Union Busting

Schmutziger Krieg gegen Gewerkschaften, Betriebsräte und betriebliche AktivistInnen

In betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfen geht es ans Eingemachte: Den Profit, also den zentralen Punkt und den Zweck kapitalistischen Wirtschaftens. Kein Wunder, dass UnternehmerInnen hier keinen Spaß verstehen. Während in Ländern wie Kolumbien weiterhin gerne Schusswaffen gegen GewerkschafterInnen eingesetzt werden, geht es in den Metropolen zur Zeit weniger brachial zu. Gesetze lenken den Widerspruch zwischen Lohnabhängigen und KapitalistInnen, beschränken die Möglichkeit zu streiken, garantieren Instrumente einer sehr begrenzten betrieblichen Mitbestimmung. Jedoch: Die Justiz in einer Klassengesellschaft ist immer eine Klassenjustiz. Wer durch diese Gesetzgebung den Kürzeren zieht ist also klar. Während so manch sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionär vielleicht noch an eine „Sozialpartnerschaft“ glaubt, entwickeln die KapitalistInnen einige Kreativität, um die Beschränkungen durch eine Gesetzgebung, die den reibungslosen Ablauf des Gesamtbetriebs der Ausbeutung sichern soll, zu umgehen. Dabei darf es ruhig auch ungesetzlich zugehen. Dafür hat man schließlich eine Klassenjustiz.

SpezialistInnen für die Bekämpfung gewerkschaftlicher Aktivitäten im Betrieb werden Union Buster genannt. Einige größere Unternehmen haben eine eigenständige Kultur und Tradition des Union Busting entwickelt, andere greifen auf externe Kräfte zurück. Diese sind in der Regel ManagementberaterInnen, IndustriepsychologInnen, ehemalige GewerkschafterInnen, vor allem aber auf das Arbeitsrecht spezialisierte AnwältInnen. Union Busting als Dienstleistung ist in den USA längst ein Milliardengeschäft. In Deutschland hat es einige Jahrzehnte gedauert, bis die Gewerkschaften realisierten, dass auch sie mit so unsozialpartnerschaftlichen und effizienten Methoden konfrontiert sind. Eine besonders umtriebige Anwaltskanzlei, die sich auf Union Busting spezialisiert hat, nennt sich Schreiner&Partner und bietet bundesweit Seminare an, in denen sie ihr Wissen über Gewerkschafts- und Betriebsratsbekämpfung und die Aushebelung elementarer Rechte verkauft. In Nürnberg hat sich anlässlich der Umtriebe dieser Kanzlei nun ein Bündnis gegründet. Unter dem schönen Namen BasG – Bündnis aktiv störender GewerkschafterInnen protestierten gewerkschaftliche BasisaktivistInnen gegen die Seminare, die am 14.1. und am 3.3. im Nürnberger Arvena Hotel stattfanden. Auf der website der Kanzlei wurden mittlerweile die Hotels, in denen zukünftige Seminare stattfinden sollen, nicht mehr genannt, denn auch in anderen Städten machen Initiativen auf die Machenschaften von Schreiner&Partner aufmerksam.

Das nächste Seminar ist für Dienstag, den 24.März angesetzt. Der vielsagende Titel: „Grenzen des Betriebsrats – So weisen Sie Ihren Betriebsrat in die Schranken“. Protest ist zu erwarten, denn, wie das Bündnis aktiv störender GewerkschafterInnen ankündigt: „Wir kommen, um zu stören! …immer wieder …versprochen!“

Union Busting – Import einer effizienten Methode

Union Busting Kampagnen finden in den USA üblicherweise anlässlich gewerkschaftlicher Organisierungsversuche statt. Um gewerkschaftlich vertreten zu werden, muss nach US-Arbeitsrecht die Mehrheit einer Belegschaft für eine solche Vertretung optieren. In Deutschland haben Gewerkschaften dieses Problem nicht. Sie sind in einem Betrieb vertreten, sobald sie nachweisen können, dass sie dort ein Mitglied haben. Hierzulande finden Strategien und Methoden der „Union avoidance“ oder „preventive labor relations“ zwar auch gegen Gewerkschaften, aktive Vertrauenskörper und Betriebsgruppen oder betriebliche Basisinitiativen Anwendung. Hauptsächlich eingesetzt aber werden sie gegen die Einrichtung eines Betriebsrates oder einen mißliebigen schon vorhandenen Betriebsrat.

Die Verhinderung von Betriebsratsgründungen oder die Beeinflussung von Betriebsratswahlen stellt eine Straftat dar. Das Recht, sich in Gewerkschaften zu vereinigen ist grundgesetzlich geschützt. Union Buster greifen auf ein großes Arsenal legaler und illegaler Mittel zurück, um ihre illegalen Ziele zu erreichen. Wer mit ihren teils sehr perfiden Methoden konfrontiert ist, neigt dazu, sich selbst erst einmal auf Paranoia zu überprüfen. GewerkschaftssekretärInnen halten die Berichte und Vermutungen von betroffenen AktivistInnen manchmal für maßlos übertrieben oder verschwörungstheoretischen Unsinn. Manche GewerkschaftsfunktionärInnen, etwa aus der NGG oder ver.di, sowie einige wenige IndustriesoziologInnen haben jedoch mittlerweile auch in deutschsprachigen Publikationen Union Busting beschrieben. Nach der Lektüre kann sich eine gewisse Erleichterung einstellen: Man war nicht paranoid. Es ist alles noch viel schlimmer als vermutet. Ein herausragendes Stück Literatur zum Thema sind die Confessions of a Union Buster von Martin J Levitt. Der Autor, eine recht üble Gestalt die mehrfach die Seiten gewechselt hatte, beschreibt darin seine eigene kriminelle Karriere als antigewerkschaftlicher Kampagnensöldner.

Kleines Union Busting ABC

Auf die Gefahr hin, dass einige LeserInnen demnächst ein Unternehmen gründen wollen, das dann nicht „beriebsratsverseucht“ sein soll, legen wir im folgenden – nur angerissen – einige Methoden des Union Busting dar. Das arbeitsrechtliche Repertoire, das auch zum Handwerkszeug jeder gewöhnlichen Personalabteilung gehört, lassen wir dabei weitgehend außen vor. Unseren Fokus legen wir auf den häufigen Fall der Vermeidung eines (gewerkschaftlich orientierten) Betriebsrates.
Man braucht ein wachsames, aktiv gewerkschaftsfeindliches und entsprechend motiviertes Management. Deshalb sollte es Bestandteil der Firmenkultur sein, dass gewerkschaftliche Organisierung oder eine Betriebsratsgründung als Managementversagen angesehen wird.
Präventivmaßnahmen bestehen in der Einrichtung von Runden Tischen, Komitees und sonstigen „Mitsprachemöglichkeiten“, die natürlich – anders als ein Betriebsrat – keinerlei Rechte haben. Außerdem sollte die Mitarbeiterloyalität und -zufriedenheit regelmäßig durch Umfragen überprüft werden. Auch Störenfriede können so unter Umständen frühzeitig identifiziert werden.

Wenn der Versuch einer Betriebsratsgründung ins Haus steht, muss der Unruheherd identifiziert werden. Die psychologische, politische oder sonstige Motivation der UnruhestifterInnen wird eingeschätzt. Einzelgespräche mit Drohungen oder Angeboten wirken in diesem Stadium oft Wunder. Alle verfügbaren Informationen über die Störenfriede– auch privater Natur – werden nun zusammengetragen. Ihr Umfeld im Betrieb wird identifiziert.
Falls der Kern der AktivistInnen nicht aufgibt, sollte eine Kategorisierung der gesamten Belegschaft erfolgen – von „sicher unternehmensloyal und bereit antigewerkschaftlich aktiv zu werden“ bis „sicher gewerkschaftlich orientiert und entschlossen, einen Betriebsrat zu gründen“. Erstere stellen die Front dar, müssen auf eine Antibetriebsratskampagne eingeschworen und mit den Botschaften versorgt werden, die sie unter die Belegschaft bringen sollen. Manche Propaganda gegen einen Betriebsrat oder gegen KollegInnen wäre illegal, wenn sie von der Geschäftsleitung käme. Sie ist nicht illegal, wenn sie die geäußerte „Privatmeinungen“ loyaler MiarbeiterInnen sind. Auch bei illegalen Aktivitäten der Front kann die Geschäftsleitung die Hände in Unschuld waschen. Die Belegschaftsteile in den mittleren Kategorien gilt es zu gewinnen, einzuschüchtern oder zu verunsichern. Die Einteilung in Kategorien muss regelmäßig angepasst werden.

Desinformation ist von zentraler Bedeutung. Gerüchte und purer Unsinn werden in Umlauf gebracht. Die Verunsicherung der Belegschaft steigt. Mögliche Inhalte: Wenn die Gewerkschaft sich hier einmischt musst du Mitglied werden und 10 Prozent deines Lohns abgeben. Ein Betriebsrat sorgt dafür, dass du nur noch in Teilzeit arbeiten darfst. Wenn hier ein Betriebsrat entstehen soll, wird die Niederlassung geschlossen. Leute, die hier einen Betriebsrat wollen, werden von der Konkurrenz bezahlt, um unser Unternehmen kaputtzumachen. Einzelgespräche sollten jetzt mit allen MitarbeiterInnen geführt werden – mit jeweils auf den Einzelfall abgestimmter Argumentation.

Die Belegschaft muss gespalten und der Konflikt mit möglichst großer Schärfe ausgetragen werden. Es wird klargemacht, dass Mobbing gegen die AktivistInnen erwünscht ist und belohnt wird. In diesem Stadium haben viele MitarbeiterInnen die Schnauze voll von all dem Ärger und Stress im Betrieb und wenden sich von der Idee einer Betriebsratsgründung ab. Exemplarische Bestrafungen sind jetzt angesagt und Kündigungen ratsam – auch wenn diese später vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt werden. Operationen unter falscher Flagge, die den AktivistInnen in die Schuhe geschoben werden, anonyme diffamierende Anrufe und Briefe an die Gewerkschaft sorgen für weitere Spaltung und Verunsicherung. Wenn es zu ersten Schlägereien und demolierten Autos kommt: Umso besser.

Rechtliche Fehler sollten provoziert werden. Zum Beispiel durch eigene Rechtsbrüche. Der Nürnberger Kinomogul Weber lieferte einmal ein anschauliches Beispiel hierfür. Als im Cinecitta ein Betriebsrat installiert werden sollte, verweigerte er den InitiatorInnen einfach die Räumlichkeiten für die Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes. Dass diese Versammlung dann kurzerhand im Freien abgehalten wurde, führte zu ihrer Unwirksamkeit, da sie nunmehr öffentlich war.

Und so viele Methoden gibt es noch, die mit fingierten Diebstählen, offenem Ausspionieren durch Detektive, abendlichen Hausbesuchen und der Belästigung von Familienmitgiedern zu tun haben. Dank Union Busting können sich Lohnabhängige, die einfach nur einen Betriebsrat wollen und Betriebsräte, die einfach nur ihren Aufgaben nachkommen möchten, über hardcore-mobbing und Kündigungen freuen. Einen Teil der Antwort hierauf beginnt nun das Bündnis aktiv störender GewerkschafterInnen zu geben. Ihm ist viel Aufmerksamkeit und eine breite Beteiligung an seinen Aktionen zu wünschen.
Informationen zu Schreiner und Partner:
www.arbeitsunrecht.de

Erschienen in barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – März/April 2015