Israel: Proteste gegen den kapitalistischen Normalzustand
Die herrschende Klasse in Israel fühlt sich in diesen Tagen etwas unwohl. Ungewöhnlicherweise ist hierfür diesmal nicht ein sogenanntes „sicherheitspolitisches“ Thema der Auslöser. Ursächlich für die durchaus beklemmende Situation der Herrschenden sind die durch den kapitalistischen Normalzustand errichteten Lebensbedingungen der Bevölkerung im Lande. Seit Monaten treibt die Wut und Verzweiflung mehr und mehr Menschen auf die Straßen und Plätze in Tel Aviv und andernorts in Israel.
Am 14. Juli haben zunächst hunderte Aktivistinnen begonnen die Rothschild Avenue, eine Hauptstraße in einem der teuersten Wohngebiete von Tel Aviv, in eine Zeltstadt zu verwandeln, um gegen soziale Ungerechtigkeit, steigende Lebenshaltungskosten und die extrem hohen Mietpreise in den Großstädten Israels zu protestieren. Diese stiegen bei gleichbleibend geringem Lohnniveau in den letzten zwei Jahren um bis zu 25% an und gleichen somit den teuersten Mietpreisen der Welt, wie etwa in New York oder London.
Gemessen an der in Israel stattfindenden Wertschöpfung, viele sprechen von einem jahrelang anhaltenden Wirtschaftsboom, zeigt sich hier wieder einmal ganz deutlich, wohin bzw. wohin eben nicht der erwirtschaftete Gewinn fließt. Trotz einer relativen Rohstoffarmut schaffte es Israel 2010 in der „Nationenwertung“ der elektronischen US-Börse Nasdaq auf den zweiten Platz der Länder, welche am meisten Unternehmungsneugründungen zu verzeichnen hatten. Das kleine Israel mit seinen 7,5 Millionen EinwohnerInnen zieht mittlerweile mehr „Wagniskapital“ an als Deutschland und Frankreich zusammen. Im sogenannten „Silicon Wadi“ zwischen Tel Aviv und Haifa gibt es tausende Startups, und alle großen Firmen von Intel über Google bis Siemens investieren dort inzwischen viele Milliarden Dollar und Euro. Auch die Wirtschaftskrise und das sogenannte „Katastrophenjahr“ 2009 überstand die israelische Wirtschaft weitaus „besser“ als die meisten Länder des Westens. Dort schrumpfte in nahezu allen Ländern die Wirtschaft, in Israel stieg sie um ein halbes Prozent. Bereits Ende des Jahres 2010 war wieder ein Wirtschaftswachstum von 3,5 % zu verzeichnen.
Es ist nicht neu, dass dieses Wachstum in der kapitalistischen Logik niemals zwingend eine Verbesserung von Lebensbedingungen für die Bevölkerung mit sich bringt. Was die Massen in Wut versetzt und die Proteste antreibt, ist Israels stetig wachsende soziale Ungleichheit. Eine Handvoll milliardenschwerer KapitalistInnen teilen riesige Profite unter sich auf, während Millionen Menschen verarmen. Jeder weiß, dass die rechte Regierung von Benjamin Netanjahu ihre Politik an den Interessen und Forderungen einer winzigen Schicht von Plutokraten ausrichtet. Mehr als sechzig Jahre nach Gründung des Staates Israel, nach mehreren Kriegen gegen die arabischen Nachbarstaaten und 44-jähriger Besetzung von Westbank und Gaza untergraben die Demonstrationen einen wichtigen zionistischen Mythos: Wie sie zeigen, ist in Israel, genau wie in jedem anderen Land, die wichtigste Frage nicht die der Nationalität, Herkunft, Religion oder ethnischen Zugehörigkeit, sondern die der sozialen Klasse.
Gerade deshalb stießen die Proteste auf eine breite Resonanz in der Bevölkerung und somit wuchs die Zeltstadt in der Innenstadt von Tel Aviv zunächst kontinuierlich an. Kurzzeitig standen bis zu 75.000 Zelte auf dem Rothschild Boulevard. Die Proteste schwappten nach Jerusalem und Haifa über. Seitdem finden allwöchentlich Großdemonstrationen statt. Am ersten Augustwochenende waren bis zu 450.000 Menschen landesweit (300 000 in Tel Aviv) gegen soziale Ungleichheit und steigende Lebenshaltungskosten auf den Straßen. Eine Woche vorher betrug die Teilnehmerzahl an den Demonstrationen zwischen 120.000 bis 150.000. Gemessen an der EinwohnerInnenzahl der Bundesrepublik Deutschland käme die Augustdemonstration in Tel Aviv einer Demonstration von 3 Millionen Menschen in Berlin gleich. (in den USA wären es 18 Millionen)
Noch bevor die ersten Massendemonstrationen in Tel Aviv stattfanden ereignete sich einige Monate vorher ein Boykott , welcher als Initiator für die jetzige Entwicklung gesehen werden kann. Zehntausende Israelis weigerten sich den beliebtesten Käse des Landes, den Hüttenkäse, zu kaufen, dessen Preisentwicklung stellvertretend für die extreme Verteuerung nahezu aller Konsumgüter im Lande stand. Der Boykott kam spontan, wurde zunächst über Facebook initiiert und wurde unter massiver Beteiligung der Bevölkerung solange durchgezogen, bis die drei größten Molkereibetreibe des Landes den Preis für dieses Produkt schließlich senken mussten. Für die Bevölkerung war dies ein ermutigendes Signal, soziale Ungerechtigkeiten öffentlich zu benennen, sich kollektiv und solidarisch zu verhalten und somit einen konkreten Erfolg zu erreichen.
Das Protestcamp, welches im Laufe der jüngsten Massenproteste errichtet wurde und als organisatorische Plattform sämtlicher Aktivitäten dient, glich zwischenzeitlich einem Staat im Staat. Es existieren Redetribünen, Küchen, Medizinzelte, ein Public-Viewing-Kino sowie Büros für Offizielles. Für viele der DemonstrantInnen stellt das Protestcamp eine alternativ Regierung dar. Genauso vielschichtig wie das Camp von unterschiedlichsten Menschen, Interessen und Gruppen unterstützt wird, artikuliert sich auch die Kritik am kapitalistischen Normalzustand vielseitig. Viele der ProtestcamperInnen beschränken sich oft auf eine Kritik an den Auswirkungen des freien Marktes oder der Privatisierungen. Jedoch entwickelte sich das Camp auch innerhalb kürzester Zeit zu einer Plattform von linken Individuen und Gruppen. Die TeilnehmerInnen des Camps setzen sich zusammen aus der gesamten israelischen Zivilgesellschaft. ArbeiterInnen der öffentlichen Verwaltung erklärten sich kurzerhand solidarisch und kündigten einen Solidaritätsstreik an. Im Zuge dessen wurden öffentliche Büros nicht besetzt und der Müll nicht mehr abgeholt. „Die Rathäuser sind für die Öffentlichkeit geschlossen, die Müllabfuhr hat die Mülltonnen nicht geleert.“ Die Verwaltungsangestellten könnten nicht „tatenlos zusehen, wenn das Volk für soziale Gerechtigkeit demonstriert“, sagte der Gewerkschaftschef. Weitere Solidaritätsaktionen seien in den kommenden Tagen nicht ausgeschlossen. Über einen Aufruf im Internet waren auch alle anderen Angestellten in Israel dazu aufgerufen, sich an einem 24-stündigen Streik zu beteiligen. Laut Medienberichten gingen rund 24.000 Israelis an einem Stichtag nicht zur Arbeit. Darüber hinaus streiken seit Wochen die ÄrztInnen und machen damit die Unzufriedenheit der berufstätigen Mittelschicht deutlich. Die Histadrut, der israelische Gewerkschaftsbund – der ebenso wie viele Gewerkschaften weltweit Komplize bei Lohnkürzungen der ArbeiterInnen ist –, steht sichtlich unter enormem Druck und warnte Netanyahu, dass er Streiks ausrufen müsse um die Bewegung abzuwürgen, falls die Regierung selbst dazu unfähig sein sollte.
In den vergangen Jahren kam es in Israel zu umfassenden wirtschaftsliberalen Reformen zur Förderung „des freien Marktes“ – darunter viel die massive Privatisierung von Staatseigentum, Deregulierungen für Banken und Konzerne und die Vernichtung zahlreicher ArbeiterInnenrechte. Die Folge davon war, dass in Israel das Realeinkommen der arbeitenden Klassen erheblich sank, während die Einkommen der Eliten in gewaltigen Ausmaß anwuchs. Gegenwärtig finden in Israel Diskussionen über die neue Oligarchie statt, die sich aus den zwanzig reichsten Familien des Landes zusammensetzt und mehr als die Hälfte des Aktienbesitzes kontrolliert. Die Teilnehmer des Protestcamps und der zahlreichen Demonstrationen haben sich offensichtlich die vielen Beispiele jüngster internationaler Entwicklungen vor Augen geführt. Dabei spielt für viele TeilnehmerInnen der Proteste die Entwicklung der europäischen Massenbewegungen gegen die Sparpolitik und Ausgabenkürzungen eine große Rolle. Daraus abgeleitet werden kann auch hier wieder einmal, das der Hauptfeind der israelischen ArbeiterInnenklasse nicht die palästinensischen und arabischen ArbeiterInnen darstellen, sondern die herrschende Klasse und ihre politischen AgentInnen in der Knesset.
Durch die soziale Bewegung, insbesondere durch das errichtete Camp, fangen die Menschen an durch das Wesen des Protests die staatliche Legitimation in Frage zu stellen, zum anderen dient das Camp eben auch zur Artikulation von sozialreformistischem Gedankengut, welche dennoch deutlich wahrnehmbar flankiert wird, mit der Kritik diverser sozialrevolutionärer Gruppierungen und Organisationen. Eine Umfrage der international bekannten israelischen Tageszeitung Haaretz ergab, dass 87 % der israelischen Bevölkerung die Proteste unterstützen würden.
Schon sehr bald konnte die Regierung Netanyahus nicht mehr länger die Proteste ignorieren. Zunächst versuchte Netanyahus Stab etwas unbeholfen, mit einer angekündigten Wohnungsbaureform dem Protest den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Die Wohnungsbaureform sollte zum Ziel haben, dass jene 80% der Landesfläche Israels, welche sich in staatlicher Verwaltung befinden, von speziellen Komitees bearbeitet werden sollen (zusammengesetzt aus jeweils 7 Mitgliedern der Regierung und 2 des öffentlichen Lebens) um Bewilligungsanträge und Bauprozesse zu beschleunigen und somit neuer Wohnraum geschaffen wird. Der Haken daran ist, dass bei Überschreiten eines 6-wöchigen Bewilligungszeitraum, die Zuständigkeit automatisch wieder in den Verantwortungsbereich von Netanyahus übergehen wird und somit dessen Zuständigkeitsbereich noch weiter wächst. Außerdem verspricht diese Maßnahme noch lange keinen bezahlbaren Wohnraum. Zusätzlich zu dieser Gesetzesreform bewilligte das Innenministerium 900 Häuser in Ost-Jerusalem zwischen zwei Gemeindegrenzen der Westbank und neben der palästinensischen Stadt Bethlehem in den Autonomiegebieten. Dieser Umstand bedeutet eine weitere Verschärfung der Israelisch-Palästinensischen Situation.
Da all dies bei weiten Teilen der Protestbewegung keinen Anklang fand, installierte Netanyahu kurzerhand ein „Sozialteam“ unter der Führung von Professor Trachtenberg, welche in ihrer Expertenfunktion einen Dialog mit der Führung der Protestbewegung herstellen sollte um deren Positionen zu Prüfen und um zu verhandeln. Trachtenbergs erster Vorschlag war die Körperschafts- und Einkommenssteuer anzuheben. Wegen deren Verringerung in der Vergangenheit musste die Regierung mehr Geld durch indirekte Steuern einnehmen, und somit kam es zu drastischen Preissteigerungen bei Konsumartikeln. Dieser banale Vorschlag geht schlicht an einem großen Teil der Forderungen der Protestierenden vorbei. Neben den Lebenshaltungskosten entwickelten sich aus dem Camp Forderungen nach Wohnrechten, bezahlbaren Mieten aber auch Verteilungsgerechtigkeit, sowie Kritik an der israelischen Sicherheitspolitik und Kritik am Kapitalismus generell. Viele Protestierende waren zunächst nicht bereit auf irgendwelche Vorschläge bzw. Verhandlungsangebote der Regierung einzugehen. Für viele ist das Verhalten der Regierung Netanyahus reine Verzögerungstaktik.
Einen ersten sichtbaren Zwischenerfolg haben die Proteste bereits erreicht. Über den Protestverlauf hinweg haben sich autonome Gremien gebildet, welche sich künftig verstärkt professionell mit Wohnrechten, der Gesundheitsversorgung und der Frage der ökonomischen Verteilung auseinandersetzen werden. Dennoch muss bei aller Euphorie ebenfalls berücksichtigt werden, dass das Protestcamp und die Demonstrationen mittlerweile zu einem gesamtisraelischen Spektakel wurden, das neben einem Aufbruchsgefühl und zahlreichen reformistischen Forderungen im wesentlichen nach mehr sozialer Gerechtigkeit ruft, welche sich nüchtern betrachtet mit fast jeder ideologischen Position verbinden lässt. Zwar kristallisiert sich seitens der InitiatorInnen bzw. KoordinatorInnenen der Protestbewegung, aus dem anfänglich politisch relativ unbestimmten Profil, eine deutliche sozialistische Tendenz heraus, jedoch bleibt fraglich ob diese die zahlreichen reformistischen Forderungen eines Großteils der Protestierenden dadurch zufrieden stellen können. Je konkreter die Forderungen um so einfacher wird es der Regierung gemacht werden, den Protest durch diverse kleinere und größere Schönheitskorrekturen, zum Schweigen zu bringen.
Bei den Protestierenden scheint es derzeit nicht mehr um die bürgerliche Rechts- und Linksfraktionen in der Knesset zu gehen, welche sich in der Vergangenheit weitestgehend in der Außenpolitik und dem Umgang mit den besetzten Gebieten unterschieden. Der jetzige Prozess setzt sich von diesem Umstand ab und erklärt die Sozialpolitik im Inneren zur Kampfzone in dem die bisher im Vordergrund stehenden Schemata bis jetzt keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Eine weitere Dimension könnten die Proteste annehmen, wenn sich die sozialen Proteste im Verbund mit Histadrut, dem Dachverband der Gewerkschaften Israels, einem geplanten Generalstreik anschließen.
Bereits Anfang des Jahres kam es zu häufigen Streiks israelischer ArbeiterInnen.
Die stark von der Exportwirtschaft abhängige israelische Wirtschaft war mit einem Streik konfrontiert, in dessen Folge Schiffe weder be- noch entladen wurden. Die Gewerkschaft verlangt eine Lohnerhöhung für Beschäftigte, die nach der Hafen-Reform im Jahre 2005 eingestellt wurden.
Auch die MitarbeiterInnen des israelischen Außenministeriums hatten wegen „schlechter Arbeitsbedingungen“ für einen unbestimmten Zeitraum ihre Arbeit niedergelegt. Wie die Tageszeitung „Ha´aretz“ berichtet, wollte der russische Präsident Medwedew zu einem Staatsbesuch nach Israel kommen. Die Angestellten des israelischen Außenministeriums hatten den russischsprachigen Medien bekräftigt, dass sie nicht an den Vorbereitungen zu dem Treffen teilhaben würden. Russland hat daraufhin die Israel-Reise des Präsidenten abgesagt. Die MitarbeiterInnen des israelischen Außenministeriums streiken derzeit für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Sie fordern eine Anpassung an die Löhne der Angestellten des Verteidigungsministeriums. Das Finanzministerium hatte ihnen in der vergangenen Woche eine Gehaltserhöhung von acht bis zehn Prozent angeboten. Den Vorschlag hatte das Außenministerium abgelehnt.
Der weitere Verlauf der sozialen Kämpfe in Israel wird entscheidend dadurch bestimmt sein, inwieweit es diese Bewegung schafft, sich durch außenpolitische Entscheidungen der Regierung Netanyahus nicht spalten zu lassen. Bis jetzt gibt es noch keine eindeutige Tendenz der Protestierenden bezüglich der Frage nach einem Palästinenserstaat, welcher sich derzeit vor den Vereinten Nationen für unabhängig erklären lassen möchte. Israels reaktionärer Außenminister Avigdor Lieberman sagte deshalb vor kurzem: „Die Palästinensische Autonomiebehörde plant ein Blutbad.“ In dieser Sache scheinen die palästinensischen ArbeiterInnen ihrer bourgeoisen Führung genauso wenig zu trauen, wie die TeilnehmerInnen des Protestcamps und der zahlreichen Demos in Israel „ihrer“ Regierung und deren Propaganda. Für viele PalästinenserInnen scheint klar zu sein, dass selbst ein eigener Staat, in den irrationalen Grenzen des Staatengebildes, das durch die Zerstückelung Palästinas entstanden ist, keine wesentliche wirtschaftliche Entfaltung erlauben würde
Die umfangreiche Partizipation Israelischer AraberInnen im Camp und die häufig zur Schau gestellte Solidarität zur Gaza-Flotte darin scheinen einen neuartigen breiten zivilgesellschaftlichem Dialog in Israel ermöglicht zu haben, welcher die Protestbewegung entscheidend beeinflussen könnte um sie vor der Spaltung zu bewahren. Von einer der zahlreichen Bühnen des Protestcamps tönte es aus einem Mikrophon, gesprochen von einem Aktivisten namens Haim Bar Yaakov „Es gibt kein jüdisch und kein arabisch. Auch kein Zentrum und keine Peripherie. Es gibt nur eines: Gerechtigkeit!“ Arabische und hebräische Schilder werden Seite an Seite in die Luft gehalten. Sämtliche BühnensprecherInnen heben die jüdisch-arabische Einheit hervor. Wo es anfänglich um Fragen nach billigem Wohnraum ging, drehen sich derzeit viele Gespräche um weitaus brisantere Fragen. Im Kern wird diskutiert ob es sich bei der derzeitigen Protestbewegung um einen politischen Kampf handelt. Dabei haben die AktivistInnen Themen im Kopf, welche bisher von der Bewegung vermieden worden sind. Gemeint ist zum Beispiel die Problematik bezüglich der ca. 180.000 Beduinen in der Negev Wüste, die sich in Siedlungen niedergelassen haben, welche die israelische Regierung als illegal bezeichnet. Am laufenden Band werden dort Zelte und Gebäude zerstört. Sämtliche Proteste dagegen werden mit massiver Repression beantwortet. Durch derartige Diskussionen könnte das Wohnproblem in Israel jüdische und arabische Israelis verbinden.
Der zionistische Nationalismus verspricht seit Jahrzehnten, das Leben der jüdischen Bevölkerung Israels mittels militärischer Besetzungen, Eroberungskriegen und einer äußerst aggressiven Siedlungspolitik auf Kosten der PalästinenserInnen und letzlich auch auf Kosten der israelischen ArbeiterInnenklasse zu verbessern. Fakt ist jedoch, dass die Kriegs- und Militarisierungspolitik der israelischen Regierung das Leben der Massen stetig verschlechtert hat. Auch in Israel muss man deshalb sagen, dass man Nationalismus nicht essen kann und dass dieser kein Dach überm Kopf ist. Derzeit scheint ein Punkt erreicht zu sein, da die Massen einfach nicht mehr können. Aus dieser Perspektive scheinen größere politische Umbrüche greifbar zu sein. Die Wirklichkeit hat für viele Israelis die zionistische Ideologie widerlegt. Die Geschichte der Klassenkämpfe weltweit gibt Anlass zur Hoffnung. Dort wo rechte Ideologien durch die soziale Erfahrung unterhöhlt wurden, fangen sich an Risse zu bilden, die längerfristig zum Bruch mit der Herrschenden Klasse führen können. Überwunden ist diese derzeit noch lange nicht. Aber sie kommt ins Wanken.
Erschienen in barricada – Herbst 2011