links in bewegung – April 2010
Die Krise beenden: Kapitalismus abschaffen
Demonstration und Umzingelung des Nürnberger Rathauses
Über fünfhundert Menschen trafen sich am 6. März bei eisiger Kälte um 14 Uhr vor der Lorenzkirche zur Auftaktkundgebung einer Demonstration gegen die Folgen der Krise. Die Demo war auf Initiative der organisierten autonomie vom Nürnberger Sozialforum vorbereitet worden. In zahlreichen zum Auftakt gehaltenen Redebeiträgen thematisierten RednerInnen von Sozialforum und der Erwerbsloseninitiative ANA, eine GewerkaschafterIn und SchülervertreterInnen, die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten einer Minderheit und riefen zum Widerstand auf. Im gemeinsamen Redebeitrag von organisierter autonomie und der ihr nahestehenden Revolutionär Organisierten Jugendaktion (ROJA) hieß es darüber hinaus: „Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen im Vordergrund steht und nicht die Profitinteressen einer Minderheit. Wir wollen eine Welt, in der allen Alles gehört und die Ziele der Produktion kollektiv bestimmt werden. Das ist unser Interesse. Wenn die Herrschenden jetzt behaupten, der Kapitalismus sei in der Krise, dann kann die Antwort nur lauten: Dann weg mit der Scheiße und her mit einem besseren Wirtschaftssystem.“
Nach der Auftaktkundgebung setzte sich der lautstarke und mit vielen Transparenten und Schildern ausgestattete Zug in Bewegung. An der Demonstration beteiligten sich neben linken Gruppierungen, Erwerbslosengruppen, SchülerInnen und StudentInnen, SozialticketaktivistInnen, GewerkschafterInnen, MigrantInnengruppen auch der von der OA vorbereitete, ca. dreihundert Teilnehmende umfassende, antikapitalistische Block. Durch die Innenstadt, über den Ring, unterbrochen durch eine Zwischenkundgebung mit Redebeitrag der Initiative für ein Sozialticket bei Bus und Bahn, ging es durch inzwischen einsetzendes dichtes Schneetreiben, zum Nürnberger Rathaus. Dessen Umzingelung war nämlich im Rahmen der Demonstration geplant.
Tatortabsperrung- die Umzingelung des Nürnberger Rathauses
Am Rathaus angekommen bildeten die TeilnehmerInnen der Demonstration eine lückenlose Kette um den etwa vierhundert Meter umfassenden Gebäudekomplex. Einer der Tatorte, von denen die unsoziale Politik in diesem Land betrieben wird, war damit temporär umzingelt und abgesperrt. In einem zu der Aktion herausgegebenen Flugblatt schreiben die AktivistInnen:„Wir hätten auch vor die Büros der großen Parteien, oder zu einer der Chefetagen der Banken und Konzerne ziehen können. Heute deshalb das Rathaus, weil hier auf lokaler Ebene die unsoziale Politik zu Gunsten der besitzenden Minderheit umgesetzt wird, die von denselben Parteien auf Bundesebene beschlossen wurde. Mit der Umzingelung wollen wir einen der Tatorte in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit rücken und unseren Protest zu denjenigen bringen, die für die Umsetzung und Aufrechterhaltung der unsozialen Verhältnisse mitverantwortlich sind. Zeigen wir ihnen gemeinsam, dass wir nicht länger bereit sind für die Kosten der Krise zu bezahlen.“
organisierte autonomie bewertet Demonstration und Aktion positiv
Eine Sprecherin der OA erklärte: „Ziel der Demonstration war es für uns, unterschiedliche soziale Kämpfe auf Grundlage einer weiterführenden Gesellschaftskritik zusammenzuführen. Es sollten Zusammenhänge und Ursachen von Kapitalismus, Krise, sozialer Verschärfung und Unsicherheit aufgezeigt und die AktivistInnen aus den verschiedenen Bereichen gemeinsam und solidarisch auf die Straße gebracht werden. Propaganda für die Teilnahme an den alltäglichen Basiskämpfen sollte gemacht und darüber hinaus Öffentlichkeit für unsere Kapitalismuskritk und für eine Perspektive jenseits der herrschenden Verhältnisse geschaffen und Betroffene mobilisiert werden. Nahezu in jeder Hinsicht kann die Demonstration, gemessen an dieser Zielsetzung, als kleiner Erfolg bewertet werden. Lediglich in Hinsicht auf die Mobilisierung der Betroffenen und damit natürlich auch auf die TeilnehmerInnenzahl sind wir dann doch alle zusammen wohl eine ganze Ecke hinter dem von vielen Erwarteten zurückgeblieben. Mit dem Wetter allein lässt sich das nicht erklären und es ist einmal mehr klar geworden, dass die wachsende Verunsicherung und Unzufriedenheit weiter Teile der ArbeiterInnenklasse nicht automatisch zu mehr Kampfbereitschaft führt. Es gibt also weiterhin im Alltag viel zu tun, um die versteinerten Verhältnisse aufzubrechen!“
Feuer und Flamme dem Patriarchat!
Dem Anliegen, den 8. März als „Internationalen Frauenkampftag“ in Nürnberg zu etablieren, kam man in diesem Jahr wieder ein ganzes Stück näher. Das Bündnis zum 8. März, an dem sich unter anderem die Radikale Linke, Feministische Gruppe und ver.di-KollegInnen beteiligten, schaffte es in diesem Jahr einen ansprechenden und vielseitigen 8. März auf die Beine zu stellen. Bereits am Nachmittag waren die verschiedensten BündnispartnerInnen mit Infoständen in der Innenstadt präsent. Aktionen rund herum, wie die der organisierten autonomie, die Transparente mit feministischen Parolen an prominenten Orten in der Stadt aufhing, rundeten das Programm ab. Die Feministische Gruppe verlieh den „goldenen Penis“ an Geschäfte und Nachtclubs, die sich mit sexistischer Werbung offensiv eines verdinglichenden Frauenbildes bedienen.
Als gemeinsamer Rahmen diente die Demonstration, die um 18 Uhr am Weißen Turm begann und laut und kraftvoll durch die Nürnberger Innenstadt zog. Rund 150 DemonstrantInnen waren gekommen, um dem Patriarchat eine klare Absage zu erteilen. In einigen der verschiedenen Redebeiträge wurde betont, dass Frauenkampf auch immer Klassenkampf sein muss, da der Kapitalismus sowohl Männer als auch Frauen in ein Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnis zwingt. Doch Frauen müssen sich zusätzlich gegen die Unterdrückung wehren, die ihnen aufgrund ihres „Frau-seins“ zukommt. Die Doppelbelastung der Frau im Kapitalismus als Lohnabhängige und fürsorgende Mutter und (Ehe-) Frau gilt es abzuschaffen und ebenso das System, welche sie hervorbringt. Auch auf die spezielle Rolle von MigrantInnen wurde eingegangen, die zusätzlich zur ökonomischen Ausbeutung sexistischer und rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind.
Am Abschluss der Demonstration wurde ein junger Mann in Gewahrsam genommen, um seine Personalien fest zu stellen. Die Begründung der Polizei war, dass er an einer völlig anderen Demonstration, die bereits um Wochen zurück lag, eine Straftat begangen haben soll. Und so entschieden sich noch einige DemonstrantInnen, auch diese politische Aktion mit einem spontanen Besuch der Polizeiwache „Mitte“ zu beenden. Der junge Mann wurde daraufhin sehr zügig freigelassen.
schwarz -rot in Gostenhof
Allen, die Lust verspüren einen Abend in Anwesenheit einer gepflegten Auswahl internationaler RevolutionärInnen zu verbringen, sei zur Zeit ein Besuch der Planungskneipe im Nürnberger Stadtteil Gostenhof empfohlen. Hier werden gerade, in Gegenwart so illustrer Persönlichkeiten wie Huey P. Newton, Rudi Dutschke, Louis Michel, Michail Bakunin, Fidel Castro, Olga Benario, Erich Mühsam, Tamara Bunke, Karl Marx, Klaus Störtebeker und einiger KämpferInnen der Mujeres Libres allabendlich am Tresen und vielen Tischen revolutionäre Theorien und Geschichten diskutiert, die der Jahrhunderte alte Kampf um die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung schrieb.
Die extrem Klugen unter euch haben es natürlich schon geahnt: Ihr könnt nicht wirklich mit Marx und Olga ein Bier trinken. Es geht um eine Ausstellung, die derzeit über die Planungskneipe hinaus für Gesprächsstoff sorgt. Zwei Gostenhofer KünstlerInnen haben sich zum Ziel gesetzt, im Vorfeld des revolutionären 1. Mai und im Rahmen einer gemeinsamen Ausstellung, an bekannte und weniger bekannte RevolutionärInnen und WiderstandskämpferInnen zu erinneren und eine eigene Interpretation diverser linker Symbolik abzuliefern. Die in der Ausstellung, die unter dem Motto rot-schwarz steht, präsentierten Personen und Symbole liefern einen Querschnitt durch verschiedene Epochen und Etappen von Klassen- und Befreiungskämpfen. Sie stehen stellvertretend für widerständige Ideen, revolutionäre Theorien, Handlungen und Kämpfe. Die Ausstellenden haben dabei weder an den Grenzen von Ländern und Kontinenten halt gemacht, noch eine einengende ideologische Auswahl getroffen.
Die ausgestellten Symbole und Portraits regen zur Kommunikation und Diskussion an, machen Vergessene und Vergessenes sichtbar und zeigen eine verbindendende Kontinuität zwischen aktuellen und vergangenen Kämpfen auf. Ein Besuch lohnt sich also. So, genug des Lobes. Allen, die nun Lust bekommen haben die Ausstellung zu besuchen, seien noch einige Tipps mit auf den Weg gegeben. Falls ihr eine oder mehrere der gezeigten Personen nicht kennt, es existiert vor Ort auch eine Art Katalog zur Ausstellung. Viele, aber leider nicht alle Portraitierten werden darin vorgestellt. Im Katalog findet ihr auch die Preise für die einzelnen Bilder. Wenn ihr beschließen solltet eines der Bilder bei euch übers Bett oder den Schreibtisch zu hängen, könnt ihr bei den Servicekräften bezahlen. Nachgefragt kann selbstverständlich auch am Tresen werden. Ach ja, bevor es vergessen wird, sei noch erwähnt, dass gekaufte Bilder sofort mitgenommen werden können. Damit es nicht leer wird kommen neue Portraits hinzu und es gibt so auch immer mal andere Bilder zu sehen. Mit dem Verkaufserlös wird ein linkes Projekt in Gostenhof unterstützt.
Erschienen in barricada – April 2010