Geschichte der Autonomen in Nürnberg – Teil 4

Mit Wut, Geduld und Energie – Geschichte wird gemacht … es geht voran
Eine Einführung in die Geschichte und Entwicklung der Nürnberg Autonomen (Teil 4)

In den vorangegangenen Teilen [1, 2 und 3] unserer Reihe zur Geschichte der Nürnberger Autonomen in den 80er Jahren, haben wir deren Entwicklung von den Anfängen in der lokalen Hausbesetzerbewegung, hin zu den militanten Kämpfen gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf und den ersten klassenkämpferischen Ansätzen vor Ort nachvollzogen. Wir befinden uns nun im Jahre 1988 und setzen unsere Reihe fort.

Ein kurzer Bericht zur Lage

Ende 1987 hatte der Kampf gegen die WAA in Wackersdorf seinen Zenit überschritten und die von der lokalen Autonomen Linken vorangetriebenen klassenkämpferischen Ansätze steckten in praktischer Hinsicht noch im Anfangsstadium.
Die Bewegung war über die Jahre gewachsen und ihre personelle Zusammensetzung hatte sich verändert. Als eines der Zentren des autonomen Anti-WAA Widerstands erhielten die Nürnberger Autonomen auch Zuzug von GenossInnen aus kleineren bayerischen Städten. Viele kommen um hier zu studieren und um in eines der großstädtischen Zentren der Bewegung vorzustoßen.
Zeitgleich mit dieser Entwicklung wurden die proletarischen Teile der lokalen Bewegung mehr und mehr mit dem sich langsam aber stetig verschärfenden kapitalistischen Alltag konfrontiert. Der Kampf ums lebensnotwendige Einkommen wird härter, nimmt mehr Zeit in Anspruch und das Agieren in den zeitaufwendigen autonomen Strukturen fordert den AktivistInnen viel ab.
Organisiert sind die Autonomen nun im Antikapitalistischen Plenum, das sich, der internen inhaltlichen Entwicklung Rechnung tragend, später antikapitalistisch/antipatriarchal nennt. Im Verlauf eines Jahres hat sich das in der Vorbereitung des revolutionären 1. Mai `87 gegründete Anti-Kap-Plenum zum zentralen Ort autonomer Debatten und praktischer Planung entwickelt und eine Sogwirkung auf alle Flügel der Bewegung entwickelt. Neben den inhaltlich und strukturell relativ gefestigten Nürnberger Gruppen: Prolos, Jobber-Gruppe, Autonome Frauengruppe etc., nehmen 1987 -88 nahezu alle kleineren Gruppen und die Anti-NATO-Gruppe Erlangen an dem Plenum teil. Nach außen mit einer gewissen Stärke und Geschlossenheit agierend, ist das Plenum in Folge des schnellen Anwachsens jedoch von zahlreichen Widersprüchen durchzogen, die das gemeinsame Agieren erschweren und die Planung gemeinsamer Aktivitäten zu einer zeitaufwendigen Angelegenheit machen.
Den theoretisch erarbeiteten Erkenntnissen, sowie den praktischen Notwendigkeiten folgend setzte der klassenkampforientierte Teil der Nürnberger Autonomen um die Gruppe Prolos Ende `87 deshalb eine umfassende Debatte auf die Tagesordnung des Antikapitalistischen Plenums. Die Organisationsfrage, eine gemeinsame klassenkämpferische Strategie und inhaltliche Ausrichtung sprich revolutionäre Zielsetzung soll diskutiert, beschlossen und umgesetzt werden. Ziel des in Gang gesetzten Diskussionsprozeß ist es, eine revolutionäre Organisation mit von außen identifizierbarer Zielsetzung zu schaffen, die den sich verschärfenden kapitalistischen Lebensbedingungen Rechnung trägt. Eine Organisation die die inhaltliche und organisatorische Zersplitterung beendet, die jenseits des auf und ab der Bewegung den notwendigen langen Atem verschafft und in der Lage ist gestützt auf eine umfassende Analyse in allen gesellschaftlichen Bereichen eine klassenkämpferische Praxis und revolutionäre Perspektive zu entwickeln.

Die Diskussion um die sogenannte Supergruppe und die Neustrukturierung der Nürnberger Autonomen

Im Mittelpunkt der Diskussion stand schnell die vorgeschlagene Gründung der Organisation, die in der internen Debatte Supergruppe genannt wurde. Vorgesehen war von einem Teil der AktivistInnen die bestehenden Gruppen aufzulösen, und durch in Stadtteilen, Betrieben, Schulen, auf Ämtern und in anderen Bereichen aktive Basisgruppen der Organisation zu ersetzen. Eine neue Phase der Organisierung und des Kampfes sollte damit eingeleitet werden. Die Debatte überschlägt sich jedoch, zu groß sind die Widersprüche in der Bewegung. Der ausschließlich an der Praxis in den sozialen Bewegungen orientierte Flügel wittert einen Versuch der Parteigründung, hält am Bewegungsmodell mit seinen Kleingruppen fest und lehnt auch jeden Versuch der Vereinheitlichung von Inhalt und Strategie jenseits der in den jeweiligen Bewegungen aktiven Gruppen ab. Die Debatte eskaliert und zahlreiche weitere Widersprüche treten nun offen zu Tage. Materialismus, Organisation, Kommunismus als Zielvorstellung, Patriarchat, die Analysen und Einschätzungen sowie die daraus abgeleiteten praktischen Vorstellungen unterscheiden sich grundsätzlich. Am Ende der Debatte ist die Organisationsfrage vorerst vom Tisch und es haben sich zwei große, auch in sich nicht geschlossene, Flügel innerhalb der Nürnberger Autonomen etabliert, die jedoch weiterhin den Widersprüchen zum Trotz als Teil derselben Bewegung agieren.
Während der Bewegungsflügel auch `88 weiter in der Anti-WAA-Bewegung aktiv bleibt und sich in die Vorbereitung einer bundesweiten Mobilisierung gegen eine Tagung des IWF in Berlin stürzt, setzt der am Aufbau der revolutionären Seite und der gesellschaftlichen Verankerung vor Ort orientierte Teil der Nürnberger Autonomen die Strategiedebatte um Basisarbeit und Klassenkampf in Teilbereichen der Gesellschaft fort. Die Anti-IWF Mobilisierung begreifen sie als qualitativ nichts neues, sehen in ihr eine notwendige aber temporäre Kampagne, die auch auf die lokale Ebene heruntergebrochen werden muss.
Nach der erlittenen Niederlage vorerst außerstande die Organisationsfrage zu klären, machten sich jene GenossInnen daran, die praktischen Ansätze auf- und auszubauen. Betriebskampf, Stadtteil- und Ämterarbeit, Jugendarbeit – und in diesem Zusammenhang, auf Grund des Erstarkens neofaschistischer Parteien, das Thema Antifaschismus – standen nun im Mittelpunkt.

Im Verlauf des Jahres ´88 strukturiert sich der auf eine klassenkämpferische Position ausgerichtete Flügel der Nürnberger Autonomen um
War die Annäherung an eine klassenkämpferische Praxis `87 noch über das Agieren im Bereich der internationalen Solidarität begonnen worden (z.B. Solidarität mit dem Britischen Bergarbeiterstreik) sollte nun konkret vor Ort angesetzt werden.
Nachdem in einem Seminar verschiedene Ansätze zu Betriebs-, Stadtteil-, Ämter- und Jugendarbeit umfassend, jedoch nicht widerspruchsfrei diskutiert wurden, machten sich die GenossInnen nun daran das theoretisch angedachte in eine alltägliche Praxis umzuwandeln.
Die Erlanger Anti-Nato-Gruppe will das Thema Betrieb in Angriff nehmen, Prolos Jugendarbeit in den Themenbereichen Antifaschismus und Internationalismus/Antiimperialismus. Die aus der Gruppe Prolos und kleineren Gruppen Mitte `88 hervorgegangene Autonome Proletarische Aktion will im Stadtteil Gostenhof und auf Sozial- und Arbeitsämtern aktiv werden.
Alle Initiativen wollen ausgehend von einer allgemeinpolitischen Kritik der Verhältnisse den Kampf beginnen und haben eine Verankerung in der Arbeiterklasse vor Ort zum Ziel.
Bis Ende `89 entstehen zahlreiche Projekte. In Gostenhof soll ein Stadtteilladen für JobberInnen, MalocherInnen und Erwerbslose eröffnet werden, den ihr alle heute unter dem Namen „Schwarze Katze“ kennt. Im KOMM wird die Autonomen Disco Ramba Zamba eröffnet, in der BesucherInnen sich an einem Büchertisch mit allerlei Infomaterial und Theorie eindecken können und auch sonst über Aktivitäten der Autonomen informiert werden.
Neben der zu Beginn von allen Teilen der Nürnberger Autonomen genutzten, mehr oder weniger szeneinternen „Wie Weiter“ (ein Blatt, das wie die Interim abdruckt was eingeschickt wird), entstehen mit der Betriebszeitung „Frontalangriff“, der Gostenhofer Stadtteilzeitung „Von unten“ und der Jugendzeitung „Untergrund“ bis Anfang `90 drei publizistische Projekte.

Und praktische Initiativen?
Ja die gibt es auch 1988 und `89 zu Hauf. Geboten wird hier wie immer nur eine Auswahl

  • Am 22. Januar organisieren Autonome zusammen mit dem aus der Häuserkampfbewegung stammenden Olaf Ritzman Kollektiv (dessen BewohnerInnen jedoch mindestens einmal komplett durchgewechselt haben) im KOMM ein Benefizkonzert unter dem Titel „Feier und Flamme“für die Prozesshilfe. Angesichts einer seit `86 anhaltenden Kriminalisierungswelle gegen die Autonomen in Bayern ist Geld vonnöten.
  • Unter dem Motto: „Den Angriff gegen Lohnarbeit, Staat und Patriarchat von unten organisieren“ mobilisieren die Nürnberger Autonomen Gruppen wieder zu einem revolutionären Block auf der 1. Mai Demo des DGB. Im Vorfeld des 1. Mai findet eine Antikapitalistische Woche, mit Veranstaltungen, zahlreichen Filmen, einem Frühstück für Blaumacher und weiteren Aktivitäten statt, die mehrmals von der Polizei gestört wird. Die Verbeamteten  versuchen vergeblich ein Transparent zu beschlagnahmen, das zwei vermummte Personen zeigt, von denen eine einen Schraubenschlüssel und die andere einen Molotowcocktail in der Hand hält und zum revolutionären Kampf aufruft.
  • Im Anschluss an die 1. Mai Aktivitäten kommt es zu einem Briefwechsel mit dem Kommunistischen Bund (KB), der eine Beteiligung am revolutionären Block abgelehnt hatte und den Nürnberger GenossInnen nun vorwirft in den Spuren diverser K-Sekten zu wandeln und ihnen ein ähnliches Ende prognostiziert. Tja, so kann Mensch sich irren, den KB gibt’s nimmer und heute gibt es in Nürnberg sogar eine eigenständige revolutionäre 1. Mai-Demonstration von Autonomen.
  • Am 11.06. beteiligen sich die Nürnberger Autonomen an einer Demo des DGB gegen Sozialabbau mit einem eigenständigen revolutionären Block unter dem Motto: „Sozialer Friede = Der Klassenfeind gewinnt!“
  • Am 02.07. findet in Nürnberg eine von Autonomen mitorganisierte nordbayerische Demonstration gegen die im September in Berlin geplante Tagung des Internationalen Währungsfonds statt. Unter dem Motto „IWF, eine Mordmaschine lässt sich nicht reformieren – Für den Internationalen Klassenkampf“beteiligt sich auf Initiative der Prolos ein eigenständiger Autonomer Block.
  • am 18.09. mobilisieren Nürnberger Autonome zu einer Demonstration und antifaschistischen Aktivitäten gegen ein DVU-Treffen in Passau
  • Nach drei Jahren Vorbereitung, erreicht im September die Kampagne gegen den IWF anlässlich der Tagung in West-Berlin ihren Höhepunkt. Vielfältige Aktionen, militante Angriffe, Demos, Anschläge u.a. gegen Banken, nächtliches Trommeln gegenüber den Hotels der TagungsteilnehmerInnen, Aktion überall. Mehrere Tage herrscht in Berlin Ausnahmezustand. Flügelübergreifend beteiligt sich nahezu die gesamte Nürnberger Szene an den Aktivitäten. Thematisiert werden an unterschiedlichen Aktionstagen, ähnlich der G8 Kampagne in Rostock, Krieg, Rassismus, Ausbeutung, Patriarchat und Imperialismus. Ein Höhepunkt der Kampagne ist die „Revolutionäre Internationalistische Demonstration“ autonomer und antiimperialistischer Gruppen. Trotz massiver Angriffe, die zahlreiche Verletzte fordern, gelingt es den Polizeisondereinheiten nicht den Start des Demozuges zu verhindern.
  • Ende `88 beginnt auf einem Teil der Nürnberger Sozial- und Arbeitsämter die Autonome Proletarische Aktion ihre Aktivitäten. Flugblätter, die die Erwerbslosen über ihre Rechte aufklären, auffordern Anträge zu stellen und einzufordern was ihnen zusteht werden verteilt. Am Jahresende starten die GenossInnen eine kleine Kampagne gegen die Fahrpreiserhöhung. Auf Flugblättern wird „Nulltarif in allen öffentlichen Einrichtungen für alle Menschen mit geringem oder keinem Einkommen“ gefordert. Im Rahmen der Kampagne findet neben anderen Aktivitäten in der U-Bahn am Plärrer ein unangemeldeter Umzug statt. Zur Unterstützung der Kampagne verkleben unbekannte GegnerInnen der Fahrpreiserhöhung zahlreiche Stempelautomaten für Fahrkarten im Stadtgebiet.
  • Am 24.02.89 wird ein Benefizkonzert im KOMM organisiert. Das Konzert soll zur Finanzierung eines Ladens für Erwerbslose, MalocherInnen und JobberInnen beitragen. Der Grundstein für den Stadtteilladen „Schwarze Katze“ in Gostenhof wird damit gelegt.
  • Am 1. April  findet, nach acht Wochen Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF, auf Initiative der Autonomen Proletarischen Aktion, eine Kundgebung eines breiten Bündnisses vor der Lorenzkirche statt, das die Forderung der Gefangenen nach Zusammenlegung unterstützt.
  • Das für den 29.04. im KOMM geplante Konzert zum 1. Mai entfällt. In Bonn findet stattdessen eine bundesweite Demonstration zur Unterstützung des Hungerstreiks statt, an der sich die Nürnberger Autonomen beteiligen
  • Am 1. Mai gibt es dann selbstverständlich auch `89 einen Block auf der DGB-Demo und eine Aktionswoche gegen Kapital und Patriarchat.


Antifaschistischer Kampf in Nürnberg `89

Eine schnelle Entwicklung nimmt auf Grund des Erstarkens faschistischer Parteien die auf Jugendliche konzentrierte antifaschistische Arbeit. Ende `88 wird ein Antifaschistisches Plenum gegründet, das zu Recht als ein Vorläufer des heutigen Antifaschistischen Aktionsbündnis bezeichnet werden kann. Das Plenum wächst personell schnell und entwickelt zahlreiche Aktivitäten.

  • 1. Februar `89: Die rechtsextremen Republikaner führen eine Veranstaltung im Stadtparkrestaurant durch. Das Antifa Plenum hatte zur Verhinderung des Nazispektakels aufgerufen, Treffpunkt Berliner Platz – SPD,DGB, Grüne und VVN meldeten 2 Tage später auf dem selben Platz eine Kundgebung an – wie üblich sollten dort große Reden geschwungen werden um die Leute von weitergehenden Aktivitäten und Blockaden abzuhalten. Doch die Rechnung ging nicht auf! Wenige Minuten nach Beginn der Kundgebung ziehen 1000 AntifaschistInnen mit den Autonomen zum Stadtparkrestaurant. Eine Blockade scheitert an massivem Einsatz der Polizei. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit zu spät kommenden Nazis und den zum Schutz der Naziveranstaltung eingesetzen Polizeieinheiten, Steine und andere Gegenstände fliegen und das Stadtparkrestaurant büßt mit kaputten Scheiben.
  • Darüber hinaus erhält das Stadtparkrestaurant nächtlichen Besuch. Unbekannte AntifaschistInnen werfen Molotowcocktails in die Kneipe. Die Lokalpresse vermutet, dass damit der Pächter, nachdem er seine Gasträume den Republikanern zur Verfügung stellte, eingeschüchtert werden soll.
  • 21.04.89 eine Veranstaltung der DVU in der Gartenstadt fällt wegen einer nach Protesten erfolgten Kündigung ins Wasser. Die Bürgerlichen und der DGB mobilisierten zu einem 1. Km entfernten Platz, das Antifa Plenum zur Halle, 200 – 300 Menschen kommen zur Kundgebung, 400 AntifaschistInnen kommen trotz Kündigung direkt vor der Halle zusammen
  • 06.05. Nach einer weiteren DVU-Kundgebung in der Meistersingerhalle provozieren einige Faschisten vor dem KOMM und beziehen Dresche. In der Königstraße landen stapelweise enteignete DVU-Aufkleber im Dreck. In der Folge kommt es immer wieder zu von Nazis provozierten Auseinandersetzungen. In der Innenstadt und vor dem selbstverwalteten KOMM kommt es an mehreren Abenden zu Schlägereien, bei denen die Faschisten stets den kürzeren ziehen. Die gesamte Bahnhofsgegend wird in den nächsten Jahren zur No Go Area für Nazis.
  • Am 15.06. steht erneut eine Veranstaltung der faschistischen Republikaner in der Meistersingerhalle auf der Tagesordnung. DGB, VVN etc. rufen diesmal zu einem „Fest der Republik“ auf. Wie immer soll weit ab von den Nazis, diesmal am Hauptmarkt, demonstriert werden. Vor der Halle erwartet ein Großaufgebot der Polizei die Autonomen/AntifaschistInnen.
  • Am 15.06.89 warten die vor der Meistersingerhalle zum Schutz der Nazis eingesetzten Polizeisondereinheiten jedoch vergebens. Zu einem antifaschistischen Aktionstag hatten die Autonomen aufgerufen, vor dem KOMM tauchten allerdings zur angegebenen Uhrzeit nur wenige Menschen auf, die allesamt, nach einem Gespräch mit eingen dort wartenden, in kleinen Gruppen gleich wieder verschwanden. Des Rätsels Lösung: In der Kirschgartenstr. im Stadtteil Johannis wurde ein Haus besetzt. Das Günter Sare Haus, benannt nach einem Antifaschisten der in Frankfurt von einem Polizei-Wasserwerfer verfolgt und zu Tode gefahren wurde, verließen die BesetzerInnen nach zwei Stunden, als die eingetroffenen Sondereinheiten der Polizei losschlagen wollten. Im Anschluß zog ein spontaner Demozug von BesetzerInnen und SympathisantInnen durch Johannis.


Der Nürnberger Besetzerrat – Ein heißer Sommer

Der Startschuss für die unerwartet über die autonomen AktivistInnen kommende Häuserkampfbewegung `89 war damit gefallen. Die Besetzung wurde in allen Lagern der Autonomen Linken als Erfolg gewertet. Den Nazis wurde mit der Wohnungsnot eines ihrer Wahlkampfthemen abgenommen und die Presseberichterstattung zum Republikanerevent wurde durch die Besetzung in den Hintergrund gedrängt, darüber hinaus war die kapitalistische Wohnungspolitik in der Stadt nun endlich wieder ein Thema und es hatten sich viele Jugendliche mit Wohnungsproblemen aus dem KOMM an der Aktion beteiligt.
Es wurde also beschlossen weiterzumachen und mindestens ein Haus zu erkämpfen.

  • Am 21.06. findet im KOMM das erste Treffen des Nürnberger Besetzerrates (NBR) statt und beschließt die nächste Aktion. Gefordert wird nun neben einem Haus unter anderem: Bezahlbarer und akzeptabler Wohnraum für Alle! Bereitstellung aller leerstehenden Gebäude! Ein unbefristeter Mietvertrag für das am Besetzerrat beteiligte Olaf Ritzman Kollektiv! Enteignung aller Miethaie und Spekulanten!

In der Folge überschlagen sich die Ereignisse. Mehrere  Plätze werden besetzt, ein Camp des Nachts von der Polizei brutal geräumt. In der Desi findet ein Zeltlager des Nürnberger Besetzerrates statt. Unter den verdutzten Augen der Polizei kreuzen die Stadtpiraten Nürnberg auf Flößen und in Booten auf der Pegnitz. Ihre Forderung: „Miethaie zu Fischstäbchen“. Im KOMM wird ein StadtpiratInnenfest mit 16 Bands und StadtpiratInnenballett gefeiert. Der NBR organisert eine Transparentaktion, taucht bei einer Stadtratssitzung auf und besucht das städttische Liegenschaftsamt. Ein in weiteres Haus wird in der Schweinauer Hauptstr. 66 besetzt und in der selben Nacht geräumt.
Am Ende der Bewegung gelingt dann schließlich doch noch, was niemand mehr für möglich gehalten hat. Nach langen, zähen Verhandlungen die in einer Besetzung des Anwesens Regensburgerstr. 414, direkt neben dem Olaf Ritzman Kollektiv gelegen, münden, erhält ein Teil der Nürnberger Besetzerbewegung ein Haus und das Ritzman Kollektiv die Verlängerung seines Mietvertrags.

Wie es dann weiterging? Ja, das erfahrt ihr leider nicht in der nächsten Ausgabe. Denn unsere Reihe, die sich der Geschichte der ersten zehn Jahre der Nürnberger Autonomen widmete, endet hier. Doch ihr wißt ja: Heute ist nicht alle Tage, und so erscheint an dieser Stelle vielleicht irgendwann eine Fortsetzung, die sich dem zweiten Jahrzehnt der Geschichte der Nürnberger Autonomen widmet.