Tønsberg dichtmachen
Ende November eröffnete in Nürnberg ein „Tønsberg“-Laden, der die bei FaschistInnen beliebte Marke Thor Steinar verkauft. Bereits am Tag der Eröffnung protestierten einige Menschen gegen den Laden. Einen Tag später gab es dann die erste größere Kundgebung mit 150 TeilnehmerInnen. Seitdem werden die PassantInnen und AnwohnerInnen nahezu während der gesamten …ffnungszeiten des Tønsberg durch Flugblattverteilungen und zahlreiche Kundgebungen über den unerwünschten Laden und die Hintergründe zur Marke Thor Steinar informiert.
Der Oberbürgermeister und seine SPD drücken, wie zu erwarten, unter dem Druck der durch die Antifa hergestellten …ffentlichkeit, ihr Bedauern über die Existenz des Ladens aus. Sie kündigen an, „zu prüfen“, ob es möglich sei, ihn wieder loszuwerden. Konkrete Schritte haben die Stadt und ihre €mter freilich nicht unternommen. Die Nürnberger Polizei allerdings schon. Die schützt das Recht der lokalen Naziszene, sich ungestört mit Thor Steinar-Klamotten einzudecken und betreibt zur Sicherung des Ladens einen beträchtlichen Aufwand.
Warum Tønsberg weg muss
Seit sechs Jahren gibt es die Marke Thor Steinar. Vertrieben wird sie von der Firma Mediatex GmbH, welche von Uwe Meusel und Axel Kopelke gegründet wurde. Dem Brandenburger Kopelke, der die Marke international registrieren ließ, werden Verbindungen zur Neonaziszene nachgesagt. Er selbst meint bezüglich seiner Haltung zur Rechten: „Ich muss mich hier nirgendwo distanzieren.“ Die Thor Steinar Klamotten wurden in der Naziszene und ihrem Umfeld schnell populär. Das lag an den Inhalten der Aufdrucke und Aufnäher, die meistenteils uneindeutig und teils auch unauffällig mit Bezügen zur NS-Armee, zum deutschen Kolonialismus und anderen rechten Identifikationsthemen spielen, aber auch am zunächst verwendeten Logo der Marke. Eine S- und eine T-Rune waren so angeordnet, dass bei leichter Drehung des Logos die zwei Sig-Runen der SS zu erkennen waren. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls sah, aufmerksam geworden durch antifaschistische Aktivitäten gegen Thor Steinar und mehrere Strafanzeigen, in dem Logo ein verfassungsfeindliches Kennzeichen. Unter dem Druck eines Verbotsurteils (das später aufgehoben wurde), änderte Mediatex das Markenlogo. Das Oberlandesgericht, welches das Verbot des Kennzeichens aufhob, hielt immerhin fest, „dass die Textilien der Marke „Thor Steinar“ durch ihre farbliche Gestaltung und verwendete Aufschriften gerade Personen der rechtsextremen Szene ansprechen und dies mutmaßlich vom Hersteller auch so beabsichtigt ist.“ Das ist recht vorsichtig formuliert, wenn man sich die Motive auf den importierten Textilien ansieht. Da sind automatische Kriegsgewehre zu bestaunen, versehen mit Aufschriften wie „Weidmanns Heil!“ oder „Shooting Club“. Auch für die Gewaltphantasien speziell der „Anti-Antifa“ ist etwas dabei: Ein Sturmgewehr mit der Aufschrift „Hausbesuche“. Desweiteren gehören, neben der üblichen pseudonordischen (Runen-)Symbolik, Kriegsgerät der Naziwehrmacht (Versehen etwa mit den Aufschriften „Luftlande Division“, „Wassersport“ oder „Flugschule“) zum Repertoire der Marke. Allen, die sich eingehender mit der verwendeten Symbolik und den unappetitlichen Motiven beschäftigen wollen, sei die Broschüre „Investigate Thor Steinar“ empfohlen (im Internet unter: investigatethorsteinar.blogsport.de ).
Während Marken wie Lonsdale oder Fred Perry, die zeitweise von Nazis vereinnahmt und zu Identifikationszwecken mißbraucht wurden, sich offen und massiv von den Rechten distanziert haben und auf diesen Teil ihrer Kundschaft verzichteten, unternimmt Mediatex selbstverständlich nichts in diese Richtung. Nachdem die Marke sich dank der Gegenkampagne und zahlreicher daraus resultierender Verbote in Einrichtungen, Fußballstadien usw. nicht als rechtsoffene Mainstreammarke etablieren konnte, bleibt ihr nur ihr Marktanteil bei der rechten Szene. Die provokativen Ladeneröffnungen in mehreren Städten in Deutschland dürften auch dazu dienen, in der Naziszene und deren Umfeld an Glaubwürdigkeit und Popularität zu gewinnen und den Internetversand und Outlethandel an diese Klientel anzukurbeln. Tatsächlich wird der Tønsberg-Laden in Nürnberg fast ausschließlich von eindeutig Rechten frequentiert. Dem Vernehmen nach gibt die Kundschaft Dinge wie „Judenpresse!“ (zu einem Journalisten des bayerischen Rundfunks) oder „geht arbeiten, Kanaken!“ von sich. Beliebt ist die Marke allenfalls noch bei einigen deutschen Zivilpolizisten, die AntifaschistInnen provozieren wollen oder eben gerne auf ihre Gesinnung aufmerksam machen möchten.
Nürnberger AntifaschistInnen aktiv gegen Thor Steinar
Seit der Eröffnung des Tønsberg in der Nürnberger Doktor-Kurt-Schumacher-Straße, direkt gegenüber dem Gewerkschaftshaus und der „Straße der Menschenrechte“, reist der Protest nicht ab. Durch die schnelle Reaktion antifaschistischer Personen und Gruppen gelang es umgehend, das Thema in die Lokalpresse zu bringen und sowohl die Stadt als auch den Vermieter zu Stellungnahmen zu drängen. Letzterer versichert (wohl glaubhaft), von der Ausrichtung des Ladens nichts gewußt zu haben und ihn schnellstmöglich wieder loswerden zu wollen. Zahlreichen NürnbergerInnen wurden durch die an sechs Tagen in der Woche während der …ffnungszeiten des Ladens stattfindenden Flugblattverteilungen die Hintergründe zu Thor Steinar erklärt. Laufkundschaft konnte der Tønsberg folglich nicht gewinnen, was ein wenig wohl auch daran liegen könnte, dass der Laden und sein Personal nicht nur von der Polizei beschützt werden, sondern auch von nicht gerade einladend wirkenden, offenbar importierten, Glatzen.
Stadt und Staatsgewalt? Das übliche!
So positiv die Reaktionen der PassantInnen auf die Antifapräsenz auch sind, unangenehm auffallen muss auch in diesem Zusammenhang wieder die Nürnberger Polizei. Bei der ersten Demonstration am Tag nach der Eröffnung des Ladens wurden die TeilnehmerInnen, als sie in die Nähe des Klamottengeschäfts kamen, von der Polizei angegriffen. Durch eine Schlagstock- und Pfefferspray-Attacke wurden mehrere Menschen teils schwer verletzt. Eine Frau, die sich als Demoanmelderin zu erkennen gab und zur Einsatzleitung wollte, wurde mit einem Faustschlag niedergesreckt. Auch die FlugblattverteilerInnen werden des öfteren mit Polizeischikanen und Kontrollen konfrontiert. Manche Nürnberger Beamte meinen, den NazigegnerInnen Platzverweise erteilen zu müssen.
Wer sich an das Verhalten der Polizei und Nürnberger Stadtspitze am 1.Mai diesen Jahres erinnert, den verwundert weder das Auftreten der Polizei noch die Idee in Nürnberg einen Thor Steinar Laden zu eröffnen. Am 1. Mai ermöglichten Stadt und Polizei einen fast ungestörten NPD-Großaufmarsch, indem ein ganzer Stadtteil abriegelt wurde damit die NationalsozialistInnen aufmarschieren konnten. Ihre Marschroute, die für sie reservierte U-Bahn und den Hauptbahnhof durften die Nazis an diesem Tag als polizeilich gesicherten Freiraum zur Begehung von rechten Straftaten erleben, während gleichzeitig antifaschistische Menschen von wildgewordenen Polizisten zusammengeschlagen wurden. Die Nazis fühlten sich unter diesen Bedingungen sichtlich wohl, auch wenn tausende NürnbergerInnen sich ihnen trotz des gewalttätigen polizeilichen Schutzes des Naziaufmarsches entgegenstellen wollten. Die Stadtspitze, allen voran Oberbürgermeister Ulrich Maly, rief auch noch dazu auf, fernab der Nazis zu demonstrieren. Dadurch sollte breiter, spektrenübergreifender antifaschistischer Widerstand verhindert werden.
Wie geht’s weiter?
Wirkliche Verbündete gegen die unakzeptable Existenz des Tønsberg hat die Antifa aber unter anderem in Gewerkschaftsgliederungen. So heißt es in einem Bericht des Antifaschistischen Aktionsbündnisses auf Indymedia: „Seit einigen Tagen ruft nun auch die Verdi Jugend dazu auf, den Laden so schnell wie möglich zu schließen. Mit Flugblättern und Plakaten bewerben sie eine Demonstration des Antifaschistischen Aktionsbündnis Nürnberg [AAB], die am 20.12. stattfinden soll. Doch nicht nur auf dem Papier unterstützen sie die Forderung der Antifas: Heißgetränken, sowie einem 60 qm großen Transparent, das in den kommenden Tagen aufgehängt wird, stellt das gegenüberliegende DGB-Haus dem Widerstand gegen Nazistrukturen in Nürnberg zur Verfügung.“ Es ist zu erwarten, dass die bereits beachtlichen Aktivitäten der AntifaschistInnen erst der Anfang sind und die Kampagne – früher oder später – zur Schließung des Tønsberg führt. Bleibt zu hoffen, dass durch diese Kampagne antifaschistische Arbeit und Bündnisse in der Region weiter gestärkt und ausgebaut werden und der Druck auf all jene wächst, die praktischen und engagierten Antifaschismus mit Repression überzogen sehen wollen.
Aktuelle Informationen zu Aktivitäten gegen den Tønsberg-Laden in Nürnberg findet ihr unter: www.redside.tk
Weiterführende Informationen zu und Aktivitäten gegen Thor Steinar unter:
investigatethorsteinar.blogsport.de, stopthorsteinar.blogsport.de, www.antifa.de
Und so geht’s erstmal weiter:
Montag bis Freitag von 10 bis 19 Uhr
Flugblattverteilungen vor dem Laden (Kurt-Schumacher-Str. 8)
Samstag, 13.12., 10 bis 18 Uhr
Kundgebung auf dem angrenzenden Kornmarkt + Flugblattverteilung vor dem Laden
Samstag, 13.12., 18 Uhr, Schwarze Katze
Infocafé der Autonomen Jugendantifa [AJA] zur Kampagne „Stopp Thor Steinar“
Samstag, 20.12., 14 Uhr
Demonstration: Startpunkt ist der Platz vor dem Ex-Komm (K4), die Route führt durch die Innenstadt zum „Thor-Steinar“-Laden (Kornmarkt),
barricada – Dezember 2008