Geschichte der Autonomen in Nürnberg – Teil 1

Mit Wut. Geduld und Energie – Geschichte wird gemacht – Es geht voran
Eine Einführung in die Geschichte der Nürnberger Autonomen

Die Soziale Revolution, das Ende des Kapitalismus, der Umsturz aller gesellschaftlichen Verhältnisse, die aus dem Menschen ein unterdrücktes und ausgebeutetes Wesen machen, ist in den Metropolen keine Angelegenheit, die sich über Nacht erledigen lässt, und so kann die Autonome Linke auch in unserer Stadt heute auf fast 28 Jahre Klassenkampf zurückblicken. Mit unserer mehrteiligen Reihe wollen wir einen Einblick in die ersten 10 Jahre der Bewegung, in Kampffelder, theoretische Ausrichtung und die zunehmende Organisierung der Autonomen geben.
Es kann hier selbstverständlich nicht über alles berichtet werden, was in Nürnberg geschah, einigen wird manches fehlen, anderen anderes. Es ist ein Einblick, der hier ermöglicht werden soll, eine umfassende Würdigung der Kämpfe, der Erfahrungen und daraus resultierenden Erkenntnise, kurzum eine gründliche Aufarbeitung unserer Geschichte muss an anderer Stelle erfolgen.


Am Beginn von allem, steht wie immer ein Anfang

Wir befinden uns im Jahr 1980. Die aus den ´68ern hervorgegangenen kommunistischen Parteiansätze zerfallen, von Ausnahmen abgesehen, mehr und mehr: Der Spontiflügel der Bewegung löst sich, zum Wohlgefallen der herrschenden Klasse, in der von kleinbürgerlichen Streben geprägten Alternativbewegung auf. Die Grüne Partei als Reformprojekt steht in den Startlöchern, bereit all jenen eine Heimat zu bieten, die ihren Frieden mit den Verhältnissen machen wollen.
Soeben hatte in der BRD noch eine offizielle Studie, fast schon wehmütig, die Angepasstheit der Jugend beklagt, da zieht ein neuer Sturm über Europa auf.
Berlin, Zürich, Amsterdam, Paris: es beginnt die Zeit der Autonomen Bewegung.
In der BRD bricht eine neue Generation auf, die sich den Umsturz der kapitalistischen Verhältnisse zum Ziel setzt. Sie grenzt sich scharf von der satten reformorientierten Angepasstheit, der zunehmenden Praxisferne und den nicht enden wollenden theoretischen Debatten und Fraktionsauseinandersetzungen der übergebliebenen Reste der radikalen Linken ab.
Es werden hunderte aus Spekulationsgründen leerstehende Häuser besetzt und es entwickelt sich die Häuserkampfbewegung. Autonome kämpfen an Bauzäunen von AKWs, lassen in Bremen ein öffentliches Rekrutengelöbnis der Bundeswehr im Chaos militanter Auseinandersetzungen versinken und auch in Nürnberg beginnt die Geschichte der Autonomen.

Am 24. Dezember 1980 wird in Nürnberg die Johannisstr. 70 besetzt.
Besitzer ist nicht, wie angenommen, die Stadt Nürnberg, sondern eine Erbengemeinschaft, deren Mitglieder unbekannt sind. Das Olaf Ritzmann Kollektiv, wie sich die aus ca. 20 Personen bestehende Gruppe nennt, erhält vom Tag der Besetzung an breite Unterstützung, auch aus der Nachbarschaft. Zusammen wohnen, eine Kneipe eröffnen, einen Treffpunkt und Freiraum für weitere Kämpfe zu schaffen, ist das Ziel der BesetzterInnen. Unterstützt von SympathisantInnen wird mit der Renovierung des lange leerstehenden Gebäudes begonnen und das Haus wird zum Treffpunkt für viele.

Sylvester ´80 erfolgt der zweite Streich

Nach dem Abschlussfest einer Künstler-Kooperative in der Veilloderstr. 33, wird das Haus, in dem drei Jahre lang die Kleinkunstbühne mit Kneipe, Cafe, Restaurant und Lebensmittelkooperative untergebracht waren, besetzt. Das völlig intakte Haus, mit Werkhallen und Garagen, bietet die Möglichkeit kollektiv zu wohnen und zu arbeiten. Das Haus wurde `79 vom Architekten Crimman mit Abrissabsicht gekauft und die Stadt Nürnberg erteilte auf sein Drängen eine Abrissgenehmigung.

Die Watschenaffäre

In der Nacht vom 3. auf den 4. Januar `81 überfallen vier maskierte den Hausbesitzer Crimman in seinem Heim, verpassen ihm eine Abreibung und stehlen angeblich die Handtasche seiner Frau. Obwohl in den bürgerlichen Medien sofort von einem Schädelbruch die Rede ist, Journalisten davon sprechen wie übel der Mann aussah, sitzt der Betroffene jedoch unmittelbar nach den Ereignissen in seinem Büro.

Die Räumung der Veile
Bieten lassen wollen die Herrschenden sich das jedoch nicht. Eine Nacht darauf wird geräumt, das Polizeikommando kommt trotz offenstehender Tür mit Äxten durch den Hintereingang. 69 BesetzerInnen werden zusammen mit ihrem Rechtsanwalt festgenommen. Der Vorwurf lautete nicht etwa auf Hausfriedensbruch, nein, Wegen Körperverletzung und Raub wird gegen alle 69 ermittelt. Bis zum Nachmittag kamen dennoch alle Verhafteten frei. Zeitgleich mit der Polizeiprozedur wurden zahlreiche Wohngemeinschaften durchsucht und weitere Menschen festgenommen. Gegen zwei Personen wird schließlich Haftbefehl erlassen. Das Haus wird auf Antrag des Besitzers unbewohnbar gemacht.
Nach einer Vollversammlung der BesetzerInnen und SympathisantInnen am selben Abend, im selbstverwalteten KOMMunikationszentrum, wird die zerstörte Einrichtung vor das Polizeipräsidium geworfen. Das „Scherbengericht“ enthält „die Aufforderung zur Reparatur“ und zeigt den Vandalismus der im Auftrag der Herrschenden handelnden auf.
Der Ermittlungsausschuss 5. März bezeichnete die Räumung später als ersten Schritt zur Kriminalisierung der Nürnberger Hausbesetzerbewegung. Vorerst breitet sich die Hausbesetzerbewegung jedoch in der Region aus. In Erlangen wird das Haus eines SPD Stadtrates und ein weiteres besetzt, in Fürth eine Villa und auch in Bamberg wird die Bewegung aktiv.

Am 18. Februar 1981 wird die Johannisstr. 70 geräumt

Die 15 anwesenden Besetzer werden von der Polizei aus dem Haus geschleift. Obwohl nicht alle Erben gefunden wurden, ein Tag vor Fristablauf kein Räumungsantrag der Besitzer vorliegt, wird die Räumung durchgezogen. Die Presse kommentiert „das ist der Crimman Effekt – die Besitzer haben eben Angst vor Repressalien“.
Wie später bekannt wird, ist auch der Nürnberger Stadtrat mit seiner SPD Mehrheit nicht über die Räumung informiert worden, was Folgen hatte.
Am gleichen Tag kommt es zu massiven Protestaktionen und die Ereignisse überschlagen sich. 100 Leute versuchen in den Stadtrat zu kommen, um an einer Sitzung teilzunehmen. Als ihnen der Zutritt verwehrt wird, besetzen sie kurzerhand das nahegelegene Wohnungsamt. Die durch die Räumung verärgerte und im Wahlkampf stehende, sozialdemokratische Stadtratsmehrheit macht den Besetzern des geräumten Olaf Ritzmann Kollektivs das Angebot, Wohnungen als Übergangslösung zur Verfügung zu stellen, bis ein instandzusetzendes städttisches Gebäude gefunden wird. Die Nürnberger SozialdemokratInnen halten an dieser Linie fest und bieten unter dem Druck der Besetzerbewegung später auch weiteren Instandsetzungswilligen Wohnraum an.
Am Abend entsteht aus einer Vollversammlung der Besetzerbewegung ein Demozug, der, begleitet von einem großen Polizeiaufgebot, kreuz und quer durch die Straßen zieht. Nach einer Scheinbesetzung, die die Hüter der Ordnung schnell beenden, staunen sie nicht schlecht: ein paar Straßen weiter hat in der Zwischenzeit die eigentliche Besetzung stattgefunden. Um 4 Uhr morgens haben die Verantwortlichen sich schließlich von der Überraschung erholt und räumen.
Am Abend nimmt das Olaf Ritzmann Kollektiv bei einer Pressekonferenz das „verschwenderische“ Angebot der Stadt an, nächtliche Kleindemos standen nichtsdestotrotz weiterhin auf der Tagesordnung. Das Mitglied des Landtages Dr. Sieghard Rost, klagte später in einer von ihm angefertigten Dokumentation ausgiebig über  die Ereignisse: „Zwischen dem 19.2 und 5.3. kommt es fast jeden Abend zu Demonstrationen, in deren Verlauf wiederholt Straftaten von einzelnen aus dem schützenden Kern heraus begangen werden.“

Die Massenverhaftung am 5. März ´81
Da die Bewegung mittlerweile überall in Bayern an Fahrt gewinnt und Nürnberg eins ihrer Zentren ist, beschließt die bayrische Staatsregierung hier ein abschreckendes Exempel zu statuieren.
Am 5. März ´81 zeigt die Medienwerkstatt – zusammen mit der aus der Bewegung hervorgegangenen Gruppe Prolos im KOMM einen Film über besetzte Häuser in Amsterdam und deren militante Verteidigung. Im Anschluss an den Film zieht eine Demo durch die Stadt. Von einem verbeulten Polizeiauto, entglasten Banken, Graffitis und umgeworfenen Zeitungsständern wird später bundesweit berichtet. Die Demo zieht schließlich zum KOMM zurück, vor dem sie sich auflöst. Ein Teil der Beteiligten bleibt im KOMM, andere gehen.
Einige Zeit später umstellt die Polizei das KOMM und nimmt 141 vorwiegend jugendliche BesucherInnen fest. Die Inhaftierten werden ohne Einzelfallprüfung auf bayrische Knäste verteilt. Untersuchungshaft, begründet durch kopierte Haftbefehle, auf denen der Vorwurf Landfriedensbruch lautet.

Ein Sturm der Empörung

Der gezielte Staatsterror löst einen von der bayrischen Landesregierung nicht erwarteten, bundesweiten Sturm der Empörung aus. Die Massenverhaftung von Nürnberg wird zum Skandal.
Am 7. März wird eine schon länger geplante Hausbesetzerdemo zur ersten Manifestation gegen diesen staatlichen Terror. 2000 Menschen ziehen mit Transparenten: „Gegen Bullenterror“ durch die Stadt.
In der Nacht zum 9. März schlägt die „Unkontrollierte Bewegung 5. März“ in Nürnberg zum ersten mal zu. In das Rechenzentrum der „Gemeinnützigen“ Wohnungsbaugesellschaft in Langwasser wird ein Brandsatz geworfen, der sich nicht entzündet.
Um 8 Uhr morgens beginnt am 9.3. der Ansturm erboster Eltern auf den Ermittlungsrichter Dorner. Es kommt zu turbulenten Szenen, in denen die Angehörigen der Gefangenen ihre Wut und Empörung zum Ausdruck bringen.
Am 10.3. ruft die SPD zu einer Protestkundgebung vor der Lorenzkirche auf. Es kommen 10 000 Menschen. Obwohl die SPD-Führung alles tut, um den Protest ausschließlich auf die Kundgebung zu kanalisieren, ziehen die TeilnehmerInnen im Anschluss zum Nürnberger Knast.
Am 12. und 13 März protestieren SchülerInnen gegen die Massenverhaftung und gegen den „Maulkorberlass“, ein für die Schulen erlassenes Diskussionsverbot. In Würzburg, Augsburg, München, Bamberg, Bayreuth, Regensburg und zahlreichen weiteren Städten finden Solidaritätsaktionen statt. Auf ein großes Nürnberger Kaufhaus wird ein Buttersäureanschlag verübt.
Am Abend des 13. März zieht erneut eine Demo zum Knast, vor dem ein Konzert stattfindet, im weiteren Verlauf wird in der Wielandstraße ein Haus besetzt.
Die zweite Woche nach der Massenverhaftung beginnt mit einem Brandanschlag auf den Schulpavillion Bielingstr., am Freitag darauf findet eine Fackeldemo zum Knast statt, sie endet mit Festnahmen. Mit Leuchtkugeln soll ein Verhafteter geschossen haben, ein anderer soll RAF-Parolen gesprüht haben.
Noch in derselben Nacht wird auf ein weiteres Büro der Wohnungsbaugesellschaft ein Brandanschlag verübt. Die Unkontrollierten hinterließen ihre Visitenkarte und forderten die Freilassung aller noch Inhaftierten vom 5. März und die Erfüllung sämtlicher Forderungen der Stadtguerilla-Gefangenen aus der Bewegung 2. Juni und der RAF.
21. bis 23. März ein ereignisreiches Wochenende. Zum dritten mal hat die Wohnungsbaugesellschaft Besuch, dieses mal erwischt es ihr Büro in der Merianstr., in das ein Molotow-Cocktail fliegt. In der selben Nacht werden zum wiederholten mal die Scheiben der Stadtsparkasse in der Johanisstr. eingeworfen. An der Tür liegt ein Zeitungsausschnitt mit der Überschrift: „ Mit Genossen die Zukunft gestalten“.
Eine Nacht später erhält das Hans-Sachs-Gymnasium, dessen Direktor als Ministerialbeamter für den „Maulkorberlass“ verantwortlich war, Besuch von der unkontrollierten Jugend. Die Gänge und Räume zieren meterhohe Parolen, alle Türschlösser sind verklebt, Kopierer und andere Geräte zerstört und die Telefonleitungen herausgerissen.
Noch am selben Wochenende fliegt ein Cocktail in die Stadtsparkasse an der Schwabacher Straße und legt diese Lahm: 50 000 DM Sachschaden. In der Erklärung der Unkontrollierten Bewegung 5. März hierzu heißt es: „Der Kampf geht weiter! Wer nicht hören will, muss fühlen. Wir nehmen die Bullen – Terrorpraktiken nicht länger hin …“

Am Abend des 3. April besetzen 40 bis 50 Leute eine in der Nähe der noch immer besetzten Wielandstr. gelegenen Villa in der Roritzerstr. 5
Am Morgen des 6. April beginnt bereits die Räumung durch Bereitschaftspolizei und ein Sondereinsatzkommando.
Eine feste BesetzerInnengruppe hatte sich in der Kürze der Zeit noch nicht herausgebildet, es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Dennoch stoßen die Gesetzeshüter bei ihrem Eintreffen auf harten Widerstand. Das Haus ist, einschließlich der Fenster, verbarrikadiert. Ein Hagel aus Gegenständen empfängt die Staatsdiener, darunter Unrat und eine Übungshandgranate der Bundeswehr.
Nachdem es der Polizei gelungen ist sich in den 2. Stock vorzuarbeiten, werden 12 BesetzerInnen dort festgenommen, fünf weitere haben sich jedoch auf das Dach zurückgezogen und drohen bei weiterem Vorrücken der SEK-Beamten herunterzuspringen. Sie fordern: „Freien Abzug, Freilassung der bereits festgenommenen Besetzer, Nichtabriss des Hauses, und Amnestie für alle Hausbesetzer.“ Um 13 Uhr ergeben sie sich schließlich.

Ohne Sommerpause geht es weiter

Im Sommer `81 steht zweimal die Johannisstr. 70 im Mittelpunkt von Aktivitäten der Bewegung. Es gelingt jedoch nicht das Haus zurückzuerobern.
Am 27. und 28. Juni findet das vom Organisationsausschuss der Vollversammlung der Hausbesetzer organisierte Hausbesetzerfestival im Pegnitzgrund statt. Im Rahmen einer Demo mit 2000 TeilnehmerInnen, kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, es wird gesprüht, Steine fliegen, Fensterscheiben gehen zu Bruch.
Der Demonstrant Klaus Jürgen Ratay wird in Berlin bei der Räumung besetzter Häuser von prügelnden Sondereinheiten in den fließenden Verkehr getrieben und kommt ums leben. Auch in Nürnberg macht sich die Empörung Luft. Auf einer Demo wird eine Deutschlandfahne eingeholt und es gehen vier Scheiben in der Innenstadt zu Bruch.

Am 24.12.81 wird schließlich direkt neben dem KOMM die Königsstr. 85 besetzt
Im November ist den AktivistInnen der BesetzerInnenbewegung klar, dass der Nürnberger Häuserkampfbewegung die Luft ausgeht. Auf die eigene Geschichte bezugnehmend, Weihnachten `80 wurde das erste Haus – die Johannisstr. 70 besetzt, wird für den 24. Dezember eine Besetzung vorbereitet um die Bewegung wiederzubeleben. Ein im KOMM stattfindendes Konzert soll genutzt werden um die BesucherInnen in das direkt gegenüber liegende Haus zu mobilisieren. Für den 25. Dezember wird zu einer Demonstration unter dem eingängigen Motto: „Alles frisch? Alles Scheiße“ mobilisiert. Mit acht verschiedenen Flugblättern wird die Demo beworben, deren nur intern bekannter Zweck es sein soll die Besetzung zu unterstützen.
Zunächst läuft alles wie geplant. Das Haus wird besetzt, nach dem Toten von Berlin: „Klaus Jürgen Ratay Haus“ getauft und es gelingt auch einen Teil der KonzertbesucherInnen aus dem Komm zur Fortsetzung der Party ins Haus zu mobilisieren, doch die Besitzer hatten vorsorglich Strafantrag gestellt und die bayrische CSU-Regierung unter Strauß die Polizei angewiesen, Neubesetzungen innerhalb von 24 Stunden zu räumen.
So marschieren noch in der Nacht die Staatsbüttel auf, um der Besetzung ein Ende zu bereiten. Während die Räumung beginnt, setzen sich die BesetzerInnen über eine an der Rückseite des Gebäudes angebrachte Feuerleiter ab, umrunden das Gebäude und gesellen sich zu den davorstehenden SympathisantInnen. So kommt es zu der absurden Situation, dass die im Gebäude nach den BesetzerInnen suchenden Beamten, von diesen  durch die geöffneten Fenster mit Schneebällen beworfen werden.
Polizei-Bilanz der Nacht: „Eine Festnahme“. Ein Lehrer, der mit anderen KonzertbesucherInnen ins Haus kam wurde vergessen, weil er betrunken hinter einem Vorhang eingeschlafen war.
An der Demonstration am 25. Dezember beteiligen sich, trotz der für die damalige Zeit massiven Flugblattagitation, kaum 100 Personen.

Der Sturm auf das Gedächtnisspektakel
Ein Jahr nach der Massenverhaftung am 5. März `82 organisiert die „Bürgerinitiative 5. März“ eine Demo und eine Großveranstaltung im KOMM. Die an der Demo teilnehmenden Autonomen stürmen am Abend zuerst die Veranstaltung, ohne den verlangten Eintritt zu bezahlen, und schließlich die Bühne. Es wird ein Flugblatt verlesen und verteilt. „Wir fordern keine Einstellung der Prozesse, sondern die Abschaffung der Justiz! Feuer und Flamme für diesen Staat“ titelt der Flyer, verantwortlich im Sinne des Presserechts zeichnet die „Unkontrollierte Bewegung“.

Das Ende der Häuserkampfbewegung
Der Nürnberger BesetzerInnenbewegung ist es gelungen durch Demonstrationen, Aktionen, Besetzungen über ein Jahr politischen Druck auf die bayrische Politik auszuüben und aufrechtzuerhalten. Die Widersprüche zwischen lokalem SPD-Stadtrat und der CSU-Landesregierung, zwischen einer mehr auf Integration und einer ausschließlich auf Kriminalisierung der Bewegung ausgerichteten Linie der Herrschenden, verstanden die Kerne der Nürnberger Besetzer sich gezielt zunutze zu machen.
Als handfestes Ergebnis der Nürnberger Häuserkämpfe blieben so vier von der Bewegung erkämpfte Wohnprojekte, darunter, das bis heute überlebende Ritzman Kollektiv in der Regensburgerstr..
Dass ein „weiter so“ sich nach über einem Jahr dann nicht mehr aufrechterhalten ließ, lag unter anderem an der massiven Repression, neue Besetzungsversuche, wie der in der Königsstr., scheiterten alle samt an der bayrischen Linie, die dafür sorgte, dass zuletzt kein Haus länger als 24 Stunden besetzt blieb.
So sorgte die fortgesetzte Repression und Kriminalisierung für Einschüchterung und Frust in Teilen der Bewegung, andererseits trug der massive staatliche Terror zu einer schnell voranschreitenden Radikalisierung ihrer Kerne bei. Die Autonome Linke, die sich aus diesen Kernen im Verlauf der Bewegung herausbildet hat, die die ersten Schritte von der spontanen Bewegung zur organisierten autonomen politischen Kraft gemacht hat, nimmt zahlreiche Erkenntnisse aus der Bewegungszeit mit auf ihren Weg.
Und wie dieser Weg weiterverlaufen ist, wie es weiter geht, ja das erfahrt ihr in der nächsten Ausgabe.

barricada – Oktober 2008