Unspoken Words 2012

Im Juli findet in der Desi in Nürnberg wieder das linke HipHop Festival „unspoken words“ statt. Grund genug für uns, mal bei den VeranstalterInnen von der organisierten autonomie und der Revolutionär organisierten Jugendaktion nachzuhaken, was genau da auf uns zukommt..

Am 21.07. findet in der DESI zum zweiten Mal in Folge das „unspoken words festival“ statt. Was erwartet uns denn dort?
Also erstmal ne kleine Korrektur… das unspoken words findet zum zweiten Mal von uns organisiert statt, das erste war aber schon 2005 am Meilwaldgelände – damals organisiert vom Verein zur Förderung alternativer HipHop Kultur und der USK-crew. Wir haben das Festival quasi nur wieder aus der Versenkung gezaubert, in die es dazwischen leider gefallen war…
Gut, aber zu 2012. Groß wird’s, insgesamt spielen 19 acts auf zwei Bühnen – das Festival ist also seit dem letzten Jahr enorm gewachsen. Darüber hinaus wird die hall of fame weiss gestrichen sein, damit Writerinnen und Writer sich austoben können, es gibt eine open stage, die für alle frei ist, die selbst noch rappen wollen und neben dem kulturellen gibt es außerdem ein inhaltliches Programm mit Vorträgen, Film, Diskussion und so weiter.. Nicht zu vergessen natürlich Fressstände, Infostände und so weiter..

Das Untermotto, das auf dem blog zu lesen ist lautet dann ja auch „still bigger“..
Genau. Das ist natürlich abgeleitet vom dead prez Klassiker „hiphop“ und drückt unseren Anspruch ans „unspoken words“ aus. Wir wollen nicht einfach ein HipHop Festival mit antikapitalistischen, linksradikalen Künstlerinnen und Künstlern machen, sondern ein Festival mit eben diesem Anspruch. Konkret heisst das, dass wir auch inhaltlich ein Angebot machen wollen, sich mit unserer Politik zu beschäftigen und vielleicht noch mehr mitzunehmen als – wow tolles Bühnenprogramm. Außerdem soll es natürlich auch dazu anregen, selber aktiv zu werden, über die Grenzen des Konsums von Kultur raus zu gehen, sich zu organisieren und so weiter.. Mit HipHop ist es da auf jeden Fall lange nicht getan, was wir machen ist halt größer…

Das weiss ja offensichtlich auch der Verfassungsschutz. Das letzte „unspoken words“ hats ja gleich mal auf Anhieb in den VS Bericht „geschafft“..
Ja, das stimmt. Irgendwas scheinen wir richtig zu machen (grinst).

Warum glaubt ihr ist das so? Was empfindet der Staat als so gefährlich an HipHop oder eurem Festival?
Naja, das ist ja nicht nur HipHop oder unser Festival, was da ins Augenmerk des Geheimdienstes rückt. Der VS hat sich im diesjährigen Bericht eh relativ ausführlich mit von ihm so genannter Hassmusik beschäftigt. Was hier passiert, passt einfach in den Umgang mit vermeintlichem „Extremismus“. Es wird nicht auf die Inhalte der Musik oder die politische Stoßrichtung geachtet, sondern hier wird unter dem Begriff „Hassmusik“ links und rechts gleichgesetzt – und das ist wohl auch das Ziel der Einführung des Begriffs und der Beobachtung solcher Events. Gleichzeitig bleibt sich der VS selbstverständlich treu und berichtet ausführlich genug über Festivals wie das „unspoken words“ – und nichts über kulturelle Veranstaltungen von Nazis und ihren UnterstützerInnen. Und gleich noch was, was wieder super passt: direkt nach dem „fight back Festival“ im Mai haben die Nazis vom „Freien Netz Süd“ einen Artikel über dieses Festival auf ihrer Homepage gehabt – auch wieder mit Bezug aufs „unspoken words“. Die Nazis bedanken sich für die Steilvorlage vom Staat – und wir fragen uns mal wieder – wer schreibt hier von wem ab?
Ach ja und eins noch: dass es extrem lächerlich und gleichzeitig alarmierend ist, wenn der Geheimdienst Nazis ungestört morden lässt und sie dabei noch tatkräftig unterstützt und gleichzeitig linke Festivals unter Beobachtung stellt und mit dem Begriff „Hassmusik“ diffamiert, darüber brauchen wir ja wohl nicht zu reden! Der VS ist und bleibt eine unkontrollierbare geheimdienstliche Institution, die aufgrund ihrer Geschichte und ihrer Entwicklung heillos mit Faschisten verstrickt ist und gehört ein für alle Mal abgeschafft!

Nun gut, jetzt aber auch mal wieder weg vom politischen Gegner hin zum „unspoken words“. Was auffällt, ist die enorme inhaltliche Breite, die von den Künstlerinnen und Künstlern selbst repräsentiert wird. Warum ist das so? Unterscheidet ihr an dieser Stelle nicht nach Inhalten?
Nein, das tun wir in diesem Fall tatsächlich relativ wenig, solange der Grundtenor stimmt. Gewisse Aussagen hätten im line up sicher nix verloren, aber die finden sich dann auch nicht. Uns ist es wichtig, dass hier alle möglichen „crews“ aus einer (ehrlich gesagt gar nicht existenten) linken und linksradikalen „HipHopszene“ zusammenkommen und nebeneinanderstehend auftreten können. Gerade das soll ein Zeichen im solidarischen Umgang miteinander setzen. Sicher, es gibt genügend inhaltliche Differenzen, die die acts voneinander, ebenso wie „uns“ als linksradikale Szene trennen und diese müssen auch diskutiert und ausgetragen werden – aber es gibt auch genügend Verbindendes und genügend, wofür es sich lohnt sich zusammen zu tun. Die krassen Abgrenzungsbedürfnisse, die heute häufig in irgendwelchen Auseinandersetzungen zu Tage treten und leider viel zu häufig Ausdruck in unsolidarischem oder unpolitischem Verhalten finden, schwächen uns insgesamt eher, als dass sie uns stärken. Das „unspoken words“ zeigt hier, dass es kein Thema ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden (auch wenn das hier „nur“ ein kultureller ist) und sich gegenseitig dabei nicht zu sabotieren, dasselbe sollte auch den alltäglichen Umgang miteinander und die politische Arbeit prägen. Relevant ist immer das, was man selber macht, nicht wie laut man über die anderen schimpfen kann. In Nürnberg hat das eigentlich bislang auch immer ziemlich gut geklappt und wir hoffen das bleibt so…

Das „unspoken words“ ist ja längst nicht die einzige Veranstaltung dieser Art, die OA und ROJA in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren gemacht haben. Was ist euer Ziel mit solchen Veranstaltungen?
(lacht) Hast den VS Bericht nicht gelesen oder was? Nein im Ernst, natürlich geht es uns zum einen darum, zu zeigen was die Linke an kultureller Vielfalt zu bieten hat und einfach Kultur zu machen, zum anderen aber auch darum, eigene Inhalte zu vermitteln, ansprechbar zu sein und so weiter. Es geht jetzt nicht darum, mit Kulturveranstaltungen Leute „zu ködern“ wie uns das vom Geheimdienst unterstellt wird, aber natürlich wollen wir die Leute vielleicht mit Themen konfrontieren, die für sie neu sind, die zum Nachdenken anregen und vielleicht einen Anstoß in Richtung antikapitalistischer Organisierung geben. Sinn und Zweck eines Konzertes ist aber das Konzert an sich, Kultur zu leben, Unterhaltung zu bieten und und und – eben linke Kultur ein Stück weit zu repräsentieren. Ich mein – was ist das Ziel von nem Philharmonie Konzert oder Klassik am See? Kultur eben..

Eine letzte Frage noch. Ihr macht relativ viel mit HipHop, wenig andere Veranstaltungen. Ist das beabsichtigt? Und warum ist HipHop überhaupt so relativ groß geworden in der Linken..
Das hat sich bislang ehrlich gesagt eher so ergeben, als dass wir das in irgendeiner Form mit Konzept machen. Insgesamt bietet HipHop mit dem hohen Textanteil wohl einfach ein anderes musikalisches Sprachrohr als zum Beispiel Punk – wobei das nicht heißen soll, das andere Musik diese Möglichkeit nicht bietet und es nicht zahllose andere, inhaltlich extrem gute und aussagekräftige Musik gibt – das wäre mehr als anmaßend! Es ist wohl auch eher eine kulturelle Entwicklung, es gibt mittlerweile eben jede Menge antikapitalistischen und linken/linksradikalen HipHop, und das wird auch gern gehört – und veranstaltet. Warum also kein Festival, das sich explizit dem widmet. Außerdem war die Resonanz unter den Acts letztes Jahr so gut, dass wir dieses Jahr fast bisschen überfahren wurden mit der Anzahl an Zusagen – ein „Zeckensplash“ hat also auf jeden seinen Platz in der linken Kultur! Und außerdem gibt es mit dem „fight back“ in Nürnberg ja schon ein wirklich großartiges Festival, auf dem Punk, Hardcore und ähnliches ihren Platz haben…

Noch was?
Na klar! Alle Infos, Kartenvorverkauf, Anmeldungen für die hall of fame (wer sprüht darf für lau rein – muss aber ernsthaft sein…) und so weiter gibt es auf: www.unspokenwords.blogsport.de

Erschienen in barricada – Juli 2012