klassenkämpferisch, blutig, feierlich, symbolisch, revolutionär! Die wechselvolle Geschichte des 1-Mai

Seit fast 120 Jahren ist der 1. Mai wohl das Datum, das am stärksten mit der ArbeiterInnenbewegung in Verbindung gebracht wird. In Nürnberg wird der „Kampftag der ArbeiterInnenklasse“ heutzutage sehr unterschiedlich begangen. Gleich zwei Demonstrationen finden hier seit Jahren statt: eine vom DGB organisierte Mai-Demonstration und die revolutionäre 1. Mai-Demo der autonomen Gruppen. Den zwei unterschiedlichen Demonstrationen folgen zwei unterschiedliche, große Feste. Alle paar Jahre versuchen in Nürnberg auch Nazis aufzumarschieren und behaupten, dass der 1. Mai ihnen gehören würde. Die meisten NürnbergerInnen jedoch begehen den ersten Mai nicht anders als viele andere Feiertage: Sie fahren ins Grüne und versuchen, das eventuell von Demonstrationen verursachte Verkehrschaos zu meiden. Diese unterschiedlichen Sichtweisen über den 1. Mai lassen sich auch aus der Geschichte des wohl umstrittensten Feiertages erklären. Auf den folgenden zwei Seiten soll es darum gehen, wie der 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse entstand, wie er Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen wurde, was das für die ArbeiterInnenbewegung in Deutschland bedeutete und warum es auch dieses Jahr wieder am 1. Mai eine große revolutionäre Demo und ein internationalistisches Straßenfest geben wird.

Warum der 1. Mai?

Die Wurzeln des 1. Mai als jährlich wiederkehrendem Kampftag liegen in den Arbeiterkämpfen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Möglichkeit, einen bestimmten Tag zum Kampftag zu machen – natürlich ohne für die Kapitalistenschweine zu arbeiten! – wird wohl zum ersten Mal 1856 in Australien diskutiert und genutzt. Und sogar mit großem Erfolg! Durch Massendemonstrationen gelingt es, in Australien zum ersten Mal einen 8-Stundentag durchzusetzen.

Anfang 1886 ruft die nordamerikanische ArbeiterInnenbewegung in Anlehnung an das beeindruckende australische Beispiel zum Generalstreik am 1. Mai auf. Auch hier soll der Achtstundentag durchgesetzt werden. Die Wahl fällt deshalb auf den 1. Mai, da dieser in den noch jungen USA traditionell auch der sogenannte „moving day“ ist, an dem öfter Wechsel im Beruf oder Wohnort durchgeführt werden. Drei Wochen vor dem 1. Mai kann die amerikanische ArbeiterInnenbewegung bereits in Chicago einen beachtlichen Erfolg verbuchen.
In einer Fabrik  für landwirtschaftliche Geräte hat sich die Mehrheit der Arbeiter für einen Streik entschieden, um gegen die gezahlten Hungerlöhne zu kämpfen. Für den damals gezahlten Lohn von 3$ für 12 Stunden Arbeit kann man sich gerade mal ein mageres Abendessen in einem Restaurant leisten. Die Betriebsleitung reagiert mit Massenaussperrungen. Die dadurch 800 bis 1000 freien Stellen sollen nun mit neuen Einwanderern, die in solchen Fällen vor der Fabrikpforte Schlange standen, aufgefüllt werden. Infolge einer Kampagne der Chicagoer „Arbeiter-Zeitung“ melden sich jedoch nur 300 neue Arbeiter, was als erster großer Sieg der Gewerkschaft in Chicago euphorisch gefeiert wird.
Drei Wochen später hält der Chefredakteur und Herausgeber der Chicagoer „Arbeiter-Zeitung“, August Spies, am Abend des 1. Mai 1886 auf einer Arbeiterversammlung auf dem Haymarket in Chicago eine Rede. Es folgte ein mehrtägiger Streik in Chicago. Am 3. Mai kommt es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen DemonstrantInnen und der Polizei, wobei zwei Demonstranten getötet werden. Bei einer Protestkundgebung am darauf folgenden Tag eskaliert die Gewalt. Nach der Stürmung der friedlichen Versammlung durch die Polizei wirft ein Unbekannter eine Bombe, die einen Polizisten sofort tötet und zahlreiche Polizisten wie auch Demonstranten verletzt. Sechs weitere Polizisten sterben an den Folgen des Bombenanschlags. Bei dem anschließenden Gefecht, das in die US-Geschichte als Haymarket Affair eingeht, werden mehr als 200 Arbeiter verletzt, die Zahl der Toten wird mit sieben Polizisten und schätzungsweise der dreifachen Anzahl auf Seiten der versammelten Arbeiter angegeben.
Acht Anarchisten, die die Kundgebung organisiert hatten, werden nach den Riots als Sündenböcke festgenommen und der Verschwörung angeklagt. Vier von ihnen, darunter der Chefredakteur und Herausgeber der Arbeiter-Zeitung Spies, werden am Strang hingerichtet, einer in den Suizid getrieben. Die noch lebenden drei werden sechs Jahre später begnadigt.
In Anlehnung an diese Ereignisse beschließt der internationale Arbeiterkongress von Paris 1889 eine in allen Ländern und Städten geplante große internationale Manifestation für den Achtstundentag auf den 1. Mai zu legen. Das ist auch ein Akt praktischer internationaler Solidarität, da der Amerikanische Arbeiterbund zum Gedenken an die Opfer des Massakers auf dem Haymarket von Chicago für den 1. Mai 1890 ebenfalls eine Kundgebung geplant hatte.

Nach den erfolgreichen Mai-Feiern 1890, die ursprünglich als einmalige Demonstrationen geplant  wurden, setzt sich der 1. Mai schnell als wiederkehrender Kampftag der ArbeiterInnenklasse durch. Rosa Luxemburg schreibt 1894 dazu: „Niemand konnte natürlich voraussehen, wie glänzend die Ausführung dieses Gedankens gelingen werde und wie schnell sich dieser unter der Arbeiterklasse einbürgern werde. Es genügte jedoch, einmal die Maifeier im Jahre 1890 zu begehen, damit jeder sofort begriff und fühlte, die Maifeier müsse eine alljährliche und ständige Einrichtung sein.“
Darüber, dass ein jährlicher Kampftag Sinn macht, ist sich die ArbeiterInnenbewegung 1890 weitestgehend einig. Nur die Frage wie er zu begehen sei, führt zu ausgiebigen Diskussionen. So wird von der 2. Internationale folgendes beschlossen: „Die Arbeiter der verschiedenen Nationen haben die Kundgebung in der Art und Weise, wie sie ihnen durch die Verhältnisse ihres Landes vorgeschrieben wird, ins Werk zu setzen.“ Hauptstreitpunkt ist, ob die Arbeit niedergelegt werden soll, oder nicht.

Die Entwicklung des 1. Mai in Deutschland

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges beschließen SPD und Gewerkschaften, nicht zu Mai-Kundgebungen aufzurufen. Als sich die ArbeiterInnenbewegung im deutschen Reich an der Frage der Kriegskredite spaltet, kommt es wieder zu sozialistischen Mai-Aktivitäten. Die von ehemaligen Mitgliedern der SPD gegründete Spartakusgruppe ruft 1916 mit illegalen Plakaten und Flugblättern zu Demonstrationen auf. In mehreren Städten kommt es zu Kundgebungen. Die größte ist in Berlin, wo sich am Abend etwa 10.000 Menschen versammeln. Karl Liebknecht ruft die Worte aus „Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!“. Er wird wegen der Demonstration, die er mitorganisiert hat, zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. In Braunschweig streiken in einigen Betrieben die Jungarbeiter wegen des sogenannten Sparzwangerlasses des kommandierenden Generals, der bestimmt, dass ihnen von ihrem wöchentlichen Lohn nur die Summe von 16 Mark ausgezahlt und der Rest von den Militärbehörden zur Finanzierung der Rüstungsproduktion verwendet werden soll. Am 5. Mai beenden sie ihren Streik mit einem Sieg. Trotzdem kommt es die folgenden zwei Kriegsjahre nur zu sehr wenigen und eher kleinen Mai-Aktivitäten.

Gegen Ende des Krieges kommt es in Deutschland zur Novemberrevolution. Diese leitet eine lange Phase des Kampfes zwischen der SPD und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) um den 1. Mai ein. Die SPD hatte sich während der Novemberrevolution mit reaktionären Kräften verbündet um die revolutionären ArbeiterInnen niederzuschlagen, die mehr wollten als eine  Republik, die faktisch immer noch von Militär und Großkapital beherrscht wird. Teile des revolutionären Flügels der deutschen Arbeiterbewegung, darunter vor allem Mitglieder des  Spartakusbundes, gründen daraufhin die KPD. Am 1. Mai 1919 wird die Münchner Räterepublik von Freikorps blutig zerschlagen.
Konsequenterweise veranstalten in der Weimarer Republik SozialdemokratInnen und KommunistInnen  meistens getrennte Kundgebungen und Demonstrationszüge.  Besonders deutlich wird der Gegensatz zwischen SPD und KPD am 1. Mai 1929, der als „Blutmai“ in die Geschichte eingeht. Ende April 1929 weigert sich der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Karl Friedrich Zörgiebel, ein im Dezember 1928 erlassenes Demonstrationsverbot zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit aufzuheben. Auf das Verbot ihrer traditionellen Kundgebungen reagiert die KPD mit einem Aufruf zu einer friedlichen Massendemonstration. Dem Aufruf folgend, versuchen tausende DemonstrantInnen von den Berliner Außenbezirken in das Stadtzentrum zu ziehen. Als sich ihnen insgesamt 13.000 Polizisten entgegenstellen und sofort auf die DemonstrantInnen einprügeln, kommt es in ganz Berlin zu blutigen Straßenkämpfen, in deren Verlauf die Polizei schließlich in die Menge schiesst. An verschiedenen Stellen der Stadt errichteten daraufhin Demonstranten unter Führung des Roten Frontkämpferbunds (RFB) Barrikaden und Straßensperren. In Wedding und Neukölln, zwei traditionellen Arbeiterbezirken, wird der Ausnahmezustand ausgerufen.
Die drei Tage anhaltenden Unruhen fordern 33 Tote und 200 Verletzte. Mehr als 1.200 Personen werden verhaftet. Die von der SPD geführte preußische Regierung nutzt die Gelegenheit und verbietet den RFB, mit der Begründung, einen kommunistischen Aufstandsversuch unternommen zu haben. Auf Beschluss einer Konferenz der Landesinnenminister vom 10. Mai 1929 gilt das Verbot schließlich reichsweit. Die KPD ihrerseits wirft der SPD daraufhin Verrat an der ArbeiterInnenbewegung vor und erklärt den Kampf gegen den sozialdemokratischen „Sozialfaschismus“ zu einem Hauptziel ihrer zukünftigen Politik.

Der 1. Mai unter dem Hakenkreuz

Die Spaltung der ArbeiterInnenbewegung führt letztlich zur Machtübernahme durch die Nazis. Diese erklären den 1. Mai propagandistisch wirkungsvoll zum“Feiertag der nationalen Arbeit“ und machen ihn 1933 erstmals reichsweit zum Feiertag. Nach ihrer Machtübernahme 1933 haben die Nationalsozialisten unter den vielfach sozialdemokratisch und kommunistisch orientierten ArbeiterInnen weit weniger Anhänger, als dies in anderen Berufsgruppen der Fall ist. Ein vorrangiges Ziel der NS-Führung ist daher die Einbindung der Arbeiter in das neue Regime sowie die politische Entmachtung der Gewerkschaften, in denen sie einen „Hort der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ sieht. Um unter Arbeitern Sympathien für den Nationalsozialismus zu fördern, erklärt das NS-Regime den 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ zum gesetzlichen Staatsfeiertag bei voller Lohnfortzahlung. Damit gehen sie scheinbar auf eine alte Forderung der internationalen ArbeiterInnenbewegung ein. Da damit die ArbeiterInnenklasse der NS-Ideologie gemäß in die „Volksgemeinschaft“ integriert ist, werden konsequenterweise am nächsten Tag, dem 2. Mai, die Gewerkschaften zerschlagen. Die Gewerkschaftshäuser werden gestürmt, Funktionäre verhaftet, viele gefoltert, einige ermordet. Ein Jahr später heißt der 1. Mai dann auch nur noch „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“, die Nationalsozialisten haben die deutsche Arbeiterbewegung zerschlagen und ihr wichtigstes Symbol für den Klassenkampf in einen „den ewigen Lebenskreislauf bejahenden“ Festtag zum Frühlingsbeginn umgewandelt.
Nach dem zweiten Weltkrieg bleibt der 1. Mai in beiden deutschen Staaten Feiertag. In Westdeutschland ist er dominiert von den Feiern des DGB und in der DDR gibt’s auch immer eine schicke Parade. Besonders kämpferisch ist es aber hüben wie drüben nicht.  Wieder Schwung in den 1. Mai bringt in den 80er Jahren die Autonomen-Bewegung.

Der revolutionäre 1. Mai in Nürnberg

In der ersten Phase, der autonomen Bewegung in Nürnberg, die etwa bis 1985 dauert, spielt der 1. Mai so gut wie keine Rolle. Vereinzelt oder als kleine Gruppe beteiligen sich Autonome an den Demonstrationen des DGB. Angepasste Reden und eine mit Bier und Würstchen bei Laune gehaltene „Basis“ sorgen für wenig Begeisterung. Eine Ausnahme gibt es jedoch. Am 1. Mai 1981 stören autonome HausbesetzerInnen, türkische und deutsche Linke gemeinsam, die Abschlusskundgebung. Mehr als 600 DemonstrantInnen lassen eine Rede des Sozialdemokraten Willy Brandt in einem Pfeifkonzert untergehen. Als der Kreisvorsitzende Ranzenberger (DGB), im Zusammenhang mit einer am 5. März in Nürnberg erfolgten Massenverhaftung, sich auch noch mit den Worten, „Gewerkschafter sind gegen Gewaltanwendung“, von militanten HausbesetzerInnen distanziert, kommt es zu Tumulten. Schließlich verlässt ein Demonstrationszug die Kundgebung.
In den ersten Jahren Praxis gewachsen und zu theoretischen Erkenntnissen gelangt, entdeckt ein Teil der Nürnberger Autonomen, immer stärker den alltäglichen Zwängen des Kapitalismus ausgesetzt, seine Zugehörigkeit zur ArbeiterInnenklasse. Unter der Überschrift „ 1. Mai und Wir“ heißt es in einem Text Nürnberger Autonomer: „Was wir wollen ist die Überwindung der Trennung zwischen politischen und ökonomischen Kämpfen, das heißt ein Zusammenkommen unserer Anti-Nato, Anti-AKW … Fights mit den sozialen Kämpfen ums tägliche Überleben (…Sozialamt, Arbeit, Miete), die zur Zeit, … noch mehr oder weniger vereinzelt von der ganzen Klasse geführt werden. Um dies zu ereichen, ist es für uns als Autonome erst mal wichtig, nun nicht einer obskuren lohnabhängigen Klasse hinterherzurennen, sondern zu begreifen das wir selbst ein Teil dieser Klasse sind, ohne bestehende Unterschiede (Bewußtsein, Kultur) dabei zu vergessen. Wir wollen mit euch auf der Nürnberger 1. Mai Demo einen Block bilden, der sich bewusst in diesem Klassenzusammenhang begreift und dem Sozialpartnerschaftsgewäsch des DGB den Kampf gegen Ausbeutung im gesamtgesellschaftlichen Bereich mit der Perspektive Revolution entgegensetzt“. An diesem ersten süddeutschen autonomen Block beteiligen sich etwa einhundert Menschen. Ein erster Schritt für einen revolutionären Kampftag 1. Mai ist gemacht.

Im neu in Nürnberg entstandenen antikapitalistischen Plenum einigen sich Autonome auf Initiative der Gruppe Prolos auf die Durchführung einer antikapitalistischen Veranstaltungs- und Aktionswoche in verschiedenen Städten, am 1. Mai soll es einen zentralen Block auf der Demo in Nürnberg geben.

Die Antikapitalistische Woche findet in mehreren Städten statt, neben Nürnberg gab es vor allem in Erlangen, München und Heilbronn Aktionen und Veranstaltungen. Am revolutionären Block beteiligen sich vierhundert Menschen. DGB-Ordner, die anfangs die Teilnahme verhindern wollten, beschränken sich schließlich darauf, den Block zusammen mit einem starken Polizeiaufgebot zu begleiten. Die Mobilisierung wurde allgemein als großer Erfolg betrachtet, was auch für das erste autonome Mai-Fest gilt, das im KOMMunikationszentrum von 600 zahlenden Gästen besucht wird.
In den folgenden Jahren beteiligen sich revolutionär internationalistische Blöcke, begleitet von einem Polizeispalier, an der 1. Mai Demo des DGB. 1991 gibt es zum ersten Mal den Versuch ein autonomes Straßenfest zu feiern, das aber leider ein Opfer widriger Wetterverhältnisse wird.
1992 organisieren die Autonomen auf Initative der Autonomen Proletarischen Aktion und der Prolos gemeinsam mit Genossinnen von Bolschevik Partizan die erste eigenständige, revolutionäre 1. Mai Demonstration im Stadtteil Gostenhof, an der sich zweihundert Menschen beteiligen. Ein weiterer Rechtsruck des DGB und seine Mithilfe, den Anschluss der DDR für das Kapital reibungslos über die Bühne zu bringen, macht den Schritt zu einer eigenständigen revolutionären Mai-Demo notwendig. Im Anschluss an die Demonstration besetzen TeilnehmerInnen ein Haus, gefeiert wird rund um die Besetzung. Vor der polizeilichen Räumung verlassen die BesetzerInnen heimlich das Haus.

1993 schließen sich die Gruppen Autonome Proletarische Aktion und die Prolos zur organisierten autonomie (OA) zusammen. Zum ersten Mal wird in diesem Jahr  in Gostenhof nach der revolutionären Mai-Demo ein Straßenfest gefeiert, zu dem sich rund eintausend Menschen einfinden.

1996 sollen sich die Nürnberger Revolutionäre zum ersten mal am 1. Mai mit Nazis die Straße teilen. Nürnberg hat mit Ludwig Scholz (CSU) einen neuen Oberbürger bekommen, den die DGB-Führung auch gleich untertänigst als Redner zu ihrer 1. Mai Kundgebung bittet. Der Wind weht von rechts, folgerichtig kündigt die Jugendorganisation der NPD an, am 1. Mai in Nürnberg aufzumarschieren. Auf Grund räumlicher Distanz ist ein von DGB-Funktionären mit Polizei und städtischen Verantwortlichen diskutiertes, gleichzeitiges Verbot der revolutionären 1. Mai Demonstration und des Nazi-Aufmarsches nicht möglich. Autonome und andere mobilisieren, auf Initiative der OA, die nun seit Jahren die Demo vorbereitet, unter der Parole „ Wessen Straße ist die Straße… Kein Faschistenaufmarsch in Nürnberg“ zur revolutionären Demo nach Gostenhof. Als zeitlich versetzt eine weitere Kundgebung in der unmittelbaren Nähe des Nazi Treffpunktes von AntifaschistInnen angemeldet wird, kneifen schließlich die städtischen Verantwortlichen und verbieten Naziaufmarsch und Kundgebung. Die Strategie der revolutionären Linken ist aufgegangen und ein Verbot der eigenen Demonstration ist verhindert worden.

2003 kratzt die revolutionäre 1. Mai-Demonstration zum ersten Mal an der 1000-TeilnehmerInnen Grenze. Sie ist zu einer machtvollen Demonstration geworden. In den nächsten Jahren kommen immer mehr Menschen zur Demo und dem Straßenfest. Der 1. Mai ist wieder ein Kampftag einer wachsenden, revolutionären Bewegung. Die zunehmenden Versuche von Nazis, den 1. Mai in Nürnberg zu vereinnahmen, fördern die TeilnehmerInnenzahlen sogar noch. Am 1. Mai 2008 laufen über 4000 Menschen bei der revolutionären 1. Mai-Demonstration mit, die direkt zur Route eines bundesweit mobilisierten NPD-Aufmarsches in der Nordstadt führt. Es kommt an einer von Spezialeinheiten  und mehreren Reihen Gittern und Fahrzeugen gesicherten Absperrung zu Auseinandersetzung mit den Polizeieinheiten, welche die etwa 1000 aus ganz Deutschland angekarrten Nazis schützen.

Auch 2009 beteiligten sich wieder über 3000 Menschen an der revolutionären 1. Mai-Demonstration in Nürnberg. Der revolutionäre 1. Mai ist in Nürnberg also schon längst zu einer Tradition geworden. Er ist ein wichtiger jährlicher Treffpunkt für alle, die sich etwas besseres vorstellen können als die herrschenden Verhältnisse. Er steht in Nürnberg aber auch für die Notwendigkeit des Klassenkampfes und der revolutionären Umwälzung der Verhältnisse. Damit ist der revolutionäre 1. Mai den Wurzeln des Arbeiterkampftages im 19. Jahrhundert näher, als die Veranstaltungen des DGB zum 1. Mai, und wahrscheinlich nicht ohne Grund auch besser besucht.

„Der 1. Mai ist das Symbol einer neuen Ära im Leben und Kampf der Lohnabhängigen, einer Ära, die den Lohnabhängigen jedes Jahr neue, härtere und entscheidendere Schlachten gegen die Herrschenden bietet. Für die Freiheit und die Unabhängigkeit, die ihnen entrissen wurde, für ihr soziales Ideal.“ – frei nach Nestor Machno

Revolutionäre 1. Mai-Demonstration
Samstag, 1. Mai 2010 – 11:30 Uhr Bauernplatz

Internationalistisches Straßenfest der autonomen Gruppen
Samstag, 1. Mai 2010 – 14:00 Uhr neben dem Nachbarschaftshaus Gostenhof Müllnerstr. Ecke Adam-Klein-Str.


Erschienen in barricada – April 2010