Links In Bewegung – Juli 2012
Drohende Abschiebungen nach Afghanistan
Die Pressekonferenz im Nachbarschaftshaus Gostenhof mit vielen jungen Männern aus Afghanistan, unterstützt durch die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen, vermittelt einen tragischen Einblick in die Verzweiflung der Menschen. Viele von ihnen haben mehr als einen Suizidversuch hinter sich. „Einmal sterben ist besser als 1000mal sterben“, meint einer von ihnen und bezieht sich dabei auf den ewigen Kampf mit den Behörden und der damit verbundenen Unsicherheit. Jeder Tag ist begleitet von der Angst zurück zu müssen in ein Land, aus dem sie vor Krieg, Korruption und Armut geflohen sind. Sie schildern die Möglichkeiten, die ein junger Mann aktuell in Afghanistan hat: die Taliban drängen einen sich ihnen anzuschließen, die neue Polizei tut dasselbe ebenso wie die Warlords der Region. Eine Perspektive haben sie in dem von Krieg zerrütteten Land nicht. Daher nahmen sie gefährliche Fluchtwege über die iranische Grenze auf sich, an der die Posten auf Fliehende auch scharf schießen. Sie nahmen die Trennung von Freunden, NachbarInnen und der Familie auf sich. Frauen und Kinder lassen viele zurück, weil die Fluchtwege für sie noch gefährlicher sind. Doch die Hoffnungen auf ein besseres Leben treffen hier auf die Realität der europäischen Asylpolitik. Nun droht etlichen die Abschiebung.
Doch warum ausgerechnet jetzt?
Auf der Innenminister Konferenz im Jahr 2005 wurde bereits beschlossen, dass allein stehende volljährige Männer, solche mit Straftaten ab 50 Tagessätzen (allein die illegale Einreise in die BRD sind 90 Tagessätze) und sicherheitsgefährdende Leute (meint potentielle „Terroristen“) abgeschoben werden sollen. Tatsächlich folgten nach diesem Erlass vereinzelte Abschiebungen von Deutschland aus. Aber im Jahre 2011, als der Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan auf der Petersburg Konferenz in Bonn für das Jahr 2013 endgültig beschlossen wurde, wurde auch die Abschiebung der Flüchtlinge wieder in den Fokus genommen. Vorreiter in dieser Sache war wie so oft der Freistaat Bayern. Er beschloss am 15. November 2011 nun die Abschiebungen voran zu treiben.
Als reine Demonstration dessen, dass man die Soldaten aus einer sicheren und befriedeten Region abzieht und nicht etwa aus einem Scherbenhaufen, den man hinterlassen hat, ist dieser Vorstoß zu deuten. Dass dies nicht im Entferntesten der Realität entspricht, wissen selbst Menschen, die nur ab und zu Nachrichten sehen. Selbst ein hohes Tier des UNHCR, dem man generell nicht unbedingt mangelnde Systemtreue vorwerfen kann, bezeichnete die schon geschehenen Abschiebungen nach Afghanistan und ins benachbarte Pakistan, wohin sich der Krieg unlängst ausgedehnt hat, als „den größten Fehler in der Geschichte des UNHCR“.
Für die Flüchtlinge hier bedeutet das erneut eine unerträgliche Unsicherheit, die sie jeden Tag aushalten müssen. Die Pressekonferenz war einer der ersten Schritte in Richtung Öffentlichkeit. Aber es wird noch viel an Aufklärung und Unterstützung brauchen. Solidarität ist auch in diesem Fall eine der wenigen und doch zu gleich die wichtigste Waffe, die gegen die rassistische und menschenverachtende Flüchtlingspolitik zur Verfügung steht.
Freiheit für Basak Sahin Duman
Am 29. Mai 2012 wurde die frühere Hochschulaktivistin Basak Sahin Duman in Kroatien verhaftet. Gegen Basak lag ein internationaler Haftbefehl vor, da sie aufgrund ihrer politischen Aktivitäten in der Türkei 2010 wegen angeblicher „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ in Abwesenheit zu mehr als sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Tatsächlich hatte sie bis 2004 als studentische Aktivistin gegen die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit durch das Regime gekämpft. Seit 2006 lebt Basak gemeinsam mit ihrem Mann in Deutschland. Zwar hat sie mittlerweile in Kroatien Antrag auf politisches Asyl gestellt, dennoch droht ihr die Auslieferung an die Türkei und somit Folter und langjährige Gefangenschaft. Für die Freiheit der politischen Gefangenen Basak Sahin Duman wurde inzwischen eine breite Kampagne in mehreren Ländern auf die Beine gestellt. Ihr könnt euch näher informieren unter freebasak.blogsport.de
„Freiheit für Deniz“-Kampagne geht weiter
Seit dem 21. April 2012 befindet sich der antifaschistische Aktivist Deniz K. in Nürnberg in Untersuchungshaft. Die Repressionsorgane werfen Deniz vor, auf der Demonstration gegen die Komplizenschaft von Naziterroristen, Polizei und Verfassungsschutz am 31. März in Nürnberg mit einem Fahnenstock aus Weichholz in Richtung zweier behelmter und gepanzerter Polizisten gestoßen zu haben. Die Staatsanwaltschaft wertet dieses angebliche Vorkommnis als versuchten Totschlag. Dies stellt natürlich einen Angriff auf alle dar, die sich und andere in Zukunft gegen brutal und enthemmt prügelnde Polizeibeamte schützen wollen.
Im Rahmen der von der Organisation young struggle ausgerufenen und von zahlreichen Bündnissen getragenen „Europaweiten Aktionstage für die Freiheit von Deniz und allen Politischen Gefangenen“ vom 11. bis 16. Juni kam es nun in Fürth zu einem tatsächlichen versuchten Totschlag: Zwei Aktivisten der sogenannten Anti-Antifa, einer von ihnen der berüchtigte Schläger Kai Zimmermann, griffen nach einer Free-Deniz-Kundgebung mehrere der TeilnehmerInnen an, als diese versuchten, die Nazis an der Aufnahme von Portraitfotos der AntifaschistInnen zu hindern. Einer der Faschisten trat einer Antifaschistin in den Unterleib, Zimmermanns Begleiter stach mit einer abgebrochenen Flasche nach Hals und Gesicht eines weiteren Antifas, verfehlte ihn aber glücklicherweise. Selbstverständlich wurden die beiden Neonazis von der Polizei nach kurzer Personalienaufnahme auf freien Fuß gesetzt.
Das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg fordert inzwischen Menschen, die im Zusammenhang mit der Demo am 31. März Post von der Polizei bekommen haben dringend auf, sich mit der Roten Hilfe in Verbindung zu setzen: „Ihr habt das Recht dieses Schreiben zu ignorieren und solltet das auch tun. Also weder zu vorgeschlagenem Gesprächstermin erscheinen, noch eine telefonische Rückmeldung geben.
- Die Anlaufstelle des AAB ist jeden Donnerstag von 19-20 Uhr im Komm e.v. (Untere Seitenstrasse1, Nürnberg)
- Die Anlaufstelle der Roten Hilfe OG Nbg-Fü-Erl ist jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat von 19-20 Uhr ebenfalls im Komm e.V.
Lasst euch nicht verunsichern und nehmt es auch nicht auf die leichte Schulter. Lasst euch keine Angst machen, wendet euch an uns und verweigert jede Aussage!“
Weiteres unter denizk.blogsport.de
Erschienen in barricada – Juli 2012