Bundeswehr wegtreten!
Aktionen gegen die Militarisierung der Gesellschaft
Deutschland präsentiert sich heute, an der Seite seiner NATO-Partner, als ein Hauptakteur der zunehmenden weltweiten Militärinterventionen. Mit der wachsenden Konkurrenz um Rohstoffe, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte wächst die Bereitschaft der großen kapitalistischen Staaten und ihrer Bündnisse, ihre Interessen weltweit mit Gewalt durchzusetzen. Und die BRD ist da selbstverständlich keine Ausnahme. Schritt für Schritt wurde die im Kalten Krieg geschaffene antikommunistisch ausgerichtete Massenarmee „Bundeswehr“ zu einer modernen, weltweit einsatzfähigen Interventionstruppe umgeformt. Und sie wird natürlich auch eingesetzt. Aktuell befinden sich insgesamt ca. 7000 deutsche Soldatinnen und Soldaten vom Balkan über Djibouti, den Sudan, Libanon, Afghanistan bis hin zur „Piratenjagd“ vor Afrika in zehn Auslandseinsätzen auf drei Kontinenten. Und da die Durchsetzung imperialistischer Interessen kein Deckchensticken oder „humanitärer Einsatz“ ist, werden da auch Leute tot gemacht. Seltsam genug, dass der Fakt, dass SoldatInnen vorrangig zum Töten da sind, immer erst dann wieder in die öffentliche Diskussion kommt, wenn ein paar Jungs (oder auch Mädels) in Särgen – mit Deutschlandfahnen drauf – nach Hause kommen oder ein besonders tödlicher Bundeswehr-Einsatz viele ZivilistInnen das Leben gekostet hat. Wenn gerade keinE SoldatIn stirbt, oder sich die Medien für die Massaker deutscher SoldatInnen oder ihrer Verbündeten nicht interessieren, nimmt die Öffentlichkeit das Treiben der Bundeswehr kaum wahr. Die Think-Tanks der Bundeswehr haben natürlich erkannt, dass die öffentliche Meinung gerade im Hinblick auf die Vermittlung von militärischen Einsätzen, eine sehr große Rolle spielt. Obwohl bei der Bundeswehr auch die Chance gesehen wird, dass das mangelnde Interesse eines Großteils der deutschen Bevölkerung auch seine Vorteile bietet, z.B. das Durchziehen von fragwürdigen Einsätzen ohne großen Aufschrei in der Öffentlichkeit, soll doch für die Ziele der Bundeswehr und der deutschen Außenpolitik geworben werden. Der Politikwissenschaftler Dr. Heiko Biehl, der an der Führungsakademie der Bundeswehr lehrt, formuliert für die Kommunikationspolitik der Bundeswehr in einem Artikel von 2007: „Ziel muss – aus Sicht der Bundeswehr – sein, in einem ersten Schritt eine allgemeine Zustimmung zur Neuausrichtung deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik (unter Einschluss offensiver militärischer Gewalt) zu erzielen. Darauf aufbauend kann dann um die Unterstützung für konkrete Einsätze, die zumeist rasch organisiert werden muss, geworben werden.“ Im Zuge dieser strategischen Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, tritt die Truppe in den letzten Jahren zunehmend in die Öffentlichkeit.
Wer die Öffentlichkeit sucht, muss sie auch ertragen!
Öffentliche Gelöbnisse, Soldatengottesdienste, Werbeveranstaltungen in Schulen, Arbeitsämtern, Karriere-Events auf öffentlichen Plätzen und weitere gesellschaftlich wahrnehmbare Auftritte sind Teil dieser Strategie, die auf eine Verankerung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zielt. Da die Bundeswehr der militärische Arm der herrschenden Klasse ist, der die Interessen des deutschen Imperialismus weltweit (aber natürlich auch im Inland, sollte das notwendig erscheinen), durchsetzen soll, handelt es sich dabei um das gezielte Vorantreiben einer Militarisierung der Gesellschaft gegen die Interessen der Mehrheit. Während andere Elemente dieser Militarisierung leider weitgehend ohne Gegenwehr auf- und ausgebaut werden, wie z.B. die sogenannten Verbindungskommandos (s. Kasten), trifft die Bundeswehr bei öffentlichen Aktivitäten bundesweit nicht selten auf vielfältigen Protest und Widerstand. Die Aktionen reichen von satirischen Aufführungen, Störaktionen über Blockaden, bis zu militanten Angriffen auf die Infrastruktur der Bundeswehr. In Nürnberg hat es die Bundeswehr in den letzten zwei Jahren ebenfalls mit wachsender Gegenwehr zu tun. Ein öffentliches Gelöbnis am 30. Juli 2008 konnte trotz weiträumiger Absperrungen und einem riesigen Aufmarsch von Polizei und Feldjägern nicht vor dauerhaftem Pfeifen und Protestrufen geschützt werden. Auch die Werbeveranstaltungen der Bundeswehr in Nürnberger Schulen finden oft nicht mehr ohne Störungen statt. Aktionen von Gewerkschaften und Friedensaktivisten aber auch linken Gruppen und Organisationen, wie der SDAJ, dem Antifaschistischen Aktionsbündnis und dem Schülerbündnis, haben sogar so viel öffentlichen Druck erzeugt, dass der Schulausschuss der Stadt Nürnberg gegen die Stimmen der CSU beschlossen hat, dass über geplante Auftritte der Bundeswehr zumindest vorher das Schulforum (ein Gremium in dem VertreterInnen der LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen über Belange der Schule entscheiden) informiert werden muss.
Mit Satire gegen Bundeswehr-Werber
Ein öffentlicher Auftritt der Bundeswehr in Nürnberg, der die Karrieremöglichkeiten in der Truppe bewerben sollte, musste sich am Samstag, den 24.7. sogar mit unerwünschten Kriegsfans auseinandersetzen. Unter dem Motto: „Schau nicht weg! – Mach mit beim Krieg!“ begrüßte das Nürnberger Kriegsforum den Karrieretruck der Bundeswehr in der Innenstadt mit einer Demonstration vom Nürnberger Hauptbahnhof bis zum Jakobsplatz. Hunderte von Flugblätter wurden an Passantinnen verteilt und über Megaphon wurde aufgefordert, nicht nur Kriegsparteien wie SPD, Grüne oder CSU zu wählen, sondern das Gewehr selber in die Hand zu nehmen und sich gleich heute bei der Bundeswehr zu verpflichten. Es gehe schließlich um die Märkte und Rohstoffe unserer Banken und Konzerne. Etwa 40 Kriegsbegeisterte brüllten Parolen wie „Nie wieder Frieden“ oder „Kriegseinsätze statt Ausbildungsplätze!“ Die satirische Aktion von Antifaschistischem Aktionsbündnis und SDAJ endete offiziell in der Nähe des Karrieretrucks der Bundeswehr, viele AktivistInnen ließen es sich jedoch nicht nehmen, die militaristische Veranstaltung weiter mit satirischen Bemerkungen und vorgetäuschter übertriebener Begeisterung zu nerven. Die Polizeisondereinheit USK, die, wenn es um Gewalt und Totschlag geht, immer gern dabei ist, sollte den Truck dann vor unerwünschtem Publikum beschützen. Dabei wurde neben Bundeswehr-kritischen AktivistInnen auch die eine oder andere PassantIn vertrieben und auch ein Journalist an seiner Arbeit gehindert. Ein normales Betreiben der Veranstaltung war für die Bundeswehr zumindest für die Dauer einiger Stunden kaum möglich und viele Menschen, die zufällig an der Aktion vorbeigingen, zeigten Sympathie mit der satirischen Kritik der BundeswehrgegnerInnen.
Nürnberger AntimilitaristInnen unterstützten auch am 30. Juli die Aktionen gegen das erste öffentliche Bundeswehrgelöbnis in Stuttgart seit 1999. Dank der großen Proteste damals mied die Bundeswehr 11 Jahre lang Stuttgart. Dieses Jahr beteiligten sich etwa 1000 Menschen an lautstarken, vielfältigen und vehementen Protesten. Das Gelöbnis, unter dessen BesucherInnen Reservistenverbände und rechte Burschenschaftler waren, konnte nur durch einen massiven Polizeieinsatz stattfinden. 77 Menschen wurden festgenommen, darunter eine Sambagruppe deren Instrumente beschlagnahmt und teilweise beschädigt wurden. Die GegendemonstrantInnen sollen nicht nur von der Polizei sondern auch von Filmteams der Bundeswehr gefilmt worden sein. Eine geplante Blockade des Gelöbnisses scheiterte zwar an der massiven Polizeigewalt, aber das Gelöbnis konnte definitiv nicht ungestört stattfinden.
Zwei Nächte zuvor drückten in Nürnberg Unbekannte ihre Solidarität mit den Aktionen in Stuttgart durch eine militante Aktion aus. Mit gesprühten Parolen und Farbbomben wurde das Gebäude, in dem das Kreiswehrersatzamt Nürnberg sitzt, optisch und politisch aufgewertet. Am Haupteingang wird nun für unbestimmte Zeit für die dort zur Musterung erscheinenden jungen Männer ein großes „Soldaten = Mörder“ zu sehen sein und auch das Bundeswappen ist nun mit einem Peacezeichen verziert.
Widerstand gegen kapitalistische Kriege ist Klassenkampf!
Obwohl sich also in der BRD und auch hier in Nürnberg einiges an Widerstand und Protest gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung und die Militarisierung der Gesellschaft regt, ist dieser aber leider noch verhältnismäßig klein und der breiten Ablehnung von Kriegseinsätzen in der Bevölkerung nicht angemessen. In fast jeder Nürnberger Berufsschule und etlichen anderen Schulen finden mindestens einmal im Jahr Werbeveranstaltungen der Bundeswehr statt, während sich Gegenaktionen leider leicht an einer Hand abzählen lassen. Dabei wäre es gerade dort wichtig Widerstand zu leisten, wo die Bundeswehr bevorzugt Karrieremöglichkeiten im Handwerk des Tötens anbietet, nämlich an den Orten, wo die Klasse der Lohnabhängigen ideologisch auf ihre Funktion im Kapitalismus vorbereitet werden soll. Die Bundeswehr bietet in Zeiten mangelnder Ausbildungsplätze, prekärer Arbeitsverhältnisse und sinkender Löhne für viele Jugendliche scheinbar die Möglichkeit, doch noch etwas in ihrem Interesse liegendes zu tun, während sie sonst zu schlechten Jobs oder Erwerbslosigkeit verdammt wären. Doch viele der jungen Menschen, die zur Bundeswehr gehen, würden sich sicher nicht so entscheiden, wären sie sich bewusst, für welche Interessen sie dann ihr blutiges Handwerk ausüben. Die Vermittlung des Wissens darüber, dass die Bundeswehr ein Werkzeug des deutschen Kapitals ist und potentiell zum Einsatz gegen GegnerInnen der herrschenden Ordnung eingesetzt werden wird, muss das vordringlichste Ziel einer antikapitalistisch-antimilitaristischen Bewegung sein.
Infos über Aktionen gegen die Bundeswehr: www.bundeswehr-wegtreten.org