Links in Bewegung – April 2011

Revision im Rausch-Prozess

Anfang März war der Nazi-U-Bahn-Schläger Peter Rausch – wie in der letzten Ausgabe berichtet – zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Der vorsitzende Richter Richard Caspar hatte keine Tötungsabsicht feststellen wollen, obwohl der Neonazi Rausch mit voller Wucht gegen den Kopf seines am Boden liegenden Opfers getreten hatte. Immerhin war es der Justiz diesmal nicht gelungen, ein weiteres Verbrechen Peter Rauschs zu vertuschen. In der Vergangenheit waren mehrere Verfahren gegen den Nazi und selbsternannten “Spezialisten für Körperverletzung??? wegen “mangelnden öffentlichen Interesses“ eingestellt worden. In einigen anderen Fällen war er mit lächerlich geringen Strafen davongekommen. Zum Zeitpunkt der Tat, wegen der er nun verurteilt wurde, stand Rausch unter Bewährung. Er hatte AntifaschistInnen am Rande eines Aufmarsches des sogenannten Freien Netz Süd angegriffen. Offenbar steht Rausch unter besonderem staatlichen Schutz, sonst wäre er bereits wegen dieser Tat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Sein Angriff in der U-Bahnstation Plärrer, der einem jungen Mann fast das Leben gekostet hätte, hätte dann gar nicht stattfinden können.

Der Anwalt der Nebenklage zeigte sich unzufrieden damit, dass Rausch nicht wegen versuchten Totschlags verurteilt wurde. Einen Antrag der Nebenklage, am letzten Prozesstag noch einen Zeugen zu hören, der bestätigt hätte, dass in der Kampfsportschule, die Peter Rausch besuchte, jeder über die möglichen tödlichen Folgen von Tritten gegen Oberkörper und Kopf aufgeklärt wird, schmetterte der Richter ab. Dies ist seltsam, wenn man bedenkt dass AntifaschistInnen, die sich erfolgreich gegen Nazis zur Wehr setzen, von der Justiz gerne ein Strick gedreht wird wegen ihrer eventuellen Kampfsportkenntnisse. Rauschs Anwalt, der Erlanger SPDler Axel Graemer, zeigte sich erstaunlicherweise auch unzufrieden mit dem Urteil. Er legte Revision ein. Die Staatsanwaltschaft zog nach und legte ebenfalls Revision ein.

Es war das erklärte Ziel des nach dem Naziangriff gegründeten Soli-Komitees gegen rechts und des Antifaschistischen Aktionsbündnis gewesen, die Anwesenheit von Nazis während des Prozesses durch breite Mobilisierung und die Besetzung aller Sitzplätze zu verhindern und so dafür zu sorgen, dass nicht schon wieder Neonazis in einem Nürnberger Gerichtssaal ihre Opfer und deren Angehörige verhöhnen, beleidigen und bedrohen können. Zu oft hatten Polizei und Justiz dafür gesorgt, dass Nazis Prozesse für ihre Zwecke nutzen und Menschen attackieren konnten. Richter Caspar hatte jedoch am ersten Verhandlungstag ZuschauerInnen von ihren Plätzen wegprügeln lassen, damit Nationalsozialisten, die vorher Angehörige des Tatopfers beengt und Menschen im Gerichtssaal angegriffen hatten, im historischen Saal 600 Platz bekommen.

Wenigstens am letzten Verhandlungstag fanden die vor der Tür des Gerichtsgebäudes wartenden Nazis (darunter Rauschs Freundin) keinen Einlass mehr. Sie waren zu blöd, sich korrekt anzustellen und zogen frustriert ab. Polizei und Justiz machten an diesem Tag keine Anstalten mehr, die in einem Nürnberger Gerichtsverfahren offenbar notwendige Anwesenheit von Nationalsozialisten mit allen Mitteln durchzusetzen. Die Mobilisierung durch das Antifaschistische Aktionsbündnis, das Solikomitee und andere antifaschistische Kräfte hatte an allen Prozesstagen gut funktioniert.

Demo gegen “Freies Netz Süd???

Eine Demonstration am Samstag gegen die Nazis vom sogenannten freien Netz Süd, die das  Antifaschistische Aktionsbündnis organisiert hatte, fiel am Samstag nach der Urteilsverkündung mit etwa 500 TeilnehmerInnen etwas zu klein aus. Die kämpferische Stimmung und gute Redebeiträge ließen aber auch diese Demo, die vor dem Nürnberger Justizgebäude begann und an der Lorenzkirche endete, unterm Strich zu einem Erfolg werden.

100 Jahre internationaler Frauenkampftag gegen Gewalt, Sexismus und Patriarchat.

Die Aktionen rund um den 8. März selbst begannen bereits früh am Morgen. Das Internationale Frauencafe organisierte ein Frühstück für Flüchtlingsfrauen und informierte in diesem Rahmen die Teilnehmerinnen über das Anliegen des Frauenkampftages. Am Nachmittag war an der Lorenzkirche ein vielfältiges Programm gegen das Patriarchat geboten. Von einfachen Infoständen über AgitProp Aktionen war alles dabei und die PassantInnen konnten sich über die Hintergründe und gesellschaftlichen Auswüchse des Sexismus informieren und darüber diskutieren. Anschließend wurde im Stadtteilzentrum Desi noch ein Filmvortrag über die Weltfrauenkonferenz in Venezuela angeboten und bei einem reichhaltigen Buffet ging der 8. März mit DJing und Diskussionen bis tief in die Nacht zu Ende.

Für Samstag, den 12. März mobilisierte das 8. März Bündnis Nürnberg zu einer Demonstration am Aufseßplatz unter dem Motto: “100 Jahre internationaler Frauenkampftag gegen Gewalt, Sexismus und Patriarchat“. Zentrale Themen der Demonstration waren alltäglicher Sexismus, sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen, herrschende Geschlechternormen und Schönheitsideale, Heterosexismus und die weltweite Ausbeutung von Frauen im Kapitalismus. Besonders die Notwendigkeit einer internationalistischen Perspektive und Solidarität im Kampf der Frauen gegen Ausbeutung und Unterdrückung war eine zentrale Aussage der Demo.

Die steigende TeilnehmerInnenzahle auf der Demo und aber auch das wachsende Interesse bei den Vorbereitungen lassen darauf schließen, dem Ziel, den 8. März in Nürnberg zu etablieren, wieder ein Stück näher gekommen zu sein.

Erschienen in barricada – April 2011