Das bisschen Totschlag…
28.August 2008: Im Norden Afghanistans schießt ein deutscher Feldjäger auf ein Fahrzeug, das vor einer Straßensperre gewendet hat und sich nun von ihr entfernt. Mit seinem Maschinengewehr tötet er zwei Kinder und eine Frau.
Polizeibeamte des afghanischen Marionettenregimes sind ebenfalls anwesend – wohl auch deshalb und weil die afghanischen Behörden Vorwüfe gegen die deutschen Soldaten erheben, wird der „Zwischenfall“ nach einigen Tagen der Verschleierungsversuche in seinem wirklichen Ablauf öffentlich bekannt. Die sonst bei derartigen Ereignissen angewandte Sprachregelung, ein Zivilfahrzeug sei „ungebremst und mit hoher Geschwindigkeit“ auf die Straßensperre zugerast, muss diesmal der Wahrheit weichen.
Selbstverständlich gehen die Kriege der NATO-Staaten einher mit dem massenhaften Abschlachten von ZivilistInnen. Verantwortlich hierfür sind in erster Linie die Schreibtischtäter, die diese Kriege in Auftrag geben, beginnen und führen. Die Kriege der Herrschenden sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dies zu wissen, bedeutet aber nicht, die Vergehen der Täter gegen ihr eigenes Regelwerk (z.B. Strafgesetze, Genfer Konvention) zu ignorieren. Sie bleiben ein Skandal, auch vor dem Hintergrund des viel größeren Skandals, den der Kapitalismus und seine Kriege darstellen.
Ganz anders sieht das natürlich ein SPD-Politiker. Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter der Bundesregierung, hat die Bundeswehr nach der oben erwähnten Tötung von ZivilistInnen wegen ihres Umgangs mit Soldaten im Auslandseinsatz scharf kritisiert. Der Hintergrund: Nachdem die zuständige Staatsanwaltschaft gegen den Todesschützen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Totschlag aufgenommen hatte, wurde dem mutmaßlichen Täter aus rechtlichen Gründen seitens der Bundeswehr kein Anwalt gestellt. In diesem Zusammenhang macht der Wehrbeauftragte deutlich, dass er offenbar gerne gesetzlich festgeschrieben haben möchte, was de facto ohnehin schon so ist, nämlich dass das Ballern auf Afghanen in Afghanistan rechtlich etwas grundsätzlich anderes ist als das Ballern auf Deutsche in Deutschland.
„Die betroffenen Soldaten können es nicht akzeptieren, wenn im Auslandseinsatz – erst recht im Kampfeinsatz – grundsätzlich dieselben Maßstäbe wie in München, Hamburg oder Frankfurt angelegt werden“, so Robbe. Wer einen solch gefährlichen Auftrag erfülle, müsse „den Rücken frei haben“.
barricada – Oktober 2008