Nato Sicherheitskonferenz 2014 – Was bleibt!
Auch die diesjährige NATO-Sicherheitskonferenz verabschiedete sich innerhalb kürzester Zeit nach deren offiziellen Beendigung aus der medialen Öffentlichkeit. Im Vorhinein schien die diesjährige TeilnehmerInnenliste zum Jubiläumsgipfel (50 Jahre Sicherheitskonferenz) noch pompöser als all die Jahre zuvor. Etliche hundert führende PolitikerInnen und ManagerInnen, hohe MilitärvertreterInnen und WissenschaftlerInnen aus dutzenden Ländern ließen es sich nicht nehmen, auch dieses Jahr, als BeobachterIn oder TeilnehmerIn, bei der stetig andauernden machtpolitischen Umstrukturierung des gesamten Globus durch die herrschenden Klasse mitzureden. Über 90 Delegationen, eine Vielzahl von Staats- und Regierungschefs, dutzende Außen und VerteidigungsministerInnen, US-SenatorInnen, EU-KommissarInnen sowie etliche Bundestagsabgeordnete und ebenso viele Vorstandsvorsitzende internationaler Konzerne waren mit von der Partie. Themen waren wie schon die letzten Jahre über auch neben der europäischen Schuldenkrise, die Vernetzung des militärisch industriellen Komplex als auch die Planung von militärischen Interventionen von Mali bis in den Nahen Osten. Eine der zentralen Fragestellungen war wieder einmal die sogenannte Energiesicherheit, welche den großen Industrienationen zunehmend mehr Kopfzerbrechen bereitet. Auch die Begrifflichkeit des Cyberterrorismus und die entsprechende Reaktion der neuzeitlichen DespotInnen darauf wurde ausgiebig diskutiert. All jene VertreterInnen der teilnehmenden Staaten mit ihren imperialistischen Machtansprüchen bekamen auch dieses Jahr ein herausragendes Forum geboten ihre jeweiligen Interessen mit Freund und Feind abzugleichen bzw. auszuhandeln um danach entsprechende Erfolgsstrategien auszurichten.
Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!
Im besonderen Fokus standen dieses Jahr die frisch gekürte deutsche Verteidungsministerin Ursula Von der Leyen (CDU) sowie der Bundespräsident der BRD Joachim Gauck. Bundespräsident Gauck hat auf der Sicherheitskonferenz eine stärkere Rolle Deutschlands in EU und Nato gefordert. Man dürfe bei Militäreinsätzen nicht nur Nein sagen. Er forderte von Deutschland ein deutlich ausgeweitetes Engagement in der Außenpolitik gefordert. „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen“, sagte Gauck bei der Eröffnung der 50. Münchner Sicherheitskonferenz. Es ist das erste Mal, dass ein deutsches Staatsoberhaupt das weltweit bedeutendste informelle Treffen zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eröffnete. Gauck sagte, gestützt auf seine Erfahrungen bei der „Sicherung von Menschenrechten“ und „Rechtsstaatlichkeit“ könnte Deutschland entschlossener weitergehen, um den Ordnungsrahmen aus Europäischer Union, Nato und den Vereinten Nationen zu erhalten und zu formen. „Die Bundesrepublik muss dabei auch bereit sein, mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihr über Jahrzehnte von anderen gewährt wurde“. Gauck äußerte sehr deutlich, dass das Prinzip der staatlichen Souveränität und der Grundsatz der Nichteinmischung, nicht weiterhin Regierungen unantastbar machen dürfe. In seinem Plädoyer für eine stärkere Rolle Deutschlands im Rahmen von EU und Nato schloss Gauck ausdrücklich militärisches Engagement ein. „Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen, wird politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen“, sagte er. „Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird – der Einsatz der Bundeswehr –, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip ’nein‘ noch reflexhaft ‚ja‘ sagen.“
Der Bundespräsident appellierte dabei an die Deutschen, das in der Nachkriegsgeneration noch verbreitete Misstrauen gegenüber der deutschen Staatlichkeit abzulegen und Deutschland in einer „Grundhaltung des Vertrauens“ zu begegnen. „Wer sich selbst vertraut, gewinnt die Kraft, sich der Welt zuzuwenden. Wer sich selbst vertraut, ist verlässlich für die Partner“, sagte Gauck.
Auch Von der Leyen berichtete auf der Konferenz von ihren Träumen, Wünschen und Vorstellungen wie die Rolle der deutschen Bundesregierung künftig auszusehen hat. Bei ihrer Rede erwähnte sie, dass sie miterlebt habe wie intelligent die deutschen Streitkräfte ihre Fähigkeiten und ihre Ressourcen bündeln und Kräfte zusammenführen können. Mit vielen im Regional Command North Afghanistan vertretenen Partnernationen habe sich Deutschland bereits dahingehend verständigt, die Zusammenarbeit über ISAF hinaus im Rahmen der Mission Resolute Support fortzuführen. Ein entsprechendes Mandat aus dem Bundestag wurde übrigens erst Wochen später verabschiedet.
„In diesem Zusammenhang ist Deutschland bereit, sich auch weiterhin im Norden des Landes als Leitnation zu engagieren“. Weiter äußerte die Ministerin „Meine Damen und Herren, multinationale Zusammenarbeit in ihrer besten Ausprägung ist nicht auf Afghanistan beschränkt. Sie war bereits ein Erfolgsrezept über einen Zeitraum von fast 20 Jahren bei unseren Balkan-Einsätzen, und sie ist an der Tagesordnung auf unseren Schiffen am Horn von Afrika.“ Von der Leyen meinte, dass die europäischen Staaten sich darauf einstellen sollten, künftig einen angemessenen Anteil der „transatlantischen Lasten“ zu übernehmen .
Ihrer Meinung nach, soll dieses Konzept einen Beitrag zur Bewältigung des von ihr festgestellten Ungleichgewichtes bei der „Lastenteilung“, sowohl in Bezug auf die Vereinigten Staaten als auch innerhalb Europas gewährleisten. Deutschland sei bereit, als Rahmennation oder als beteiligte Nation einen bedeutenden Beitrag zu leisten.
Von der Leyen wörtlich: „Abwarten ist keine Option. Wenn wir über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu engagieren. Verstehen Sie mich nicht falsch: Dies bedeutet nicht, dass wir dazu tendieren sollten, unser ganzes militärisches Spektrum einzusetzen Aber es bedeutet, dass wir die Verpflichtung und die Verantwortung haben, unseren Beitrag zu einer schrittweisen Lösung der aktuellen Krisen und Konflikte erbringen. Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht. Als eine bedeutende Volkswirtschaft und als ein Land von erheblicher Größe haben wir ein erhebliches Interesse daran.“
Konkrete Pläne von ihr stellten sich wie folgt dar: „Wir sind bereit, unseren Beitrag in Mali zu verstärken. Und wir sind bereit, den bevorstehenden Einsatz der Europäischen Union in der Zentralafrikanischen Republik zu unterstützen, wenn dies angezeigt und erforderlich ist. Meine Damen und Herren, Deutschland ist stark in Europa, aber vor allem ist Deutschland stark durch Europa und durch die NATO. Wir werden dies nie vergessen. Für viele Deutsche und für die Bundeswehr war Ewald-Heinrich von Kleist ein Vorbild für eine mutige und aufrechte Haltung.“
Ewald Heinrich von Kleist, während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Infanterie-Leutnant, wurde von Stauffenberg für das Attentat gegen Adolf Hitler angeworben. Kleist gelang es nach Scheitern des Attentats, seine Aktivitäten im Widerstand zu vertuschen. Ein Verfahren gegen ihn wurde im Dezember 1944 aus Mangel an Beweisen eingestellt. Er entging somit einer Anklage vor dem Volksgerichtshof. Ein befreundeter hoher Offizier stellte ihm teilweise gefälschte Papiere aus und Kleist flüchtete nach Italien, wo er mit Hilfe der Papiere vorgab, einen Geheimauftrag durchzuführen. Kurz vor Ende der Kampfhandlungen gab er seinen angeblichen Geheimauftrag wegen Undurchführbarkeit auf, meldete sich für eine Kampfeinheit und führte diese bis an den Po. Dort geriet Kleist in amerikanische Gefangenschaft. Die Amerikaner versuchten, ihn für Propagandazwecke zu gewinnen, was Kleist aber ablehnte. Im Jahr 1962 gründete er die Wehrkundetagung in München, die später in internationale „Konferenz für Sicherheitspolitik“ umbenannt wurde. Kleist moderierte sie bis 1998.
Was soll das alles?
Die wirtschaftlich und politisch Mächtigen der Welt, insbesondere der USA, Deutschlands und der anderen EU -Staaten beanspruchen für sich das Recht „auf ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“. Sie wollen ihre wirtschaftlichen Interessen und ihre globalen Machtansprüche notfalls mit militärischer Gewalt gegen den Rest der Welt durchsetzen. Folgen einer solchen Gewaltpolitik sind globale Verarmung, Zerstörung demokratischer und sozialer Rechte und die Vernichtung natürlicher Lebensgrundlagen. Die Kriege der jüngsten Zeit haben dies gezeigt.
Es gilt das System des Kapitalismus aufrechtzuerhalten, das sich ausschließlich am Profit orientiert und das sowohl in Friedens- wie in Kriegszeiten über Leichen geht. Dazu gehören die hermetische Abschottung der Außengrenzen der EU und der USA gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen – und in Deutschland: rassistische AusländerInnengesetze, die Abschaffung des Asylrechts, Naziterror und Mord.
Seit Jahren ist der konsequente Aufbau eines militärischen Drohpotentials Bestandteil der EU-Politik. Dazu gehört unter anderem auch die in der vorgesehenen EU-Verfassung festgeschriebene Verpflichtung zur Aufrüstung: So werden in Deutschland für neue Rüstungsprogramme in den nächsten 10 Jahren 150 Mrd. Euro veranschlagt. Bereits heute ist Deutschland drittgrößter „Truppensteller“ bei internationalen Militäreinsätzen. Nicht nur die innere Aufrüstung der BRD, sondern auch das mittlerweile ungenierte auftreten deutscher PolitikerInnen in der Weltöffentlichkeit durch den in diesem Artikel häufig zitierten offenen Drohungen gegenüber vermeintlichen GegnerInnen gehört mittlerweile in der bürgerlichen Presse als auch in den Parlamenten zum „guten Ton“. Eine neue „deutsche Selbstverständlichkeit“ bezüglich einer aggressiven wirtschaftpolitischen und militärischen Außenpolitik ist erreicht!
Erschienen in barricada – März/April 2014