Links in Bewegung – März 2011
Bundeswehr an Schulen? – Ohne uns!
Die Notwendigkeit für die Bundeswehr, Werbung für die Rekrutierung von SoldatInnen zu betreiben, ist spätestens seit der Abschaffung der Wehrpflicht gestiegen. Schulen und Argen, Berufsinformationszentren etc. mutieren also vermehrt zu Werbeplattformen des deutschen Militärs. Doch die Bundeswehr hat ein Problem: Bereits im Vorjahr gingen die Bewerbungen um 7% zurück. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht benötigt die Bundeswehr jährlich knapp 70.000 Bewerbungen um die Qualität einer Berufsarmee gewährleisten zu können. Da es danach momentan nicht aussieht, werden weiterhin die Schulen abgeklappert und das Töten und Kriegführen als Zukunftsperspektive verkauft.
So auch am Sigmund – Schuckert Gymnasium im Nürnberger Vorort Eibach. Unter dem Motto „Krieg in Afghanistan – Aussetzung der Wehrpflicht: Quo vadis, Bundeswehr?“ kündigte die Homepage der Schule ein „politisches Großereignis“ für den 21.01.2011 an.
Geladen waren der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, Christian Schmidt (CSU), Jens Hauschild, Militärpfarrer der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München, Brigitte Lischka vom Bayerischen Roten Kreuz Nürnberg, sowie der Hauptfeldwebel Frank Hartung, der von einem Afghanistan-Einsatz zurückgekehrt ist. Die SchülerInnen der 11. und 12. Klassen wurden zu dieser Veranstaltung verpflichtet, so dass die volle Aula auch nicht weiter verwunderlich war. Nach einer rührseligen Eröffnung, in der ein Ausschnitt aus einer ZDF-Doku gezeigt wurde, die den Tod einiger Soldaten in Afghanistan zum Thema hatte, folgte eine Lehrstunde in Kriegspropaganda. Ein paar AntimilitaristInnen aber trotzten den Lügen am Podium und versuchten die Veranstaltung inhaltlich ein wenig ausgewogener zu gestalten. Neues gab es von diesem nicht zu hören, aber die Veranstaltung stand unter den Zeichen der wachsenden Ablehnung des Afghanistan-Krieges, der toten Kadettin auf der Gorch Fock und der Zensur privater Post von SoldatInnen aus Afghanistan. Die PodiumsteilnehmerInnen wichen aus und versuchten eher die GegnerInnen bloß zu stellen, als auf die Fragen einzugehen. Als ein Studierendenvertreter gegen Ende einen längeren Beitrag gegen Krieg und Militarismus hielt, wurde ihm der Ton abgedreht. Die Veranstaltung wurde zumindest soweit gestört, dass ein wütender Staatssekretär letztendlich ohne seine Dankesblumen anzunehmen unter Zivilschutz den Saal verließ.
Wütend war aber mit Sicherheit nicht nur Herr Schmidt, sondern auch die Faschos vom „Freien Netz Süd“. Sie hatten rund um die Schule „Nein zur Bundeswehr“ gesprüht. Die Lokalzeitungen rechneten diese Aktion allerdings linken AntimilitaristInnen zu.
Proteste gegen das alljährliche Kriegstreibertreffen in München
Jedes Jahr beratschlagen KriegsstrategInnen, Militärs, PolitkerInnen und VertreterInnen des Kapitals in München die gegenwärtige und zukünftige Gestaltung der Welt mit militärischen Mitteln. Zynischerweise nennen sie diese Zusammenkunft, auf der auch Angriffskriege und sonstige Völkerrechtsverletzungen besprochen und gerechtfertigt werden „Sicherheitskonferenz“. Selbstverständlich steht diese Konferenz der SchreibtischtäterInnen trotz der Strafbarkeit der Vorbereitung von Angriffskriegen unter dem besonderen Schutz der bayerischen Polizei.
Jedes Jahr demonstrieren Anti-Kriegs- und Friedensbewegung gegen die SiKo, auch wenn die Herrschenden schon mal versuchten diese Proteste zu verbieten und die DemonstrantInnen jedes Jahr von der Polizei schikaniert und angegriffen werden.
Auch dieses Jahr beteiligten sich an die 5.000 TeilnehmerInnen an der zentralen Demo, die am frühen Nachmittag auf dem Marienplatz begann.
Das antifaschistische/antimilita?ristische Aktionsbündnis (3A) hatte zusammen mit linksradikalen Gruppen aus München zu einem internationalistischen und antagonistischen Block aufgerufen.
Mehrere hundert Menschen beteiligten sich an diesem antikapitalistischen Block, der lautstark und kämpferisch auftrat. Die Polizei hatte sich übrigens wieder einmal, trotz der aktuellen Rechtsprechung, verfassungsfeindlich verhalten und Menschen, die zur Demonstration wollten, mit schikanösen Vorkontrollen überzogen.
30 Jahre autonome Politik in Nürnberg
Bewegte Zeiten „und wir haben noch lange nicht genug“ Prolos
Unter diesem Motto veranstaltete die organisierte autonomie (OA)/Prolos am 18. Februar ab 19.30 Uhr im Stadtteilzentrum DESI einen Informationsabend zu autonomer Geschichte in Nürnberg. Mit Gesprächsrunden, Anekdoten, Sachbeiträgen und Bilddokumenten führten die VeranstalterInnen das Publikum durch drei bewegte Jahrzehnte. Die veranstaltende Gruppe Prolos war die erste autonome Gruppe, die in Nürnberg gegründet wurde. Heute ist sie Teil der organisierten autonomie (OA).
Der Abend führte uns zunächst zur Geburtsstunde der Prolos im Jahr 1980 zurück. Wir erlebten das Entstehen autonomer Gruppen aus Freundeskreisen im Kampf um ein selbstbestimmtes Leben, um Kollektivität und besetzte Häuser. Wir erfuhren, warum sich die damals entstehende Gruppe an einem Begriff aus Italien orientierte. Die Veranstaltung führte uns durch die 80er und 90er 00er Jahre mit ihren Kämpfen ums KOMM und im KOMM, samt der Geschichte der Nürnberger Massenverhaftung, mit den Auseinandersetzungen um Hafenstraße, Startbahn West und Wackersdorf, mit militanten Demos und den Stadtpiraten Nürnberg. Wir erfuhren, dass vor der DESI auch schon mal ein umgekippter Polizeiwagen lag und warum in der DESI eine Saalschlacht mit der Polizei stattfand. Wir erlebten das Ende des KOMM, die Entstehung des revolutionären 1. Mai und die Entwicklung antifaschistischer Kämpfe. Die VeranstalterInnen erzählten von den Protesten gegen die Gipfel der Herrschenden in den letzten zehn Jahren, der Entstehung und Entwicklung der organisierten autonomie (OA) und ihrer Aktionsformen, den Bedingungen der Kontinuität autonomer Politik, von den sozialen Protesten in Nürnberg und, und und …
Ein Rückblick auf 30 Jahre, der Lust machen sollte auf mehr.
Der Abend war, wie angekündigt, informativ, bewegend, unterhaltsam, revolutionär, und natürlich subjektiv, parteilich aus Sicht der Prolos und ihrer geladenen Gäste – eben Geschichten und Geschichte hautnah und aus erster Hand.
Bombastische Geburtstagsparty am 5.3.2011, dem 30. Jahrestag der Nürnberger Massenverhaftung
Darf eine autonome Gruppe öffentlich Geburtstag feiern? Die Prolos in ihrer Bescheidenheit dürften in dieser Frage lang mit sich gerungen haben. Doch schließlich hatten AJA und ALF gezeigt, dass eine Jubiäumsfeier Spaß macht und politisch sinnvoll ist. Also gibt es am 5. März ab 21.00 Uhr ein rauschendes Fest in der DESI. Zwischen Musik, Überraschungen und Party bekommen befreundete Gruppen die Gelegenheit, ihre zahlreichen und prunkvollen Geschenke samt Ansprache dem Geburtstagskind zu überreichen. Ska-Punk von Rafiki, Scherben-Covers und Eigenes von Gymmick, super DJ´s, Revolutionsdeko und sicher noch die ein oder andere richtungweisende Ansprache geben Kraft für die nächsten 30 Jahre.
Erschienen in barricada – März 2011