert in München betrieben werden. Geplant sind zahlreiche Aktivitäten, darunter eine Dauerkundgebung am Stachus von Donnerstag bis Samstag und eine Demonstration. Der Kampf um die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen ist selbstverständlicher und unverzichtbarer Teil des Kampfes für die Rechte aller Menschen.
Räumung in Erfurt – Spontandemo in Nürnberg
Gedeckt von Scharfschützen und unter Einsatz von Gas und Wasserwerfern wurde ein seit acht Jahren besetztes Haus durch die Polizei in Erfurt brutal geräumt. Aus Solidarität mit den BesetzterInnen wurde in der Nürnberger Innenstadt eine Spontandemo durchgeführt. Lautstark gings durch die Innenstadt und den zu spät gekommenen Polizeikräften blieb am Schluss nur noch, einige vermeintliche TeilnehmerInnen zu stressen.
Banküberfall – ein Weg aus der Krise?
Am Dienstag, den 19.5. hat ein aus sieben Personen bestehendes Kommando der Rebel Clown Army die Deutsche Bank in der Karolinenstraße heimgesucht. Das Kommando hatte ein Wertpapier im Gepäck. Das seinen Wert nie verlierende Wertpapier namens Klopapier, verteilten sie mit dem gut gemeinten Ratschlag in der Filiale: „Dass mit Hilfe von Klopapier, das dreckige Geschäft viel hygienischer zu verrichten sei“. Keinen Spaß verstand wie immer die Führungsetage: „Ihr werdet alle einkassiert“ prophezeite ein traumatisierter Möchtegernackermann. Die vorher herbeigerufenen Schutzmänner sorgten dafür, dass ein Bankmanager zumindest einmal in den letzten 5 Jahren mit einer Einschätzung, die nicht sein eigenes Konto betraf, Recht behielt. Das Kommando wurde kassiert und einige sogar mitgenommen, alle sind jedoch wieder auf freien Fuß.
Unsere Wertung: volle Punktzahl, gute Aktion!
Zu Besuch bei TØNSBERG
Einen erneuten Besuch dürften sich die MacherInnen des Tonsberg-Nazi-Shops in diesem Fall von ihren Gästen wohl kaum wünschen! Unbekannte AntifaschistInnen haben dem Naziladen offensichtlich einen Besuch abgestattet, Fenster und Tür des Ladens gingen dabei zu Bruch.
Aus unserer Reihe zu Besuch bei TØNSBERG – das Monument der Beleidigung
Am 5.6. hat die Verdi-Jugend vor dem Nazieinkaufsparadies Tonsberg in der Nürnberger Innenstadt ein „Monument der Beleidigung“ aufgestellt. An der Aktion Beteiligte wie PassantInnen konnten auf dem Monument ihrer Empörung über das Nazi-Pack freien Lauf lassen.
barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – Juni 2009