Der revolutionäre 1. Mai 2014 – Auftakt für ein revolutionäres 2014?

Gestartet in den revolutionären Kampftag der ArbeiterInnenklasse wurde dieses Jahr in der Region Nürnberg – wie schon in den letzten Jahren – in Fürth. Dort hatten die Jugendantifa Fürth (JAF) und die Antifaschistische Linke Fürth (ALF) zu einer Vorabenddemonstration zum 1. Mai aufgerufen. Unter dem Motto „Nazis bekämpfen – Kapitalismus abschaffen – gemeinsam entschlossen solidarisch“ zogen ca. 300 Menschen durch die Straßen Fürths. Weiter ging es dann am nächsten Tag in Nürnberg.

„Krise ist unser Alltag im Kapitalismus, unser Alltag ist Widerstand“ lautete das Motto der diesjährigen revolutionären 1. Mai-Demonstration. Aufgerufen hatte auf Initiative der organisierten autonomie (OA) erneut ein etwa zwei Dutzend Gruppen umfassendes Bündnis, dessen Spektrum von DKP und Solid über Flüchtlings- und Frauenorganisationen bis hin zu Antifagruppen und anderen antikaptialistischen Organisationen reicht. Etwa 2500 Menschen waren dem Aufruf zur Demonstration gefolgt, womit sich die Beteiligung an der revolutionären 1. Mai-Demonstration seit drei Jahren stabil geblieben ist. Insgesamt fand die Nürnberger revolutionäre 1. Mai-Demo dieses Jahr zum 23. Mal statt. Neben den Demonstrationen in Berlin und Hamburg, gehört die Nürnberger Demonstration zu den größten regelmäßig stattfindenen linksradikalen Ausdrücken in der BRD.

Gegen das EU-Krisenregime!

Das Motto und der Aufruf bezogen sich schwerpunktmäßig auf die Krisenpolitik der Herrschenden. Sowohl im Aufruf, als auch auf der Demonstration waren besonders die Kriesenpolitik der EU und die anstehenden Mobilisierungen dagegen präsent. Es wurde dazu aufgerufen, sich kollektiv dem Konkurrenzsystem Kapitalismus entgegen zu stellen und der kapitalistischen (Krisen-)Logik den Kampf anzusagen: „Lasst uns den Spieß umdrehen, lasst uns gemeinsam und organisiert im Alltag für unsere Interessen kämpfen und dem Kapital in die Suppe spucken. Organisieren wir uns lokal, vernetzen uns europa- und weltweit. Heraus zum 1. Mai – in Nürnberg und überall! Schlagen wir zurück gegen unsere UnterdrückerInnen! Gegen Staat und Kapital, gegen deutsches Großmachtstreben und gegen ein Europa der Banken und Konzerne. Für internationale Solidarität, Basisdemokratie und den freien Kommunismus! Tragen wir unseren Widerstand zu den Symbolen der Macht. Leisten wir Widerstand, wenn sich das kapitalistische System selbst feiert, wie im Herbst zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt! Machen wir Kapitalismus und Krise zur Vergangenheit! Lasst uns zusammen auf die Straße gehen, für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung! Für einen revolutionären 1. Mai und einen Herbst des europäischen Aufstands!“ So endete der Aufruf der OA und des Bündnisses. Deshalb verwunderte es kaum, dass auch die Mobilisierung gegen die geplante Eröffnung der Europäischen Zentralbank ein großes Thema der Demonstration war. Die OA hatte auch lange davor angekündigt, dass die Demonstration zwar auch in diesem Jahr einen spektren- und themenübergreifend Ausdruck hat, jedoch auch ganz klar als Teil der Mobilisierung nach Frankfurt begriffen werden soll. In ihrem Bericht zum 1. Mai schrieb die OA dann auch: „Nicht zuletzt ist der 1. Mai in diesem Jahr für uns auch der Auftakt für die Mobilisierung gegen die Eröffnung des Hauptgebäudes der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB ist ein wichtiger Akteur der kapitalistischen Krisenpolitik, unter der Millionen Menschen in Europa leiden. Als Teil der sogenannten Troika, ist die EZB (zusammen mit der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds) maßgeblich für deren Verelendungsvorschriften und Privatisierungen verantwortlich.“

Die Demonstration startete wie üblich an der Ecke Gostenhofer Hauptstr./Bauerngasse. Bereits nach wenigen Hundert Metern wurden mit Hilfe eines großen Transparents mit der Aufschrift „Refugees welcome“ den BewohnerInnen einer Asylunterkunft solidarische Grüße übermittelt. Die Demonstrationsroute wurde absichtlich so gestaltet, dass sie an zwei Asylbewerberheimen vorbei führte. Weiter ging es durch die Nürnberger Innenstadt. In der Nähe des DGB-Straßenfestes gab es solidarisch-kritische Grüßen an die BesucherInnen der DGB-Kundgebung. Während der Demonstration wurde auch eine Zeitarbeitsfirma und der Nürnberger Sitz des Pharmakonzerns Novartis mit Farbe angegriffen.

Besonders erfreulich war in diesem Jahr die relative Abwesenheit von Staatsbütteln. Die Polizei hatte zwar zahlreiche Bereitschaftspolizisten und USK-Schläger in Seitenstraßen postiert, die jedoch selten zu sehen waren. Es kam daher nur zu wenigen Kontakten mit DemonstrationteilnehmerInnen und kaum zu Vorkontrollen. Das dürfte vor allem aber weniger der Rechtstreue der Polizei sondern mehr der sehr engagierten Arbeit des bereits zum dritten Mal eingesetzten Dokumentations-Teams zu verdanken sein. Diese dokumentierten mit Foto und Videokameras das Agieren der Polizei rund um den Auftaktplatz. Aber das Doku-Team beließ es nicht dabei zu beobachten. Die AktivistInnen klärten die BesucherInnen der Mai-Demo an den Wegen zum Auftakt über ihre Rechte bei Vorkontrollen auf und forderten, solidarisch mit anderen zu agieren und in größeren Gruppen auf den Platz zu gehen. Diese Strategie war so erfolgreich, dass es diese Jahr und in den letzten Jahren kaum noch Durchsuchungen bei den Teilnehmern gab. Noch einige Jahre zuvor kontrollierte und durchsuchte die Polizei fast alle BesucherInnen. Als vor einigen Jahren die DemonstratInnen teilweise schon bei der Polizei anstanden, um sich kontrollieren zu lassen, wurde die Idee des Doku-Teams und eines kollektiven Umgangs mit den Kontrollen entwickelt, um die Kontroll-Praxis der Polizei zu stören. Ein in der BRD durchaus nicht selbstverständlicher Erfolg. Mit Blick auf andere Städte und Demonstrationen, bei denen die Polizei leider ungestraft und ungeniert agieren kann wie die Axt im Walde ein Konzept, von dem durchaus abgekupfert werden könnte.

Internationalistisches Straßenfest

Nach der Beendigung der revolutionären 1. Mai-Demo in Gostenhof feierten dann noch mehrere Tausend Demo-TeilnehmerInnen, aber auch BewohnerInnen des Stadtteils Gostenhof auf dem Internationalistischen Straßenfest. Bands aus diesmal vier verschiedenen Ländern sorgten für Live-Musik. Obwohl dieses Jahr der Glockendonpark wegen einer Rasenanpflanzung gesperrt war, tat das der Stimmung keinen Abbruch. Nach einiger Zeit wurde der Park dann auch von einigen Unbekannten, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Fest standen, durch Entfernung eines Absperrgitters inoffiziell eröffnet – ganz ohne Oberbürgermeister Maly.
Alles in allem zeigte der revolutionäre 1. Mai in Nürnberg vor allem, dass die revolutionäre Linke nicht so marginal ist, wie oft behauptet wird. Dass es in Bayern eine solche Demonstration gibt, durchsetzungsfähig, radikal und gut besucht, macht Hoffnung und zeigt, dass mit kontinuierlicher Basisarbeit einiges erreicht werden kann. Für die OrganisatorInnen ein toller Erfolg, auf den es nun im weiteren Verlauf des Jahres 2014 aufzubauen gilt. Ein Jahr, in dem noch vieles passieren kann und wird.

Erschienen in barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – Juli/August 2014