Neonaziaktivitäten in Nürnberg und Fürth

In den letzten Monaten kam es in Fürth immer wieder zu körperlichen Übergriffen von Nazis auf (vermeintliche) politische GegnerInnen. Auch im neuen Jahr kam es zu Anschlägen auf den Fürther „Eine Welt Laden“ und einen Kiosk am Fürther Gewerkschaftshaus. Währenddessen treten die Nürnberger Neonazis vor allem durch Gerichtsprozesse in Erscheinung. So fand Anfang Januar der sogenannte „Anti-Antifa“ Berufungsprozess gegen die Nürnberger Neonazis Sebastian Schmaus und Michael Reinhardt statt. Im Folgenden werden wir die Aktivitäten der Nürnberger und Fürther Neonazis etwas näher beleuchten.

Faschistische Gewalt in Fürth

Nachdem es der Fürther Neonaziszene im Januar 2008 nicht gelang genug Unterschriften für den Antritt der NPD zu den Kommunalwahlen zu sammeln, verübten Nazis in den darauf folgenden eineinhalb Jahren zahlreiche Anschläge, bei denen ein Sachschaden im fünfstelligen Bereich entstand. Es wurden Autos und Wohnungen von engagierten BürgerInnen und AntifaschistInnen beschädigt, die Scheibe des GEW-Büros und das Eingangsschild des Fürther Gewerkschaftshauses zerstört.
Während dieser Zeit traten nahezu alle aktiven Fürther Neonazis, aufgrund interner Streitigkeiten mit dem Landesvorstand, aus der NPD aus und sind seit dem im neu gegründeten bayernweiten Kameradschafts-Zusammenschluss „Freien Netz Süd“ (FNS) aktiv. Dabei tritt der Neonazikader Matthias Fischer aus Fürth/Stadeln, der im Sommer letzten Jahres wegen Volksverhetzung zu mehreren Monaten Haft verurteilt wurde und diese wohl seit einigen Tagen im Knast absitzt, als einer der Köpfe des FNS auf.
Im Gegensatz zu der Zeit als die Fürther Neonazis in der NPD und deren Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN)  organisiert waren, schaffen sie es nun kaum mehr Jugendliche aus dem Fürther Land zu rekrutieren. Allerdings gelang es ihnen im Lauf des letzten Jahres mehrere teils ältere und in Fürth ansässige Neonazis  zu(rück zu)gewinnen. So handelt es sich zur Zeit bei den in Fürth aktiven Neonazis überwiegend um perspektivlose Personen, die ihre meiste Zeit in verschiedenen Kneipen verbringen.
In den letzten Monaten des vergangenen Jahres kam es dann zu einer Steigerung der faschistischen Gewalt. An mehreren  Abenden (vor allem Freitags) wurden AntifaschistInnen in der Innenstadt von Neonazis beleidigt, bedroht und angegriffen. Dabei taten sich vor allem zwei Kneipen als Treff- und Ausgangspunkt der Nazis hervor. Das bereits Anfang 2009 als Nazitreffpunkt aufgefallenen „Schilderhaus“ auf der südlichen Seite des Hauptbahnhofs und der zentral hinterm Rathaus gelegene „Treffpunkt“. Von dort aus bewegten sich die Fascho-Gruppen durch die Innenstadt. Insbesondere das Kneipenviertel um die Gustavstraße und der Hauptbahnhof wurden zum Schauplatz der Übergriffe. Beispielsweise kam es im November gleich zu mehreren Gewaltakten, so wurde ein Gewerkschaftler auf dem Nachhauseweg von Neonazis, die aus der Gaststätte „Schilderhaus“ kamen, angegriffen und getreten. Die herbeigerufene Polizei empfahl dem Nazigegner in Zukunft einen anderen Nachhauseweg zu wählen, wenige Tage danach leugnete die Polizei sogar den Übergriff, obwohl eine Anzeige vorliegt. Eine Woche später wurden vier AntifaschistInnen von über zehn Neonazis in eine Kneipe in der Gustavstraße verfolgt, dort wurden sie von den Neonazis mit Aschenbechern und Gläsern beschmissen. Die von den Kneipenbetreibern gerufene Polizei ließ die gewalttätigen Neonazis ohne nähere Befragung ziehen. Insgesamt kam es laut der Antifaschistischen Linken Fürth (ALF) zu einem Dutzend solcher oder ähnlicher Attacken.
Federführend bei der Gruppe von Neonazis, von denen die Übergriffe ausgehen, sind Sascha Rudisch und Peter Rausch. Rudisch wohnt in der Fürther Gustavstraße und ist u.a. wegen Körperverletzung an seiner Ex-Ehefrau und Bedrohung und Nötigung – er hatte einen Migranten mit einer Gaspistole bedroht – vorbestraft. Der in Zirndorf wohnhafte Rausch trat auch schon mehrmals  durch Angriffe auf AntifaschistInnen in Erscheinung, außerdem ist er für seine Gewaltausbrüche gegen eigene „Kameraden“ bekannt.
Aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit der ALF gelangte das Thema Nazigewalt auch in die Fürther  Nachrichten und wurde dort ausführlich diskutiert. Besonders auffällig ist dabei, dass die Fürther Stadtspitze das Neonazi-Problem ignoriert bzw. versucht klein zu reden. Genauso wie die Fürther Polizei und ihr Chef Roman Fertinger, die auch vom Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus (BgR) scharf kritisiert werden. Und obwohl die Fürther Polizei es in den letzten Jahren nicht schaffte oder  nicht schaffen will, auch nur einen einzigen Neonazi-Angriff aufzuklären, wird sie weiterhin vom Fürther OB Jung verteidigt, der die Polizeiarbeit sogar als „in allen Bereichen erfolgreich und konsequent“ bezeichnet.
Wie erfolgreich die Arbeit der Fürther Polizei ist, konnte man auch schon in diesem Jahr beobachten. In der Nacht auf den 27. Januar, dem 65. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, verübten Neonazis weitere Anschläge. Beim „Eine Welt Laden“, Mitglied im BgR,  wurde die Scheibe eingeschmissen und ein Kiosk am Fürther Gewerkschaftshaus, der als „Werbetafel“ für die Linkspartei fungiert, wurde mit Farbbeuteln beworfen. Nicht überraschend, aber deswegen nicht weniger skandalös: die Polizei sieht keine Anhaltspunkte für einen neonazistischen Hintergrund der Taten.

Nürnberger Neonazis vor Gericht

Anfang Januar wurde am Nürnberger Landgericht die Berufung des sogenannten „Anti-Antifa“ Prozesses verhandelt. Der rechtsextreme Stadtrat Sebatian Schmaus und sein Mitbewohner Michael Reinhardt waren im Mai letzten Jahres wegen Verstoßes gegen das Kunsturheberrecht verurteilt worden. Die beiden hatten Porträt-Bilder von politischen Gegnern angefertigt und auf der Homepage der „Anti-Antifa“ veröffentlicht. Wenige Tage vor dem Berufungsprozess war Reinhardt  in Cham wegen Körperverletzung zu einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er hatte bei einem Nazi-Aufmarsch eine Antifaschistin getreten, sogar noch als sie am Boden lag.
Der Prozesstag am im Nürnberger Justizpalast begann mit einem rabiaten Einsatz der Berufsschläger des USK. Diese schmissen mehrere antifaschistische ProzessbeobachterInnen aus dem Gerichtssaal, da das USK einige Plätze für die zu spät kommenden Neonazis reservieren wollte. Was, nebenbei, in öffentlichen Prozessen gar nicht erlaubt ist.
Im Prozess selbst gestanden die beiden Neonazis die ihnen gemachten Vorwürfe im Gegensatz zum ersten Prozess. Dass sie dies ausschließlich deshalb taten, um ihren Neonazifreunden von der „Anti-Antifa“ Norman Kempken und Matthias Fischer einen Auftritt im Zeugenstand zu ersparen liegt nahe. So verwarf das Gericht einen entsprechenden Antrag der Nebenklage, die durch eben diese Zeugenaussagen näher auf die „Anti-Antifa“ Tätigkeit der Angeklagten eingehen wollte. Letztendlich nutzten auch die Hetzplädoyers der beide Anwälte Frank Miksch und Stefan Böhmer, beides selbst aktive Neonazis, nichts. Schmaus wurde zu 8 Monaten Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung verurteilt, dabei wurde die Strafe mit einem früheren Verurteilung wegen Trunkenheit im Straßenverkehr zusammengefasst. Reinhardt, der noch nach Jugendrecht verurteilt wurde, muss 1500 € bezahlen.
Doch dieser Berufungsprozess war nicht der letzte Auftritt der beiden Neonazis und FNS-Mitglieder vor Gericht. Michael Reinhardt wird sich in kürze am Amtsgericht in Weiden einfinden müssen, beim 1.Mai Aufmarsch 2009 des FNS in Weiden soll er schon einmal handgreiflich geworden sein. Und auch Schmaus muss im Februar wieder auf der Anklagebank Platz nehmen und könnte dadurch sein Stadtratsmandat verlieren. Ihm wird zusammen mit drei weiteren Neonazis „Gemeinschaftliche Körperverletzung und Sachbeschädigung auf öffentlichen Wegen“ vorgeworfen. Während sich Schmaus und Reinhardt also noch auf freiem Fuß befinden kam ein weiterer „Kamerad“ des FNS und langjähriger Aktivist der Fränkischen Aktionsfront (FAF), Frank Zunner, anfang Februar für mehrere Monate hinter Gitter.
Ansonsten ist es in den letzten Monaten relativ ruhig um die Nürnberger Nazis geworden. Allerdings hat die bayerische NPD einen Aufmarsch für den 1.Mai von Nürnberg nach Fürth angemeldet, das FNS mobilisiert unterdessen zu einem eigenen Aufmarsch nach Schweinfurt, was mal wieder für erheblichen Zündstoff in der Naziszene gesorgt hat.
Wir werden euch in den nächsten Monaten über die geplanten Gegenaktivitäten auf dem Laufenden halten.


Erschienen in barricada – Februar 2010