Demo gegen Angriff auf Gewerkschaftsfreiheit
Am letzten Freitag im Januar trafen sich ca. 25 Menschen vor dem Nürnberger Justizgebäude zu einer Demonstration. Kämpferisch, laut und in guter Stimmung zogen sie zum Gewerkschaftshaus am Kornmarkt. Hintergrund ist ein gewerkschaftlicher Kampf in Berlin und diesbezügliche Einschüchterungsversuche der Klassenjustiz.
Das Berliner Kino Babylon Mitte ist eine Klitsche, wie es viele gibt: Miese Löhne und üble Arbeitsbedingungen, eine selbstherrliche Geschäftsleitung, die sich über geltendes Recht und die Rechte der Belegschaft hinwegsetzt, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Geschäftsführer des Kinos wünschen keine Betriebsratsverseuchung und möchten eine gewerkschaftsfreie Zone im Babylon erhalten. Sie befinden sich trotzdem nicht im Gefängnis, sondern leiten weiterhin den Betrieb. Soweit, so normal und kriminell. Zwei Dinge machen das Babylon zu etwas Besonderem: Der Ausbeuterbetrieb ist halbkommunal (im von SPD und Linkspartei regierten Berlin) und Schauplatz von alternativen und “linken??? Veranstaltungen. Das Filmprogramm ist teils auch auf links getrimmt und würdigt aktuell z.B. Rio Reiser. Wichtiger jedoch: Teile der Belegschaft haben sich organisiert, Ende 2008 einen Betriebsrat installiert und wenig später eine Betriebsgruppe der Freien ArbeiterInnen Union FAU) gegründet, um zunächst einmal “Mindeststandards im Babylon […] durchzusetzen.“ Der Krieg, den die Geschäftsführer Timothy Grossman und Tobias Hackel nun gegen Gewerkschaft und Betriebsrat vom Zaun brachen, schlägt hohe Wellen und wird nicht nur in linken Gewerkschaftskreisen aufmerksam verfolgt. Dass die Mentoren der Geschäftsleitung in der Berliner Linkspartei eine denkbar schlechte Figur in diesem Konflikt abgeben war zu erwarten. Schmerzen wird viele linke ver.di-AktivistInnen die schäbige Rolle, welche die Berliner ver.di-Leitung in der Auseinandersetzung um das Babylon spielt. Die zuständigen Funktionäre entwickeln einen sonst selten gesehenen Enthusiasmus, wenn es darum geht, beispielhafte gewerkschaftliche Basisarbeit zu verhindern.
Selbst ArbeiterInnen haben nach dem Grundgesetz der BRD das Recht zu koalieren, sich also beispielsweise in Gewerkschaften zusammenzuschließen. Dieses Recht ist kein Geschenk. Es wurde hart und unter großen Opfern erkämpft. Gewerkschaft nennen darf sich deswegen noch lange nicht jeder Zusammenschluss von ArbeiterInnen. Hierzu braucht es die “Tariffähigkeit???. Ob diese gegeben ist, stellt natürlich die Klassenjustiz fest. Den Geschäftsführern des Babylon war dieser Umstand bekannt, und so bekamen sie vom Landgericht Berlin Ende 2009 eine einstweilige Verfügung gegen die FAU geschenkt. Der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft wurde unter Strafandrohung verboten, sich als „Gewerkschaft“ oder „Basisgewerkschaft“ zu bezeichnen. Selbstverständlich ist der juristische Streit mit einer einstweiligen Verfügung noch lange nicht vorbei. Ebensowenig vorbei sind der basisgewerkschaftliche Kampf ums Babylon und die Solidaritätsaktionen mit den kriminalisierten GewerkschafterInnen.
Als Auftakt einer internationalen Mobilisierung gegen die Beschneidung des gewerkschaftlichen Betätigungsrechts rief die FAU für den 29. und 30. Januar zu bundesweiten Aktionstagen auf.
In zahlreichen Städten fanden Kundgebungen und Demos statt.
Für Nürnberg bleibt zu hoffen, dass die Mobilisierung und thematische Vermittlung das nächste mal besser klappt.
Tariffähigkeit können Basisgewerkschaften nicht vor der deutschen Klassenjustiz erstreiten. Sie muss zuerst de facto hergestellt werden. Hoffentlich wird der Kampf der Belegschaft des Babylon, der FAU und aller solidarischen Menschen den Geschäftsführern und den Regierenden in der Stadt Berlin noch nachdrücklich klarmachen, dass die Kosten für einen Krieg gegen Basisgewerkschaften hoch sind.
Zu den sehr bemerkenswerten Hintergründen empfehlen wir labournet.de und indymedia. Die Seite der FAU erreicht ihr unter fau.org
Erschienen in barricada – Februar 2010