Von Anti-PC zu Anti-Antifa
Das schwarz-braune Band der Sympathie – von Anti-PC zu Anti-Antifa
Die Freiheitliche Jugend e.V. (FJ) sagt der „demokratiefeindlichen ‚political correctness‘“ den Kampf an (1). Auch die mittelfränkische Junge Union (JU) hielt es, angesichts der „allmächtigen politischen Korrektheit“, für nötig eine „konservative Eingreiftruppe“ zu gründen (2), die Konservative Initiative Mittelfranken (KIM). Die rechtsextreme Bürgerinitiative Ausländerstopp spricht von einer „Diktatur der politischen Korrektheit“(3) und sieht sich mit „Politikmafiosi“ und einer „Systemjournaille“ konfrontiert, die von einer „widerwärtigen Politischen Korrektheit“(4) geleitet würden. Was ist das ‚Besondere’ an dem Begriff „Political Correctness“, dass er so spektrenübergreifend Anstoß erregt?
Von der Anti-„Political Correctness“ …
Der Begriff „Political Correctness“ (PC) wurde von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre eingeführt, um die Diskriminierung von Frauen und gesellschaftlichen Minderheiten durch Sprache und in dieser sichtbar zu machen und zu überwinden. Einherging damit auch eine Infragestellung der bis dato „selbstverständlichen Dominanz der (weißen) angelsächsischen männlichen ‚mainstream’-Kultur und ihrer Träger im öffentlichen Leben“(5).
Diese emanzipatorische Bedeutung des Begriffs PC verkehrten rechte Ideologen im Laufe der 80er Jahre ins Gegenteil. PC dient ihnen als Code bzw. Synonym für einen halluzinierten antifaschistischen ‚Zeitgeist’. Denkverbote, „Maulkörbe“, Gesinnungs- bzw. Meinungsdiktatur und eine „neue Inquisition“ (6) sind in diesem Zusammenhang häufig gebrauchte Umschreibungen. PC wird, so das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, „als diffamierender Kampfbegriff benutzt, um die Bemühungen von Liberalen, Linken, Feministinnen, Vertretern von Minderheiten (…) um eine Öffnung der Gesellschaft, das Hinterfragen von überkommenen Tabus, Vorstellungen und Stereotypen zu karikieren und zu verfälschen“#.
Die Mitglieder der Jungen Union Mittelfranken beispielsweise, schenkt man ihren Worten glauben, zweifeln an der „multikulturellen Gesellschaft“ und am „exzessiven Feminismus“. Weiter wollen sie von einem, 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, „geschichtlich geläuterten“ Deutschland überzeugt sein können und ein „normalisiertes Nationalbewusstsein“ besitzen. Dies alles sei ihnen angeblich durch die Kontrolle von „PC-Kommissaren, die sie unter Faschismus-Verdacht“(7) stellten, verboten.
Die Umdeutung des Begriffes soll die Möglichkeit bieten, extrem rechte Inhalte wieder vertreten zu können, ohne an den Pranger gestellt zu werden und damit an Bündnis- und Kooperationsfähigkeit zu verlieren, d.h. die so genannte “Faschismusfalle??? zu umgehen. Außerdem lässt sich mit dieser Methode jede verbale Entgleisung als (schon lange notwendiger) Tabubruch und als Kampf für die Meinungsfreiheit stilisieren.
Ziel ist es, einen „Erneuerungsprozess“ in Deutschland, sprich eine Rückbesinnung auf konservative Werte, wie Familie, Volk, Religion und starken Staat, voranzutreiben. Als wichtige Stützen des vermeintlich „antifaschistisch geprägten Meinungsklimas“ werden bürgerliche Medien gesehen. So attackierte die Zeitschrift Transparenz der Medien Politik-Magazine, wie Monitor bzw. Panorama, oder den Journalisten Friedrich Küppersbusch. Transparenz der Medien wird von dem Erlanger Verein Bürger fragen Journalisten herausgegeben, der u.a. von Dietmar Straube, Erlanger ‚Regional-Medienmogul’ und Initiator der halbstündigen Fernsehsendung „Drehschreibe Franken“ auf der Frequenz von RTL, gegründet wurde.(8) Die bereits erwähnte Konservative Initiative Mittelfranken entdeckte gar ein „linkes Medienkartell“ und „journalistische Kommissare, die die Freiheit konservativer Andersdenkender erdrosseln“(9) würden.
… zur Anti-Antifa
Derselbe PC-Begriff dient auch neonazistischen Gruppierungen als theoretische Grundlage für ihre Feindjustierung. In diesem Spektrum wird bevorzugt das Schlagwort Anti-Antifa verwendet. Die Propaganda ist eine ähnliche: Im Neonazi-Heft Der Landser ist ebenfalls von den „gleichgeschalteten Nürnberger Systemmedien“(10) zu lesen. Der Nürnberger NPD-Ideologe Jürgen Schwab schreibt von einem „BRD-Regime“, das „einen Bürgerkrieg gegen einen beträchtlichen Teil des eigenen Volkes“ (11) führe. Die Fränkische Aktionsfront (FAF) will „Widerstand gegen die herrschenden antinationalen Zustände innerhalb des BRD-Regimes“ leisten.(12)
Anti-Antifa wird demnach als Verteidigungsstrategie, gar als Notwehr verstanden, sowohl der „herrschenden Political Correctness“ als auch den „prügelnden Antifas“ gegenüber.
Tatsächlich soll das Konzept Anti-Antifa ermöglichen, als „Feind“ definierte Personen einzuschüchtern, zu bedrohen und mundtot zu machen. Die Frauen in der Fränkischen Aktionsfront verstehen beispielsweise unter Anti-Antifa „die aktive und offensive Bekämpfung linkskrimineller Elemente“#.
In der Praxis sieht dies folgendermaßen aus: missliebige Personen werden fotografiert und namentlich erfasst. Diese werden dann beispielsweise auf sog. Schwarzen Listen im Internet, in speziellen Anti-Antifa-Heftchen, wie Der Einblick, und in Fanzines, wie Der Landser aus Nürnberg, öffentlich gemacht. Dass diese Veröffentlichungen in der Neonazi-Bewegung wohlverstanden werden, zeigen zahlreiche Übergriffe auf zuvor angeprangerte Personen und Einrichtungen.
So ist es wenig verwunderlich, dass bei Neonazi-Diskussionen Anti-Antifa als Mittel für den Aufbau sog. „befreiter Zonen“, gesehen wird. Und erst, so Jürgen Schwab, wenn „wir eines Tages wieder einen deutschen Staat haben, der diese Bezeichnung verdient, dann können wir die nationalbefreiten Zonen guten Gewissens auflösen, weil dann ganz Deutschland ‚befreite Zone’ für deutsche Bürger sein wird“(13).
Anti-Antifa in Mittelfranken
„Feindaufklärung“ wird in Mittelfranken von den sog. Freien Kameradschaften über NPD und JN bis hin zu ehemaligen Blood & Honour-AktivistInnen strömungsübergreifend betrieben. Gerade das von den Nationalisten Nürnberg herausgegebene Fanzine Der Landser machte in der Vergangenheit durch Anti-Antifa-Artikel auf sich aufmerksam. Darin wurden liberale Lehrer, Journalisten, antifaschistische Jugendliche bzw. Einrichtungen und Aussteiger aus der Neonazi-Szene „geoutet“. Diese Berichte unterscheiden sich insofern von anderen einschlägigen Publikationen, als dass es sich um recherchierte Artikel handelt und nicht, wie häufig der Fall, um Auflistungen von Geschäftsstellen von linken Parteien oder jüdischen Gemeinden, die aus Telefonbüchern abgeschrieben wurden. Auch eine Kampagne gegen die Monatszeitung raumzeit aus Erlangen war vergleichsweise durchdachter als von Anti-Antifa-Aktionen aus anderen Regionen bekannt. In Erlangen wurden unter anderem Briefe, die auf den vermeintlich linksextremen Charakter der raumzeit hinweisen sollten, an Geschäfte und Betriebe, die darin Anzeigen schalten, gesandt. Zuletzt wurde die Scheibe des Redaktionsbüros eingeworfen.
Diese Aktivitäten auf relativ hohem „Niveau“ spiegeln eine über 10-jährige Anti-Antifa-Praxis der regionalen Neonazi-Bewegung wider. In der Zeit wurden sowohl handwerkliche Fertigkeiten beim Recherchieren und Veröffentlichen verbessert, als auch ein gewisser Basis-Informationspool über die linke bzw. alternative Szene in der Region angelegt. Ein Beispiel für diese kontinuierlichen Aktivitäten ist der Nürnberger Norman Kempken. Seit Anfang der 90er Jahre ist er einer der Drahtzieher dieser „Feindaufklärungskampagne“. Er war Motor beim Erstellen des 1992 erschienen Heftes Der Einblick, dem ersten öffentlichen schriftlichen Ergebnis der damals bundesweit gestarteten Anti-Antifa-Kampagne. Heute ist er im Rahmen der Anti-Antifa Nürnberg aktiv.
Den organisatorischen Anfang in der Region machte die im Deutschen Freundeskreis Franken (DFF) eingebundene und noch heute aktive Anti-Antifa Franken (AAF). In der DFF-Zeitung Junges Franken veröffentlichten sie die ersten „Rechercheergebnisse“. Unter dem Titel „Der ausländerfreundlichste Mitbürger Frankens“ wurden dort antirassistisch engagierte Personen angeprangert. Auch das Bündnis gegen das KOMM, zu dem sich verschiedene rechtsextreme Organisationen zusammenschlossen, entstammt dem DFF. In einer Pressemitteilung erklärte dieses, die CSU, die ebenfalls gegen das KOMM mobil machte, in der folgenden Stadtratswahl im Jahr 1996 zu unterstützen.
Fazit
Anti-„PC“ ist die einigende Klammer des gesamtem rechten Spektrums. Ziel ist es, eine angebliche Gefährdung der Meinungsfreiheit zu konstruieren und AntifaschistInnen zu diffamieren. Andererseits soll die Rechte als Opfer dieser „Political Correctness“ dargestellt werden. Konservative Akteure benutzen den Begriff PC, um einen „Erneuerungsprozess“, sprich eine Rückbesinnung auf konservative Werte, zu forcieren. Militante Neonazis dagegen nutzen das Schlagwort PC vornehmlich, um gewalttätige Übergriffe zur Selbstverteidigung umzudeuten.
In Mittelfranken hat sich eine äußerst agile militante Anti-Antifa-Struktur etabliert. Ihre Veröffentlichungen der letzten Jahren gehören zum ‚Fundiertesten’, was die deutsche Neonazi-Bewegung im Zusammenhang mit „Feindaufklärung“ zu bieten hat. Die Befürchtung, dass die Hetze und der Terror gegen die ins Visier der Anti-Antifa geratenen Personen zunehmen wird, ist so mehr als gerechtfertigt.
Fußnoten
- zitiert nach N.N., Freiheitliche Jugend geht in Nürnberg an die Öffentlichkeit, in Newsletter des Bündnis Rechts (11.09.2002), Lübeck 2002, S. 2, Online-Version: www.buendnis-rechts.com/target/infodienst/infotelefon/info110902.pdf, 05.03.03.
- Hummel Dieter, Wider die Zeitgeistsegler in der Union, in Junge Freiheit Nr. 42 (20.10.95), Berlin 1995, S. 5.
- vgl. Wolfswind, Unterdrückung, Verfolgung, Verbote, Hassurteile, Artikel vom 13.07.2002 auf der BIA-Homepage, 12.08.02.
- vgl. Barbarossa SchwarzWeißRot, Infostand Werderau: Der Unmut brodelt unaufhaltsam heran im deutschen Volke!, Bericht auf der BIA-Homepage vom 21.06.02, 01.07.02.
- Dietzsch Martin und Maegerle Anton, Kampfbegriff aller Rechten: “Political Correctness???, Duisburg 2000.
- Topitsch Ernst, Schuldkult in den Massenmedien: Die ewige Zerknirschung dient als Instrument, als Nasenring, an dem die Deutschen gezogen werden, in Epoche, Nr. 133, Bad Reichenhall 1997, S. 40.
- Dietzsch Martin und Maegerle Anton, Kampfbegriff aller Rechten: “Political Correctness???, Duisburg 2000.
- vgl. Hummel Dieter, Wider die Zeitgeistsegler in der Union, in Junge Freiheit Nr. 42 (20.10.95), Berlin 1995, S. 5.
- vgl. Siegler Bernd, Eine rechte Karriere. Der Aufstieg des Unternehmers Dietmar S., in Hethey Raimund und Kratz Peter (Hg.), In bester Gesellschaft. Antifa-Recherche zwischen Konservatismus und Neo-Faschismus, Göttingen 19955, S. 241ff.
- Hummel Dieter, Wider die Zeitgeistsegler in der Union, in Junge Freiheit Nr. 42 (20.10.95), Berlin 1995, S. 5.
- Anti-Antifa Nürnberg, Antifa + Justiz = Freispruch, in Nationalisten Nürnberg (Hg.),Der Landser Nr. 7, Nürnberg 2001, S. 41.
- Schwab Jürgen, Warum nationalbefreite Zonen?, in Deutsche Stimme Nr. 4, Berlin 2002, S. 7.
- vgl. Fränkische Aktionsfront (Hg.), Konzept der Fränkischen Aktionsfront, Nürnberg 2001, S. 2.
- vgl. Frauen in der Fränkischen Aktionsfront, Frauen und die Anti-Antifa!, 18.09.2002.
- Schwab Jürgen, Warum nationalbefreite Zonen?, in Deutsche Stimme Nr. 4, Berlin 2002, S. 7.
Entnommen aus „Spezialitäten aus Mittelfranken“, antifaschistisches dokumentations- und informationsprojekt (adip), 2003