Die ganze Welt hält den Atem an und hustet in die Armbeuge. Covid-19 und die damit verbundenen Maßnahmen haben das gesellschaftliche Leben fest im Griff. Die Lungenkrankheit stellt eine erhöhte Gefahr z.B. für Menschen im hohen Alter oder mit Vorerkrankungen dar. Die Beschaffenheit des Virus und wie genau die Pandemie verlaufen wird ist zum Teil noch Gegenstand von Spekulationen und Modellrechnungen. Dieses Virus stellt uns als gesamte Weltbevölkerung vor eine immense Herausforderung, zu der auch wir keinen Masterplan haben
Aber wir sehen, dass die sich schon vorher anbahnende Krise uns massiv treffen wird, wenn wir jetzt nicht endlich handeln.
Stay at home – Warum?
Die derzeitigen politischen Maßnahmen zielen darauf ab, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Damit soll die Belastung des Gesundheitssystems möglichst klein gehalten werden. Aber warum ist unser „exzellentes Gesundheitssystem“ (Angela Merkel) so schutzbedürftig? So wie alles auf der Welt ist auch unser Gesundheitssystem den Mechanismen unserer Wirtschaftsweise unterworfen. Und damit allen voran der Gewinnmaximierung. So wurden beispielsweise bei einer konstant steigenden Zahl von Pflegefällen seit den 90ern
mehr als 50.000 Pflegestellen gestrichen. Die zur Zeit oft erwähnte Nationale Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ empfahl 2016 mehr als die Hälfte der allgemeinen Krankenhäuser zu schließen. Die Kapazität an Intensiv-Betten soll jetzt mehr als verdoppelt werden, dabei war es bisher in vielen Krankenhäusern schon kaum möglich, die eigentlich vorgesehene Zahl an Betten zu betreuen.
Pflegekräfte protestieren schon seit Jahren gegen Überstunden, aberwitzige Betreuungsschlüssel, hohe Stressbelastung und zu niedrige Löhne. in der aktuellen Lage wurde das Arbeitsrecht im Pflegebereich nun komplett ausgehebelt. Was sie dafür bekommen ist Applaus vom Balkon.
Flatten the curve – Wie?
Dieser Protest und das Wohlergehen pflegebedürftiger Menschen hat weder den Staat noch die Arbeitgeber bisher sonderlich interessiert. Stattdessen wird jetzt mit rabiaten Mitteln versucht zu retten, was noch zu retten ist. Der Bundestag hat mit der Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes die Versammlungsfreiheit, die Freiheit der Person und Berufsausübung, die Freizügigkeit und die Unverletzlichkeit der Wohnung massiv eingeschränkt. In Bayern gilt seit dem 16. März der Katastrophenfall der es ermöglicht „von jeder Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen [zu] verlangen“ – die Möglichkeit zur Zwangsarbeit also. Autoritäre Maßnahmen, die es so in dem Umfang seit 1945 nicht in Deutschland gab. Und während das Sozialleben so auf ein Minimum reduziert wird, läuft die Arbeit beispielsweise im Baugewerbe zum Teil ohne ausreichende Schutzmaßnahmen weiter. Menschen, die versuchen ihren Protest in einer der Situation angepassten Form vorzutragen, werden eingeschüchtert und kriminalisiert. Parallel dazu verweigern H&M und Karstadt ihre Mietzahlungen.
Auch wenn all diese Vorkehrungen zeitlich begrenzt sind – worauf wir uns beispielsweise bei der Einschränkung der Demonstrationsfreiheit nicht verlassen sollten – so schaffen sie doch eine Atmosphäre der Akzeptanz für autoritäre Politik.
Wir sitzen alle im selben Boot?
Madonna meint die Krise mache alle gleich. Ein E- Promi in einem dieser dämlichen #danke-Clips hat
es treffender auf den Punkt gebracht: „Wir sitzen alle im selben Boot jetzt. Aber ihr müsst rudern.“ Was er vergisst zu sagen ist, dass diejenigen, die rudern müssen, auch schon davor unterbesetzt und unterbezahlt rudern mussten. An der Ausbeutung der lohnabhängigen Klasse hat sich nichts geändert. Im Gegenteil verschärft jede Krise die Situation von Menschen, die eh schon die Arschkarte gezogen haben. Die Belastung in der Pflege und an der Supermarktkasse ist noch größer geworden. Für Menschen, die in Geflüchteten-Camps, Ankerzentren oder auf der Straße leben müssen hat sich die Lage ebenfalls verschlimmert: Es gibt keine Möglichkeit Sicherheitsabstand zu halten, sanitäre und sonstige Versorgung fehlt und ein riskanter Krankheitsverlauf ist dort wahrscheinlicher. Frauen und Kinder sind durch den Shutdown verstärkt männlicher, häuslicher Gewalt ausgesetzt. Und während die Lufthansa und weitere Großunternehmen mit Milliarden an Steuergeldern unterstützt werden, werden weiterhin Leute in Kurzarbeit geschickt oder gefeuert und geringfügig Beschäftigte müssen schauen wie sie sich über
Wasser halten. Eine Gesellschaftsordnung, in der immer die Profite und niemals unsere Bedürfnisse im Vordergrund stehen, ist nicht in der Lage mit einer solchen Herausforderung menschenwürdig umzugehen. Durch rücksichtsloses Wirtschaften werden Arbeiter*innen und ihre Gesundheit tagtäglich ausgebeutet, durch Überproduktion und Spekulation weltweite Wirtschaftskrisen ausgelöst und unsere Umwelt und damit unser aller Lebensgrundlage zerstört. Wie ineffizient und menschenverachtend diese Produktionsweise ist, wird gerade dieser Tage überdeutlich. Momentan arbeiten laut Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) mindestens 46
Unternehmen und Forschungseinrichtungen an einem Impfstoff, jedoch fast alle voneinander getrennt. Die Produktion nicht lebensnotwendiger Güter mkönnte gestoppt oder reduziert werden, wäre der Profit nicht abhängig von unserer billigen Arbeitskraft und würden kleine Betriebe nicht vor dem sofortigen Aus stehen wenn sie die Arbeit einstellen müssen. Ein Gesundheitssystem, das Patient*innen nicht als Kundschaft abfertigt, sondern sich tatsächlich für die Genesung der Menschen und die Belange seines Personals interessiert, würde in einer solchen Situation und auch sonst angenehmer und besser funktionieren.
Und es wäre erheblich viel komfortabler Zuhause zu bleiben, könnten wir uns mit einem #danke unseren Bedürfnissen entsprechende größere schönere Wohnungen leisten.
Was bedeutet Solidarität?
Wie viele Krisen und damit einhergehend Verarmung und Abbau unserer Rechte wollen wir noch in Kauf nehmen? Wie lange wollen wir noch Menschen verhungern lassen, obwohl genug für alle da ist? Wie lange wollen wir dem täglichen Sterben auf der Welt noch zusehen, weil es in diesem System nicht um Leben sondern um Profit geht?
Angesichts der Pandemie wird deutlich, dass wir uns einem basisdemokratisch geplanten Wirtschaften und Leben zuwenden müssen. Nicht zuletzt an den gerade enstandenen Nachbarschaftsstrukturen fühlen wir wie spontan und solidarisch wir uns organisieren können. Das sollten wir uns erhalten, denn nach der Krise geht die Krise erst richtig los. Gerade wegen des momentanen politischen Stillstands sollten wir anfangen uns zu vernetzen und uns den Gründen der Krise selbst anzunehmen. Und dann sollten wir auch von all den Mitteln Gebrauch machen, die uns dieses System noch nie erlaubt hat, denn es hat seine Legitimation nicht erst seit Corona verspielt. Wilde Streiks, Besetzungen, Enteignungen – wir scheißen auf die Spielregeln, wenn das Spiel nicht fair ist.
Corona gemeinsam bekämpfen? – Ja, klar. Aber nicht auf unseren Rücken!