Heraus zum internationalen Frauenkampftag!
2015 steht der 8.März in Nürnberg ganz im Zeichen des internationalistischen Kampfes gegen Kapital, Imperialismus und Patriarchat. Und in diesem Jahr gibt es tatsächlich einen großen Erfolg kämpfender Frauen zu feiern. In Kobane gelang es, die reaktionären Kräfte der IS-Milizen nicht nur zu stoppen, sondern aus weiten Teilen der Stadt und des Verwaltungsgebietes zu vertreiben. Maßgeblich an diesem Erfolg beteiligt waren vor allem revolutionäre Frauen, die in der YPJ, den Frauenverteidigungskräften Rojavas organisiert sind. Sie kämpften Seite an Seite mit den Männern gegen den IS – anstatt sich mit einer Opferrolle im bewaffneten Konflikt abzufinden. Für den IS stellten gerade diese kämpfenden Frauen die mitunter größte Bedrohung dar, gilt doch in der rückwärtsgewandten Ideologie der islamischen Milizen die Tötung durch eine Frau als Hinderungsgrund, in das Paradies eintreten zu können. Diese Angst machten sich die kämpfenden Frauen zu nutze – und brachen mit der Rolle der schutz- und wehrlosen Frau zugunsten von Selbstverteidigung und Selbstermächtigung. Wir gratulieren den Kämpferinnen und Kämpfern Kobanes! Das fortschrittliche Projekt in Rojava und die Befreiung Kobanes stellen für uns, als internationalistisch denkende und kämpfende Menschen einen Hoffnungsschimmer auf dem Weg Richtung emanzipierter Gesellschaft dar – bei allen Widersprüchen die bleiben. Aber zurück zum Thema.
In Nürnberg gibt es auf der seit 2008 mittlerweile zum achten Mal stattfindenenden Demonstration des 8. März Bündnisses dieses Jahr also durchaus Grund zu feiern – aber bleiben wir realistisch. Der Erfolg, den die kämpfenden Frauen von Kobane erreicht haben, täuscht nicht über die tatsächliche Lage von Frauen, sowohl in den Zentren als auch in der Peripherie, hinweg. In bewaffneten Konflikten weltweit wird Gewalt gegen Frauen als militärisches Mittel der Kriegsführung angewandt – ob von Boko Haram oder IS, von faschistischen Batallionen in der Ukraine oder den Söldnern von NATO und Co. Auf diese Gewalt gibt es nur eine Antwort, und die kämpfenden Frauen von PKK und YPJ haben diese vorgemacht: Selbstermächtigung, Selbstverteidigung und der Wille, die Unversehrtheit des eigenen Körpers bewaffnet durchzusetzen.
Auch ohne den brutalsten Ausdruck der kapitalistischen Herrschaft, auch ohne imperialistischen Krieg, gilt es den Kampf zur Befreiung der Frau weiter voran zu treiben. Egal ob sexualisierte Gewalt, ökonomische Ungleichbehandlung oder das Zwangskorsett gesellschaftlicher Rollenbilder, ob überproportionale Ausbeutung im Niedriglohnsektor oder unsichtbare Arbeiten im Bereich der Reproduktion und Pflege – Kapitalismus und Patriarchat stellen nach wie vor das Übel dar, das Frauen (und Männer) in Ausbeutung und Unterdrückung drängt. Eine Befreiung aus diesen Verhältnissen geht nur durch den gemeinsamen Kampf – mit allen Mitteln und auf allen Ebenen.
Leider fantasieren bürgerliche DenkerInnen und IdeologieträgerInnen mehr und mehr von einer vermeintlich notwendigen Männerbewegung um wahre Gleichberechtigung durchzusetzen. Dabei haben die reaktionären MeinungsmacherInnen eines sogar richtig erkannt: Das Patriarchat ist mitnichten nur ein Herrschaftsinstrument der Männer, um Frauen zu unterdrücken, es ist ein Unterdrückungsverhältnis, das über Jahrtausende gewachsen ist und sich der jeweiligen Form der Klassenherrschaft angepasst hat. Ellbogenmentalität und Gewaltaffinität, Durchsetzungsfähigkeit und Skrupellosigkeit, unbedingter Wille zum Erfolg – all diese gängigen Rollenbilder sorgen dafür, dass unzählige Menschen durch die Maschen des Netzes der kapitalistischen Konkurrenz fallen. Profiteure sind diejenigen wenigen Herren und Damen der herrschenden Klasse, die ein Interesse daran haben, die Rollenklischees zu festigen und die patriarchal-kapitalistische Herrschaft zu sichern – und dies auch fleißig tun. Sicher bleibt dennoch eines: der Großteil der Männer ist auch Nutzniesser der patriarchalen Strukturen, die diese Gesellschaft prägen – ob sie bewusst ausgenutzt und gefestigt werden oder nicht.
Die reaktionären VordenkerInnen einer „neuen Männerbewegung“ leiten aus vermeintlichen Benachteiligungen im Familienrecht oder Fakten wie dem, dass Männer Opfer von drei Vierteln aller Gewaltverbrechen werden, die Notwendigkeit eines Kampfes gegen den Feminismus ab. Doch diese Schlussfolgerung ist als Antwort genauso unsinnig, wie es die Antworten der bürgerlichen Frauenbewegung sind. Weder die Forderung nach Männerhäusern noch die nach Quotierungen in oberen Firmenetagen werden eine Befreiung herbeiführen! Befreien wird uns nur der gemeinsame Kampf von Männern und Frauen gegen Kapitalismus und Patriarchat, der Aufbau einer revolutionären antikapitalistischen und antipatriarchalen Perspektive und eine Zukunft der sozialen Revolution!
Erschienen in barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – März/April 2015