Das Betreuungsgeld
Es war ein langer Kampf der CDU den Antrag auf das Betreuungsgeld überhaupt in den Bundestag einzubringen. Bei der ersten geplanten Lesung fehlten sage und schreibe 126 der Koaliotionsabgeordneten. Im Laufe der Zeit wurde das Thema zur Gretchenfrage der Koalition hochstilisiert und nun haben es die BefürworterInnen doch noch geschafft ihren Antrag vor der Sommerpause zumindest einzubringen. Entschieden wird darüber erst nach dem Sommer, aber schon jetzt dürfen wir gespannt sein, wie das Theaterstück weiter geht:
Die SPD ist gegen das Betreuungsgeld, weil es nicht ihre Idee war. Offiziell aber, weil sie die frühkindliche Förderung in staatlichen Einrichtungen bevorzugt. Die CSU findet es gut, weil es den Frauen Anreize bietet, ihr Kind im Schoße der Familie aufzuziehen, die in Bayern nun einmal so heilig ist, wie sonst nirgends. Die FDP sieht die Wahlfreiheit eingeschränkt, weil die Entscheidung zu Hause das Kind zu erziehen prämiert wird. Und alle haben eigentlich auch irgendwie Angst, dass die Hartz IV- Familien das Geld versaufen, weshalb sie auch schon an einem Gutscheinsystem überlegen. Außer vielleicht noch die Linke, die es ziemlich bescheuert findet, jemand staatlich zu subventionieren, weil er oder sie das staatliche Erziehungsangebot nicht nutzt. Es bekomme ja auch niemand Geld dafür, nicht in die Bibliothek oder ins öffentliche Freibad zu gehen.
Doch war das nicht das, was FeministInnen immer wollten?! Geld für Reproduktionstätigkeit? Ist die CDU/CSU jetzt Vorkämpferin des Feminismus geworden? Natürlich nicht. Viele andere Faktoren, spielen mit in die Diskussion hinein. Zum einen hat der Bundestag erst vor kurzem beschlossen, dass es im Jahre 2013 für jedes Kind einen Krippenplatz geben muss. Momentan stehen diese Plätze lediglich einem Viertel aller Kinder zur Verfügung. Realistisch scheint momentan nur, dass das Ziel nicht erreicht werden kann, weswegen nun Anreize für die „Erstversorgung“ zu Hause gegeben werden sollen.
Das Betreuungsgeld ist für die Dauer von etwa 2 Jahren angedacht und bewegt sich je nach Anzahl der Kinder zwischen 100 und 150 Euro im Monat. Keine Summe also, die selbst das Wegfallen eines Minijobs innerhalb einer Familie auch nur ansatzweise ausgleichen könnte. Eine Familie, die also auf beide Einkommen angewiesen ist, muss ihr Kind nach wie vor eher in eine Krippe und in den Kindergarten bringen als jemanden „freizustellen“. Wer freigestellt wird, ist in fast allen Fällen sowieso klar: die Frau. Somit fungiert das Betreuungsgeld auch als Prämie für die liebende Mutter, die zu Hause bleibt und sich um Mann, Kind und Heim kümmert. Dafür sind 100 Euro ein ziemlich mickriges Schmerzensgeld. Wenn die CDU/CSU die Reproduktionsarbeit – unabhängig davon, wer sie ausführt – als Tätigkeit begreifen würde, die gleichzusetzen ist mit der Produktionsarbeit, wäre die Summe wohl etwas höher ausgefallen. Tun sie aber nicht und deswegen hat das Betreuungsgeld nichts, aber auch gar nichts mit den Forderungen nach einer Gleichstellung zu tun, die unsichtbare gesellschaftliche Arbeiten, wie Erziehung und Pflege, auch innerhalb der Familien entlohnt sehen wollen.
Polemisch gesprochen, ist das Betreuungsgeld folglich nichts anderes, als ein Zuckerle für Reiche und Mittelstandsfamilien, die sowieso nicht auf ein zweites Gehalt angewiesen sind. Denn Familien oder Alleinerziehende, die von Hartz IV leben oder aufstocken müssen, gehen gänzlich leer aus. Nachdem ihnen schon das Elterngeld im Zuge des letzten Sparpaketes gestrichen wurde, sieht der Antrag vor, dass ALG II – EmpfängerInnen zwar einen Anspruch auf das Betreuungsgeld haben, die Summe aber mit dem Regelsatz verrechnet wird. Das bedeutet unter dem Strich ein Null-Geschäft. Wenn aber die chauvinistischen HetzerInnen durchkommen, die ein Gutscheinsystem einfordern, heißt das, 100 Euro mehr, die Hartz IV – EmpfängerInnen nur noch sachgebunden ausgeben können würden.
Eine Veränderung bedeutet das Betreuungsgeld somit überhaupt nicht. Es wird nur weiterhin das vorangetrieben, was sowieso schon Usus im Kapitalismus ist. Die doppelt ausgebeuteten Frauen gehen einmal mehr leer aus und die bürgerliche Familienideologie wird symbolisch weitergehend gefördert. Nicht zu vernachlässigen ist hierbei die anhaltende Hetze gegen arme Familien, denen man das Kinderkriegen am liebsten verbieten würde. Entgegen jeder Realität wird die bürgerliche Mitte nicht müde das Märchen der lieblosen und gierigen Armen zu predigen, die jeden Cent für sich ausgeben und ihre Kinder lieber verwahrlosen lassen. Nicht, dass man solch einem Quatsch unbedingt etwas entgegensetze müsste, aber eine jüngst angelegte Studie belegt das absolute Gegenteil: auch diese Familien sparen zu allerletzt an ihren Kindern. Somit ist alles, was von der Hetze übrig bleibt, der politische Wille, die konsumstarken und leistungsorientierten Familien weiterhin zum Kinder-Bekommen zu bewegen, während dies bei den armen eher eingedämmt werden soll, indem man ihnen allein finanziell das Kinder-Aufziehen so schwer wie nur irgendwie möglich macht. Es gibt nämlich keinen Kindermangel, es gibt einen deutsche Mittelstands-Kindermangel, dem das Betreuungsgeld als weiterer Anreiz entgegengesetzt werden soll.
Erschienen in barricada – Juli 2012