Das war 2012
Die radikale Linke in der Region Nürnberg und unsere Redaktion blicken auf ein bewegtes Jahr 2012 zurück, in dem vieles passiert, einiges unternommen und manches unterlassen wurde. Für uns als Redaktion ist zumindest ein guter Vorsatz, nächstes Jahr die Zeitung wieder regelmäßig herauszubringen. Für die radikale Linke wird ein guter Vorsatz allein nicht ausreichen, denn wir leben wahrlich in bewegten Zeiten. Und weil auch dieses Jahr wieder so vieles „los war“ ist, allein hier in der Region, kann unser Jahresrückblick nur ein unvollständiger und vielleicht auch nur sehr subjektiver sein. Vieles, was wir wichtig finden und was uns auch Spaß gemacht hat, muss leider aus Platzgründen unerwähnt bleiben.
Nazis morden…
Aus politischer Sicht kann das Jahr 2012 jedoch nicht betrachtet werden, ohne kurz auf 2011 zurückzublicken: Ende 2011 beschäftigten die radikale Linke in Nürnberg, Fürth und Erlangen vor allem zwei miteinander in Verbindung stehende Dinge: Zum einen war es die unerwartete Aufdeckung der mindestens zehn Morde des nationalsozialistischen NSU, von denen drei in Nürnberg und zwei in München begangen wurden, zum anderen verübten örtliche Nazibanden zahlreiche Anschläge auf AntifaschistInnen und deren Eigentum. Nach der Aufdeckung des NSU nahmen die Aktivitäten der Nazibanden sogar noch zu: Alleine im Dezember 2011 wurden Anschläge von Nazis auf das als linksalternative Jugendzentrum in Weißenburg, ein SPD-Büro in Aschaffenburg und den linken Stadtteilladen Komm e.V. in Nürnberg verübt. Bei einem Bildungszentrum gegen Nazis in Nürnberg beschädigten Nazis den Sicherungskasten. Von einer Kneipe in Gostenhof mit dem bezeichnenden Namen Valhalla gingen mehrere Übergriffe auf PassantInnen aus, weil sie von Gästen des Valhalla für Linke gehalten wurden. Im Hausflur eines Nachbargebäudes hinterließen Gäste des Valhalla eine Drohbotschaft, die mit NSU unterschrieben war. Türkische Unternehmer in Nürnberg wurden mit Drohbriefen bedroht, Autos von AntifaschistInnen wurden beschädigt, eines sogar angezündet. In Ansbach griffen nach einer Sylvesterparty etwa 20 Nazis linksalternative Jugendliche an. Es ereigneten sich noch weitere Angriffe von Nazis auf AntifaschistInnen und MigrantInnen. Doch wie die meisten Übergriffe zuvor, blieben diese bis heute zum allergrößten Teil unaufgeklärt und die Behörden zeigten auch kein Interesse an einer Aufklärung. Das Jahr 2012 begann, wie das Jahr 2011 aufgehört hatte. Trotz oder vielleicht auch wegen dem NSU-Skandal agierte die örtliche Naziszene ohne jede Zurückhaltung. Von einem erhöhten Druck seitens des Staates auf die Nazibanden war so gut wie nichts zu verspüren. Kein Wunder! Der Staat, hatte zumindest in Gestalt des sogenannten Verfassungsschutz seine dreckigen Finger beim Naziterror mit im Spiel. Sowohl beim NSU als auch bei andere Verbrechen der Neonazis. Die organisierte autonomie (OA) veröffentlichte zusammen mit anderen Gruppen ein Massenflugblatt, das dazu aufrief, Informationen über Nazis und ihre Hintermänner an antifaschistische Initiativen weiter zu geben. Der Bürgerrechtler Rolf Gössner referierte im Nachbarschaftshaus Gostenhof vor über 120 Menschen zu den Machenschaften des Verfassungsschutz und den Nazikriminellen in dessen Dienst. Es kam in der Region und auch bundesweit zu zahlreichen antifaschistischen Kundgebungen und Veranstaltungen auf denen die Rolle des Verfassungsschutzes und anderer Behörden kritisch hinterfragt wurde. Auch gelang es, dafür zu sorgen, dass 2012 keine Nazigroßaufmarsch in Dresden mehr stattfand. Am 13. Februar demonstrieren etwa 6000 Menschen gegen den abendlichen „Trauermarsch“ der Nazis und verkürzten ihn mit Blockaden extrem. Der eigentliche Großaufmarsch am 17. Februar in Dresden war wegen der erfolgreichen Proteste der letzten Jahre und interner Streitereien in der Nazi-Szene von den Nazis der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland??? zurückgezogen worden. Etwa 10000 AntifaschistInnen demonstrierten am 17. Februar in Dresden ohne Nazis gegen Nazis. In Fürth kam es – in Absprache mit der Polizei – zu einer von langer Hand vorbereiteten „Spontandemonstration“ der fränkischen Naziszene mit überregionaler Unterstützung. Nicht mal 100 Kameraden konnten für dieses Event, das von höchst engagierten PolizistInnen begleitet wurde, gewonnen werden. Trotz der gezielten Geheimhaltung durch die Fürther Polizei, protestierten etwa 100 AntifaschistInnen vor Ort gegen den Naziaufmarsch. Allerdings scheute die Polizei keine Mühen, den Nazis einen möglichst ungestörten Triumph-Marsch zu ermöglichen: Antifaschisten wurden – teils mit Gewalt – am Gegenprotest gehindert.
Der große Aufschrei nach Bekanntwerden der NSU-Morde und die Rolle staatlicher Behörden dabei, blieb insgesamt aus. Auf die Straßen – und das änderte sich das ganze Jahr nicht – gingen diejenigen, die ohnehin schon zuvor gegen Naziumtriebe Widerstand geleistet hatten. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung interessierte sich in so weit für die Nazimörder und ihre potentiellen Hintermänner, als dass sie die Berichterstattung in den Medien verfolgte. Wir schrieben schon 2011 in der Dezember-Ausgabe:
„Wer angesichts all dessen immer noch auf den sogenannten Anstand der Zuständigen hofft, sich lückenlose Aufklärung von den staatlichen Stellen erhofft und erwartet, dass alle überlebenden Täter, sowie ihre Komplizen und Hintermänner bestraft werden, der ist mehr als naiv.
Antifaschismus, das wird heute immer deutlicher, muss die Kritik all jener Verhältnisse beinhalten die die Faschisten immer wieder hervorbringt. Anders ausgedrückt: Wer vom Kapitalismus, vom Staat und seinen Organen nicht sprechen will, der braucht auch über den Faschismus nicht reden.“
…der Staat schiebt ab
Im Juli stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass AsylbewerberInnen tatsächlich auchMenschen sind. Die jahrzehntelange Praxis, ihnen deutlich weniger Bedarf zu unterstellen und damit weniger Geld- und Sachleistungen zuzugestehen, als anderen Menschen, wurde für grundgesetzwidrig erklärt. Schon vor dem Urteil hatten Flüchtlinge mit dem Aufschlagen von Protestzelten, zunächst in Bayern, dann auch anderen Bundesländern, gegen ihre schlechte Lage protestiert. Auch in Nürnberg gab es den ganzen Sommer ein Protest-Zelt von Flüchtlingen vor allem aus dem Iran, Afghanistan und Äthiopien. Viele Einzelpersonen und Gruppen der Linken und radikalen Linken unterstützten die Flüchtlinge. Eine Demonstration, Kundgebungen, Veranstaltungen und kleinere Aktionen, die von den Flüchtlingen und ihren UnterstützerInnen durchgeführt wurden, machten auf den menschenverachtenden Umgang des Staates mit Flüchtlingen aufmerksam. Die Flüchtlinge kämpften auch in Nürnberg mit großem Einsatz für ihre Interessen. Interessen, die für Menschen mit deutschem Pass selbstverständlich sind. Die Abschaffung der Residenz- und Lagerpflicht und die Anerkennung aller Flüchtlinge als politische Flüchtlinge waren ihre Hauptforderungen. Mit einem spektakulären Marsch nach Berlin erhielten die Flüchtlinge kurzzeitig hohe Aufmerksamkeit. Durch ihren selbstbewussten Protest haben die Flüchtlinge, die mittlerweile in Berlin Kreuzberg eine alte Schule besetzt halten, den Kampf gegen das Lagerregime sicher ein großes Stück vorangebracht.
Auch beschäftigt hat uns der Untergang der Costa Concordia, eines Kreuzfahrtschiffes, das am 13. Januar 2012 vor der Insel Giglio im Mittelmeer mit einem Felsen kollidierte, leck schlug und dessen Havarie 32 Menschen das Leben kostete. Im Kontext der europäischen Abschirmung gegen Flüchtlinge schrieben wir damals:
„Wenn die Passagiere der Costa Concordia Pannen und Schlamperei beklagen, haben sie natürlich Recht. Und wenn die Weltöffentlichkeit erfährt, dass mehr getan werden könnte, um Menschenleben zu retten, ist das auch gut so. Schlecht wäre es aber auch nicht, wenn dieselbe Öffentlichkeit mitbekommen würde, dass ungefähr ein halbes Jahr vor der Costa Concordia ein eritreisches Flüchtlingsboot zwei Wochen lang vor der italienischen Küste kreuzte, vor den Augen der anwesenden NATO-Schiffe, der Frontex und der italienischen Küstenwache, bis 61 der 72 Passagiere starben. Man kann sich die hiesige Berichterstattung ja gar nicht vorstellen, wenn es um 61 deutsche TouristInnen ginge. Auch wenn Flüchtlingsboote ‚bei der Rettung‘ versenkt werden, wovon es zahlreiche Beispiele gibt, handelt es sich um ‚Hund beißt Mann‘-Geschichten. Festzuhalten bleibt, dass 32 reiche Weiße wohl mehr wert sind als 2175 arme AfrikanerInnen.“
Krisenproteste – und immer Frankfurt
War der Versuch in Frankfurt, dem Bankenzentrum der BRD (und vielleicht ganz Europas), gegen die kapitalistische Krisenfolgenabwälzung auf die Bevölkerung zu protestieren, im letzten Jahr noch aus verschiedensten Gründen gescheitert, gab es 2012 gleich zwei größere Aktionen. Zu der ersten Aktion im März mobilisierte im wesentlichen das „Ums Ganze!“-Bündnis und brachte etwa 6000 Menschen auf die Straße. Während der Demonstration kam es zu Übergriffen durch die Polizei und zur Einkesselung eines Teils der DemonstrantInnen, aber auch zu direkten Aktionen gegen Bankfilialen. Diese Ereignisse mussten dann im Mai, als die Interventionistische Linke und ihre BündnispartnerInnen unter dem Label „Blockupy“ zur Blockade des Bankenviertels nach Frankfurt mobilisierte, für eine nahezu vollständiges Versammlungsverbot herhalten. Die eigentlich durch linke AktivistInnen geplante Blockade wurde durch eine staatliche Notstandsübung in so weit ermöglicht, dass die Polizei den Ablauf des Alltags in Frankfurt erheblich störte. Die Teilnahme an den Blockadeversuchen des Blockupy-Bündnisses war vor allem wegen der Verbote und staatlicher Repression aber eher mau. Dennoch konnte aber schon während der Mobilisierung zu Blockupy nicht übersehen werden, dass diese eher schleppend lief. Lediglich die (letztlich nach gerichtlicher Auseinandersetzung genehmigte) Großdemonstration mit 25000 TeilnehmerInnen, die sich in einem Wanderkessel bewegten, wie ihn nur die beste Herrschaftsform aller Zeiten hervorbringen kann, war ein klarer Mobilisierungserfolg für das Blockupy-Bündnis. Im Nachgang schrieben wir dazu:
„[…] das ewige Stiefkind der radikalen Linken hier ist und bleibt die soziale Frage. Das konnte man sehen und wahrscheinlich ist das auch das Problem schlechthin. Hinzu kam das Motto, das in seiner Anlehnung an Occupy wohl eher mit inhaltsleerem Geplänkel verbunden wird, als mit einem interessanten Bündnispartner. Und doch waren es die ausdrucksvollsten Krisenproteste, die wir hier in den letzten Jahren erleben durften. Die Teilnahme an der Demo war überwältigend und die internationalen Gäste bereicherten und belebten den Solidaritätsanspruch […] Und so kann man schon eine durchweg positive Bilanz ableiten: ein zartes Band der Vernetzung ist gestärkt worden. Eine Notwendigkeit, die man immer wieder erkennt und benennt, die aber in der Praxis eher untergeht. Natürlich auch, weil man schon vor Ort so viele Interventionspunkte hätte und es meist nicht einmal dort schafft, diese befriedigend abzudecken. Bis ein Umschwung in der allgemeinen Stimmung spürbar wird und endlich mehr Menschen beginnen sich antikapitalistisch zu organisieren, wird dieser Zustand wohl auch so anhalten. Wir können heute nur weiter Benzin ins Feuer kippen und unbequem und radikal in unserer Analyse und Praxis sein.“
Klassenkampf von oben ?traf auf wenig Gegenwehr
Allzu unbequem wurde es für die Kapitalistenklasse jedoch 2012 nicht mehr. Dass der Klassenkampf von Oben unvermindert weitergeht, während der Klassenkampf von unten in der BRD nahezu nicht-existent ist, bleibt auch dem Ausland nicht verborgen. Im November richteten sich mit einem offenen Brief über 100 portugiesische Intellektuelle indirekt an das deutsche Proletariat, den internationale Schulterschluss im Kampf gegen die Krisenpolitik des Kapitals zu üben. Die „VertreterInnen“ des hiesigen Proletariats übten sich aber eher im zeigen der kalten Schulter. Zum europaweiten Aktionstag, bei dem die ArbeiterInnen Europas zu einem eintätgigen Generalstreik am 14. November aufgerufen waren, mussten wir feststellen:
„In Deutschland gab es – wie zu erwarten – keine Solidaritätsstreiks oder ähnliches. Ver.di hat zwar im Gegensatz zur IG-M den Aufruf der Europäischen Gewerkschaft unterstützt, jedoch nicht mit der Konsequenz von Arbeitsniederlegungen. Wie auch in Nürnberg gab es, initiiert von linken Gruppen, attac, dem Bündnis Umfairteilen, ver.di und occupy, Demos und Kundgebungen. Leider erreichten nur wenige davon nennenswerte Zahlen.?In Frankreich und Belgien sieht das ganz anders aus. Hier gingen Tausende Menschen auf die Straße um sich einerseits zu solidarisieren und zum anderen auch um gegen die Kürzungspolitik „ihrer“ Regierungen zu protestieren.?In der Auswertung kann der 14. November als ein erster und durchaus gelungener Versuch gesehen werden, die Proteste über Landesgrenzen hinaus zu führen. Doch es darf nicht an denen hängen bleiben, die sowieso bereits die mangelnde Kampfbereitschaft der Lohnabhängigen in Deutschland ausbaden müssen. Hier muss die Lohnspirale nach oben gezogen werden, hier müssen gezielt Firmen bestreikt werden, die nun an der Kürzungspolitik verdienen und hier muss vor allem begriffen werden, dass die Spirale von Kürzungen und Lohndrückerei, Entrechtungen, Sozialeinschnitten und die Scharfmachung der Repressionsapparat sich auch ihren Weg zurück nach Deutschland bahnen wird. Doch der Weg ist lang und in Deutschland muss er wohl auch gegen die Gewerkschaften erkämpft werden – was die Sache nicht unbedingt leichter macht…“
Für klassenkämpferische Kontinuität stand jedoch der revolutionäre 1. Mai. Die internationalen Umbrüche, also Euro-Krise, Arabellion und anderes prägten auch das Motto der revolutionären 1. Mai-Demonstration, die sich in Nürnberg zum 20. Mal jährte. „Die Welt in Aufruhr – für eine revolutionäre Perspektive! Antikapitalistisch, klassenkämpferisch, antipatriarchal! Für die soziale Revolution!“ Als Novum dokumentierte in diesem Jahr auch ein Beobachtungsteam, unterstützt durch Anwälte, die schikanösen Vorkontrollen der Polizei. Vielsagend lautete unser Fazit zum revolutionären 1. Mai in Nürnberg: „Nach zwanzig Jahren immer noch frisch und kämpferisch – und es wird immer besser…“
Der Kampf um Mobilität geht weiter
Der Kampf um ein Sozialticket in Nürnberg scheiterte auch dieses Jahr wieder an der Sozialdemokratischen Mehrheit im Stadtrat. Durch Aktionen und eine Demonstration im Oktober war das Thema jedoch im Herbst präsent und selbst die SPD-nahe Nürnberger Nachrichten kam nicht darum herum, ein paar kritische Worte zur Verdrängungs und Aufschiebungstaktik des Stadtrates zu sagen. In Fürth hatten die Sozialticket AktivistInnen einen kleinen, aber konkreten Erfolg: Fürth-Pass Besitzer erhalten dort nun den doppelten Zuschlag für Fahrkarten.
NPD-Aufmarsch ?und FNS-Treffpunkt in Langwasser
Mit einer LKW-Propaganda-Tour durch Deutschland versuchte im Sommer die personell und auch sonst angeschlagene NPD sich wieder in die öffentliche Diskussion zu bringen. Selbst ein angekündigtes NPD-Verbot hinderte die bedeutenste Partei des neonazistischen Spektrums nicht, während ihrer NPD-LKW-Tour NazigegnerInnen mit Schlagstöcken anzugreifen. Während eines solchen Übergriffs in Langwasser am 1. August beschränkte sich die Polizei aufs zusehen. Zuvor wurde wohl alle Energie auf das Zusammenschlagen von AntifaschistInnen verwendet, die zu Hunderten versuchten, die NPD-Minikundgebung mit gerade mal einem Dutzend Teilnehmern, durch eine friedliche Sitzblockade zu behindern.
Höhepunkt des ungebrochenen Selbstbewußtseins der örtlichen Naziszene war die Eröffnung eines Keller-Treffpunktes in Langwasser. Nach antifaschistischen Kundgebungen dagegen, beschloss die Stadt Nürnberg im August die Nutzung des Kellers zu beschränken. Die Räume dürften nur als Kegelbahn genutzt werden. Ob damit dort keine Nazitreffen mehr stattfinden, scheint höchst fragwürdig. Die Aktivitäten des Freien Netz Süd nahmen in Langwasser auch nicht ab. Die entgültige Schließung des Nazi-Treffpunktes wird 2013 auch davon abhängen, ob es den örtlichen antifaschistischen Strukturen gelingt, Druck aufzubauen.
Nach fünf NSU-Morden ?fünffacher Totschlag durch Antifaschisten?
Auch am Ende diesen Jahres sitzt unser Genosse immer noch im Knast. Bei einer Demonstration des Antifaschistischen Aktionsbündnis am 31. März kam es zu wilden Prügelattacken von SpezialpolizistInnen auf Menschen, die auf die Verstrickungen des Staates mit der NSU-Bande aufmerksam machen wollten. Weil die Stadt Nürnberg unter fadenscheinigen Vorwänden der Demonstration die Marschroute durch die Nürnberger Innenstadt verboten hatte, sicherte ein großes Aufgebot alle Zugänge zur Innenstadt. Als DemonstrantInnen sich dennoch in die Innenstadt begeben wollten um dort ihr Versammlungsrecht wahrzunehmen, wurden sie von prügelnden USK-PolizistInnen angegriffen. Einige DemonstrantInnen wurden dadurch erheblich verletzt. Wenige Wochen später wurde Deniz K. Bei einer anderen Demonstration festgenommen und wegen fünffachen versuchten Totschlags in U-Haft verschleppt. Das Konstrukt des völlig überdrehten mehrfachen versuchten Totschlags konnte selbst im politischen Prozess vor dem Landgericht Nürnberg nicht aufrecht erhalten werden, was auch an der großen Aufmerksamkeit lag, die der Prozess aufgrund der Schwere des Vorwurfs und zahlreicher Solidaritätsaktionen für Deniz erhielt.
Dennoch verurteilte man Deniz wegen versuchter Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Haft. Dass der Gerichtssaal dann noch vor der Urteilsverkündung gewaltsam durch wahrscheinlich dieselben Prügel-PolizistInnen von KritikerInnen frei gemacht wurde, passte auch ins Bild.
Und es geht weiter… Trotz alledem!
2012 zeigte ein alarmierendes Bild der deutschen und bayerischen Verhältnisse. Der doch noch recht kleine und zahme Protest gegen die Abwälzung der Krise auf die Bevölkerung bekam es mit polizeistaatlichen Machtdemonstrationen zu tun, wie sie schon länger nicht mehr beobachtet wurden. AntifaschistInnen müssen trotz, oder gerade wegen, des NSU-Skandals mit aufgeputschten Nazis und prügelnden Bullen rechnen, die von Politik und Justiz protegiert werden. 2013 wird, dazu muss man kein Hellseher sein, kein Jahr, in dem die radikale Linke es einfach haben wird. Sie ist aktionsfähig, das zeigen die unzähligen Aktivitäten alleine hier in der Region, von denen kaum welche einzeln hier erwähnt wurden. Doch eine gemeinsame Linie, eine Strategie auf die sich zuspitzenden Verhältnisse zu reagieren, die fehlt weitgehend noch.
Erschienen in barricada – Januar 2013