Mit Selbstermächtigung gegen Sexismus und Frauenunterdrückung
Unter dem Motto „Das Patriarchat zum Einsturz bringen! Für die Selbstermächtigung über Körper, Denken und Leben“ demonstrierten am 8. März 2014 über 300 Frauen und Männer anlässlich des internationalen Frauenkampftages durch die Nürnberger Innenstadt. Vorausgegangen war der Demonstration, ähnlich wie in den letzten Jahren, eine Kundgebung am Weißen Turm. In dem Bündnis, das seit mehreren Jahren in leicht wechselnder Zusammensetzung besteht und die Aktionen am 8. März vorbereitete, hatten sich dieses Jahr 14 Gruppen und Organisationen, meist aus dem radikal linken Spektrum, zusammengefunden. Wie bei Bündnisdemonstration nicht unüblich, stellten die Inhalte der beteiligten Gruppen ein breites Spektrum dar. Gemeinsam war den Bündnisgruppen, dass sie Frauenunterdrückung, Sexismus und Gewalt gegen Frauen beenden wollen. In der Analyse und den vorgeschlagenen Lösungen unterschieden sich die Aktivitäten, Redebeiträge und verteilten Flugblätter jedoch deutlich. Während von den einen der Schwerpunkt eher auf die Selbstermächtigung von individuellen Frauen gelegt wird (wenn auch zusammen mit anderen Frauen/Lesben/Transmenschen) und der Kampf zur Befreiung der Frau nahezu ohne ökonomische Grundlage analysiert wird, sehen andere in der Tendenz das Patriarchat als einen systemstabilisierenden Pfeiler, der ohne den gleichzeitigen kollektiven Widerstand gegen kapitalistische Unterdrückung und Ausbeutung lediglich an aktuelle Bedürfnisse der Kapitalvermehrung angepasst wird, anstatt die Frauen in ihrer Gesamtheit zu befreien. Auch uneinig scheint man sich, wer der Bezugspunkt heutiger antipatriarchaler Politik sein soll: Frauen, Lesben, Schwule, Transgender, Intersexuelle, Männer, oder einfach alle? Das wurde auch in einer Veranstaltung der organisierten autonomie (OA) im Verfeld des 8. März am 4. März deutlich. Zur Frage der Situation von Frauen in der Lohnarbeit hatte Prof. Dr. Ingrid Artus referiert. An der Diskussion im Anschluss beteiligten sich viele der ca. 70 ZuhörerInnen. Auch hier waren die oben genannten Widersprüche deutlich herauszuhören. In dem auf der Homepage des Bündnis veröffentlichten Bericht der radikalen Linken (RL), die auch dieses Jahr wieder zu dem Bündnis eingeladen hatte, heißt es in Bezug auf die Demonstration:
„Immer wieder wurde dazu aufgerufen das kapitalistische Wirtschaftssystem abzuschaffen.“ Das entspricht den Tatsachen. Allerdings geht der Bericht noch weiter auf die Analyse des Zusammenhangs zwischen Patriarchat und Kapitalismus ein: „In diesem [gemeint ist der Kapitalismus] sind Frauen Lohnarbeit und Konkurrenzdruck unterworfen, egal ob sie in Aufsichtsräten Karriere machen oder als Friseurinnen, die Kinder allein versorgen müssen.“ Von Konkurrenzdruck sind Aufsichtsrätinnen (Durchschnittsgehalt ca. 100.000 Euro/Jahr) sicher auch manchmal betroffen. Der Vergleich zur Friseurin (Durchschnittslohn: ca. 12.000 Euro/Jahr) leuchtet jedoch trotzdem nicht ganz ein. Dass die ökonomische Komponente berücksichtigt werden muss und sich nicht automatisch eine gemeinsame Linie gegen Frauenunterdrückung über Klassengrenzen hinweg entwickelt, zeigt ein Blick auf die Geschichte der Frauenbewegung und deren Auseinanderentwicklung in eine bürgerliche und eine sozialistische. Auch heute gilt es bei der Analyse des Patriarchats genau hinzusehen und sich nicht auf bürgerliche Gleichheitsideologie unter sehr fragwürdigen Bedingungen einzulassen. Oder wie die organisierte autonomie und Revolutionär organisierte Jugendaktion in ihrem Aufruf formulierten:
„Die bürgerliche Frauenbewegung hat der Verquickung von Kapital, Rassismus und Patriarchat nichts entgegenzusetzen gewusst. Formal gibt es eine Gleichstellung – faktisch haben sich viele Erfolge bei genauerem Hinsehen zu Nachteilen entwickelt. Durch die vermeintliche Gleichstellung sind Frauen, die Karriere, Kinder und Haushalt optimal miteinander bewältigen, die sich in der ‚Männerwelt‘ durchsetzen und dabei nichts von ihrer weiblichen Rolle einbüßen, heute das Vorzeigemodell der bürgerlichen Gesellschaft.[…] Neben der Verschärfung der Doppel- und Mehrfachausbeutung von Frauen im kapitalistischen Alltag, führt dies vor allem auch zu einer Individualisierung und Entkollektivierung des Problems.“
Bei allen Unterschieden wird jedoch nach einem bewegten 8. März und den davor gelaufenen Aktionen und Veranstaltungen auch deutlich: Es wird sich wieder auseinandergesetzt mit dem Patriarchat und es wird diskutiert. Und die Zahl der Menschen, die sich daran beteiligen nimmt stetig zu. Das ist sicher eine gute Sache.
Seite des 8. März-Bündnis: http://frauenkampftagnbg.blogsport.de
Erschienen in barricada – Mai/Juni 2014